Slowakei: Gaben Behörden Details aus Informationsfreiheits-Anfragen an Journalistenmörder weiter?

Mathias Huter

Beschäftigt sich mit Transparenz, Open Data und Anti-Korruption, interessiert sich besonders für Parteienfinanzierung und Beschaffungen. Von 2009 bis 2014 für Transparency International Georgia in Tiflis tätig.

Indiskretionen slowakischer Behörden könnten den Mord am Investigativjournalisten Ján Kuciak und an Martina Kušnírová, seiner Verlobten, ausgelöst haben, berichtet das Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP), dem Kuciak angehörte.

Der Reporter recherchierte zu Aktivitäten der italienischen ‘Ndrangheta in der Slowakei, insbesondere zum Missbrauch von EU-Agrarförderungen und zu Verbindungen der Mafia in slowakische Behörden und die Regierungspartei SMER.

Einen wichtigen Teil seiner Recherchen bildeten Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz an slowakische Behörden: Kuciak hatte mehrere Dutzend Anfragen an Grundbuchämter, Behörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte gestellt. Diese Anfragen beinhalteten nicht nur seinen Namen und seine Adresse, sondern ließen auch Rückschlüsse auf seine Recherchen zu. Reporter-Kollegen von Kuciak vermuten nun, dass der oder die Mörder, oder deren Hintermänner, von öffentlichen Stellen über die Recherchen informiert wurden.

Ähnliche Fälle, in denen Behörden sensible Informationen von Journalisten, Anwälten und anderen Anfragenden an kriminelle Organisationen oder Politiker, die im Zentrum einer Anfrage standen, weiterleiten, hat OCCRP in mehreren europäischen Ländern dokumentiert.

Gemeinsam mit Access Info Europe, OCCRP und rund 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus ganz Europa haben wir einen Brief an alle Abgeordneten des Europäischen Parlament gerichtet, das heute zum Schutz investigativer Journalisten diskutiert. Darin fordern wir die EU auf, Maßnahmen zu ergreifen, um Journalist_innen und all jene, die ihr Recht auf Zugang zu staatlicher Information nützen (das in Österreich weiterhin nicht gesetzlich verankerten ist), zu schützen:


Statement zur Unterzeichnung durch Journalisten-, Medienfreiheits-, Informationsfreiheits-, Menschenrechts- und anderen Organisationen (im englischen Original)

EU muss jene schützen, die von ihrem Recht auf Zugang zu Information Gebrauch machen

Angesichts der schockierenden Nachrichten, dass Ján Kuciak vermutlich aufgrund seiner Tätigkeit als investigativer Journalist getötet wurde und seine Informationsfreiheits-Anfragen möglicher Weise an jene weitergegeben wurden, die im Zentrum seiner Recherchen standen, appellieren wir, die Unterzeichnenden, an die EU, dringende Maßnahmen zu ergreifen, um Journalisten zu schützen, die von ihrem Recht auf Zugang zu Information Gebrauch machen.

Nach dem zweiten Journalisten-Mord in Europa in weniger als sechs Monaten ist es offensichtlich, dass dringende Maßnahmen gesetzt werden müssen, um die Zivilgesellschaft bei der Ausübung ihrer Grundrechte zu schützen.

Das Recht auf Zugang zu Information ist ein essentielles Werkzeug, um Korruption zu bekämpfen, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, und die Rechtsstaatlichkeit zu schützen.

Wir verurteilen jegliche Handlungen öffentlicher Stellen, die jene gefährden, die dieses Recht nutzen.

Wir haben zahlreiche Fälle quer durch Europa identifiziert, in denen Behörden die Namen von Journalistinnen und Journalisten sowie von anderen Anfragenden an Dritte weitergegeben haben. Das Fehlen von spezifischen Gesetzen und Regelungen, um solche Verstöße zu ahnden und sanktionieren, ist ein Grund zu großer Sorge. Die Identität von Anfragenden sollte nur offengelegt werden, wenn ein deutlich gerechtfertigtes überwiegendes öffentliches Interesse daran besteht.  

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, appellieren deshalb an die Europäische Union, dringende Handlungen zu setzen, um die Sicherheit und Unversehrtheit von Journalistinnen und Journalisten und all jenen sicherzustellen, die ihr Recht auf Zugang zu Information nutzen.

Insbesondere fordern wir Maßnahmen, die Folgendes sicherstellen:

  • Ein Umfeld, in dem das Recht auf Zugang zu Information ohne Angst ausgeübt werden kann;
  • Eine Stärkung des gesetzlichen Rahmens in europäischen Ländern, inklusive spezifischer Maßnahmen die sicherstellen, dass die Identität von Anfragenden geschützt ist.

Unterzeichnet:

Access Info Europe
Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP)
Transparency International EU
Centre for Law and Democracy, Canada
European Federation of Journalists/Fédération européenne des journalistes, Belgium
Association of European Journalists (AEJ)
mySociety, United Kingdom
N-ost, Germany
Tax Justice Network

Access to Information Programme, Bulgaria
Associated Whistleblowing Press / Fíltrala, Spain
Association for protection of human rights and citizens’ freedom “HOMO”, Croatia
APADOR-CH, Romania
Autonomia Foundation, Poland
Befallers of Montenegro, Montenegro
Center for Civic Education, Montenegro
Center for Democracy and Rule of Law (CEDEM), Ukraine
Center for Development of NGOs, Montenegro
Center for Investigative Journalism, Montenegro
Citizen Network Watchdog Poland, Poland
Civic Alliance, Montenegro
Civil Network OPORA, Ukraine
Coalizione Italiana Diritti e Libertà Civili (CILD), Italy
Croatian Journalists’ Association, Croatia
Danes je nov dan, Slovenia
Diritto Di Sapere (DDS), Italy
ePanstwo Foundation, Poland
Forum Informationsfreiheit, Austria
Foundation Open Society, Macedonia
Freedom of Information Center, Armenia
Fundación Ciudadana Civio, Spain
GONG, Croatia
Green Home, Montenegro
Helsinki Foundation for Human Rights, Poland
Human Rights House Zagreb, Croatia
Human Rights Platform, Ukraine
Human Rights Action, Montenegro
Hungarian Civil Liberties Union, Hungary
Iraqi Journalists Rights Defense Association (IJRDA), Iraq
Integrity Watch Afghanistan, Afghanistan
International School for Transparency, South Africa,
Institute Alternative, Montenegro
Institute of Mass Information, Ukraine
Journalists’ Club “Asparez”, Armenia
K-Monitor, Hungary
MANS, Montenegro
Mertek Media Monitor, Hungary
Montenegrin-Slovak Friendship Association, Montenegro
National Federation of Polish NGOs, Poland
Open Data Lab Ukraine
Open Knowledge, Germany
Our Action, Montenegro
Panoptykon, Poland
Plataforma en Defensa de la Libertad de Información (PDLI), Spain
Regional Press Development Institute, Ukraine
Regionalne Centrum Wspierania Inicjatyw Pozarządowych, Poland
Reporters Foundation, Poland
The Slovene Association of Journalists, Slovenia
Union of Professional Journalists, Montenegro
Women’s Rights Center, Montenegro
Zbigniew Holda Association, Poland