Kernforderungen für ein Informationsfreiheitsgesetz

Das Forum Informationsfreiheit (FOI) engagiert sich seit 2013 für ein Ende des Amtsgeheimnisses und ein Bürgerrecht auf Zugang zu staatlicher Information. Ziel ist ein Transparenzgesetz, das sich an den stärksten internationalen Beispielen orientiert. Ein solches Gesetz sollte Österreich vom abgeschlagenen letzten Platz (unter derzeit 128 Ländern) in der Bewertung von Informationsfreiheitsgesetzen, dem ‘Right to Information Rating’ (RTI-Rating), ins Spitzenfeld bringen.

Die durch das RTI-Rating definierten Bewertungskriterien sind gute Anhaltspunkte für die Bewertung eines Bürgerrechts auf Information.

Im Folgenden beschreiben wir die groben Eckpfeiler, anhand derer ein Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz erstellt und bewertet werden kann.

Viele der Punkte sind auch in einem Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz (sowie einer Änderung des Bundesverfassungsgesetzes) reflektiert, den NEOS im Herbst 2019 in Parlament eingebracht haben.

Umfang

Das Recht auf Zugang zu Information (“Right to Information / Access to Information”)

Das Recht auf Informationszugang sollte österreichweit einheitlich sein und alle staatlichen Stellen umfassen: Exekutive und Verwaltung, Parlaments- und Landtagsverwaltung, die Gerichtsbarkeit sowie vom Staat kontrollierte Unternehmen, Fonds, Stiftungen etc., zumindest soweit diese der Kontrolle durch den Rechnungshof unterliegen. 

Alle Informationen, die bei einer Behörde vorhanden sind, sollten grundsätzlich beauskunftet werden – egal, wann sie erstellt wurden, wer der Autor ist und in welchem Format sie vorliegen. 

Das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Verwaltung (“Access to documents”)

Bürgerinnen und Bürger sollten das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Verwaltung haben, wie das in einem Informationsfreiheitsgesetz Usus und auch auf EU-Ebene Standard ist. Die Einsicht in Primärquellen ist die einzige akzeptable Form um Transparenz zu gewährleisten. Berechtigte Interessen können durch einen international ebenfalls üblichen teilweisen Zugang zu Information innerhalb des Dokuments (“partial access”) geschützt werden: Sollten im Dokument Informationen enthalten sein, die nach Ansicht der Behörde einem der Ausnahmegründe unterliegen, sind diese zu schwärzen (und zwar nur diese!), das Dokument aber dennoch zu übermitteln.  

Ausnahmen

Klar definierte Ausnahmegründe

Ausnahmegründe sollten für ganz Österreich einheitlich sein und, entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig und gesetzlich klar definiert sein. Gründe zur Geheimhaltung sollten nicht über die Regelung der Europaratskonvention zum Zugang zu offiziellen Dokumenten hinausgehen. 

Abwägungen

…zwischen einem konkreten Schaden  (“Harm Test”)

Kein Ausschlussgrund darf absolut anwendbar sein. Gesetzlich muss klar geregelt sein, dass im Einzelfall abzuwägen ist: Ist die Behörde der Meinung, durch die Informationsherausgabe wird ein konkreter Schaden im Sinne der gesetzlichen Ausnahmegründe verursacht, muss dieser durch den sogenannten Harm Test ermittelt und dokumentiert werden.

…und öffentlichem Interesse (“Public Interest Test”) 

Das öffentliche Interesse am Informationszugang muss bei der Entscheidung über eine (teilweise) Veröffentlichung mit dem erwarteten Schaden abgewogen werden (“Public Interest Test”). Diese Abwägung ist zu dokumentieren. Ist das öffentliche Interesse höher zu bewerten als der Geheimhaltungsgrund, so ist die Information herauszugeben. Sobald ein Verweigerungsgrund nicht mehr zutrifft, sollte die angefragte Information ohnehin herausgegeben werden müssen. 

Aktive Veröffentlichung

Informationspflicht für Behörden

Die öffentliche Verwaltung sollte bestimmte Dokumente, Daten und Informationen von sich aus publizieren müssen, wie es immer mehr moderne Kommunen, Regionen und Länder als Teil staatlicher Transparenz vorleben.

Das Hamburger Transparenzgesetz etwa verlangt, dass unter anderem alle von Behörden in Auftrag gegebene Gutachten und Studien, Subventions- und Zuwendungsvergaben, Haushalts-, Stellen-, Bewirtschaftungs-, Organisations-, Geschäftsverteilungs- und Aktenpläne, Verwaltungsvorschriften, amtliche Statistiken und Tätigkeitsberichte, in öffentlicher Sitzung gefasste Beschlüsse nebst den zugehörigen Protokollen und Anlagen, Verträge der Daseinsvorsorge, sowie Verträge ab einem Wert von € 100.000 zu veröffentlichen sind (sowie solche, bei denen die Vertragspartner Rechtsgeschäfte mit einem Wert von mehr als € 100.000 in einem Jahr abschließen).

In der Slowakei liegt die Wertgrenze für verpflichtende Veröffentlichung sämtlicher Verträge der öffentlichen Hand im bei nur € 1.000. Mehr noch: sind die Verträge nicht im Volltext online frei zugänglich, sind sie nicht rechtsgültig, und die öffentliche Hand darf keine Zahlungen leisten.

Es braucht Rechtssicherheit, auch für Behörden: was darf veröffentlicht werden, was muss veröffentlicht werden?

Für eine solche Rechtssicherheit sind genaue gesetzliche Vorgaben notwendig, ebenso wie ein(e) Informationsfreiheits-beauftragte(r), der/die bei der Entscheidung in Einzelfällen die Behörden berät. 

Verträge der öffentlichen Hand sollten grundsätzlich erst in Kraft treten können, nachdem sie online veröffentlicht wurden (außer, es droht dadurch ein schwerer Schaden). Österreich sollte dieses Modell, das unter anderem in Hamburg (seit 2014), der Slowakei (seit 2011) und Tschechien (seit 2016) erfolgreich praktiziert wird, übernehmen.

Die aktive Publikation von Dokumenten, insbesondere von Verträgen und Details zu Beschaffungen und Vergaben, stärkt die Kontrollfunktion der Medien und ermöglicht BürgerInnen, die Verwendung von Steuergeld im Detail nachvollziehen zu können. Das Beispiel Slowakei zeigt außerdem: Transparenz bringt einen Mehrwert für die öffentliche Hand sowie insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Nach Beginn der Offenlegung 2011 hat sich die durchschnittliche Zahl der Bieter pro Vergabe dort binnen weniger Jahre mehr als verdoppelt, die Vergaben mit nur einem Bieter sanken deutlich, es gibt kaum noch Direktvergaben ohne Wettbewerb.

Ort der Publikation 

Das zentrale Transparenz-Register (“Transparency Register”)

Um eine einfache Weiterverwendbarkeit und ein Maximum an Mehrwert sicherzustellen, sollten Verträge und aktiv veröffentlichte Dokumente und Daten (auch) auf einer zentralen Plattform bzw. in einem zentralen Transparenzregister veröffentlicht werden. Dafür bietet sich etwa eine Erweiterung von data.gv.at an. Wo immer möglich, sollte eine Veröffentlichung von Dokumenten und Daten unter offenen Lizenzen und in einfach weiterverwendbaren Datei-Formaten (Stichwort: Open Government Data) erfolgen.

Regelbefolgung und Rechtsschutz

Informationsfreiheitsbeauftragte (“Commissioner for Freedom of Information”)

Beratungsstelle, Schiedsgericht, Kompetenzzentrum: Internationale Beispiele zeigen, dass ein(e) unabhängige(r) Informationsfreiheitsbeauftragte(r) ein zentraler Faktor bei der erfolgreichen praktischen Umsetzung eines starken Informationsfreiheitsgesetzes ist.

Ein(e) Informationsfreiheitsbeauftragte(r) hat mehrere wichtige Funktionen, die Verwaltungsgerichte nicht übernehmen können:

  • Stellt zeitnahen und unbürokratischer Zugang zu Information sicher und vermittelt im Streitfall zwischen Bürgern und Behörden bei nicht erfolgter Herausgabe der Information, wiegt berechtigte Geheimhaltungsgründe mit dem öffentlichen Interesse an Herausgabe ab und entscheidet über Vorgehensweise (der weitere Gang zum Verwaltungsgericht bleibt möglich)
  • Steht Behörden mit Expertise bei der Umsetzung des Gesetzes zur Seite, durch Empfehlungen in Einzelfällen sowie durch Unterstützung bei der Weiterbildung von MitarbeiterInnen und Beamten 
  • Beobachtet die praktische Umsetzung des Gesetzes, erstellt einen jährlichen Bericht und regt weitere Verbesserungen an
  • Hilft, Bewusstsein zum Grundrecht auf Informationszugang bei den Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen

Bürgerfreundlicher Zugang

Bürger sollten zeitnah, kostenlos und unbürokratisch von ihrem Recht auf Informationszugang Gebrauch machen können. Die Frist für die Behörde, die angefragten Informationen herauszugeben, sollte nicht länger als 15 Arbeitstage sein, analog zur Regelung der EU-Institutionen. Mehrere skandinavische und baltische Länder haben heute Antwortfristen von einer Woche und weniger – in Estland etwa liegt die Antwortfrist bei fünf Arbeitstagen. 

Im Falle eines verweigerten Informationszugangs sollten Bürgerinnen und Bürger einen raschen Instanzenweg beschreiten können. Weitere Wartezeit für Bescheide beziehungsweise Kosten für Bescheide – wie aktuell vorgesehen – sind international nicht üblich und außerdem nicht nachvollziehbar. 

Positiv wäre eine Einspruchsmöglichkeit bei einem/einer Informationsfreiheitsbeauftragten, damit der Bürger nicht gleich gegen die Republik vor Gericht ziehen muss. Jedenfalls ist zu vermeiden, dass sich Bürger einem Kostenrisiko aussetzen müssen, was bedeuten würde, dass sich viele Journalistinnen, Vereine und Bürgerinitiativen es nicht leisten könnten, ihr Recht auf Informationszugang durchzusetzen. 

Verhältnis zu anderen Gesetzen

Verfassungsmäßiges Recht jedes Bürgers

Das Informationsfreiheitsgesetz muss das zentrale Gesetz sein, in dem Mindeststandards für die Offenheit aller Bereiche des Staates festgelegt sind. Andere Gesetze mögen eine weitere Öffnung in Teilbereichen verorten – ein Informationsfreiheitsgesetz, das durch einfache (Geheimhaltungs-) Bestimmungen in anderen Gesetzen auszuhebeln ist, wäre hingegen beispiellos.

Monitoring & Evaluierung

Berichtspflicht zur IFG-Umsetzung

Zumindest jährlich sollte jede Behörde (oder der Informationsfreiheitsbeauftragte) einen Bericht veröffentlichen, in dem sie darlegt, welche und wieviele IFG-Anfragen sie erhalten hat, und wie sie darauf reagiert hat. Eine solche Berichtspflicht ermöglicht eine Beobachtung der Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes. Das Gesetz sollte wenige Jahre nach Inkrafttreten evaluiert werden, um wenn nötig nachzuschärfen.