3-Monate Informationsfreiheit: Was befreit wurde, Was geheim bleibt
Mit dem Start der Informationsfreiheit waren große Versprechen verknüpft. Nach etwas mehr als 3 Monaten bekommen wir erste Eindrücke, was nun möglich ist, wo sich die Behörden gegen eine Herausgabe sträuben und welche Probleme das Gesetz in der Praxis hat. Sogar erste erstinstanzliche Entscheidungen der Verwaltungsgerichte gibt es schon. Hier ein erster Überblick der bisher bekannten Fälle.
Befreite Informationen…
Eines der ersten befreiten Dokumente war die Durchführungsanleitung für die standesamtliche Arbeit des BMI. Diese wurde direkt und vollständig zugänglich gemacht. Diese ist beschreibt die Vorgehensweise für Eheschließungen und führt aus, wer weshalb welchen Geschlechtseintrag im Personenstand bekommt. Bereits 2021 wurde vor dem Hintergrund der Anerkennung weiterer Geschlechtseinträge eine ähnliche Anfrage gestellt, doch damals wurde nur die Ergänzung der Durchführungsanleitung bei Menschen, die weder männlich noch weiblich sind, zugänglich gemacht.
Im Vorfeld der erneuten Aufnahme von Abschiebungen nach Afghanistan lud das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Vertreter der afghanischen Taliban-Regierung zur „technisch-konsularische Abklärung“ ein. In einem ausführlichen Informationsbegehren wollte eine Journalistin unter anderem in Erfahrung bringen, ob das Bestehen von Haftbefehlen gegen die anwesenden Vertreter überprüft wurde, ob Anzeigen erstattet wurden und ob die Taliban als extremistische und/oder terroristische Vereinigung geführt werden. In der Antwort des BMI wird ausgeführt, dass keine Anzeige erstattet wurde, da es sich ausschließlich um Behördenvertreter gehandelt habe und keine Haftbefehle gegen diese vorlagen. Es wurde außerdem beauskunftet, dass die Taliban als extremistische und/oder terroristische Vereinigung geführt werden.
Nach einem Informationsbegehren an die Parlamentsdirektion zu den Spesen der Nationalratsmandatar*innen veröffentlichte diese die Liste der ausgezahlten Spesen nach § 10 BBezG, wies aber darauf hin, dass die Spesen für Reisen zu Sitzungen von Untersuchungsausschüssen des Nationalrates sowie zu besonderen parlamentarischen Terminen nicht herausgegeben wurden, da diese unter § 10a BBezG fallen und lediglich jene nach § 10 BBezG angefragt wurden. Bereits in der Vergangenheit gab es ähnliche Anfragen, so wurde die Auskunft über die Spesenabrechnung 2015 aufgrund des Datenschutzes verweigert. Auch eine darauf folgende Anfrage der Spesenabrechnung, aufgeschlüsselt nach den Parlamentsklubs blieb erfolglos, da der Kostenersatz für die Spesen den einzelnen Mandatar*innen und nicht den Klubs zustehe. Trotzdem ist das aktuelle Informationsbegehren nicht das erste Mal, dass die Parlamentsdirektion die Spesenabrechnung zugänglich macht, bereits 2022 gab sie die Spesenabrechnungen für die Jahre 2017 bis 2022 heraus.
Ende Oktober präsentierte Staatssekretär Schellhorn die Plattform seda.gv.at, auf der Bürger*innen Ideen zu Entbürokratisierungs- und Deregulierungsanliegen einbringen können. Aufgrund einer Anfrage sind die Kosten für Erstellung und Betrieb der Plattform aufgeschlüsselt nach Position herausgegeben worden.
Mehrere Anfragen beschäftigen sich mit Lizenzkosten für nicht-europäische Soft- und Hardware. Das Bundeskanzleramt gab darauf eine Liste aller Hersteller mit Daten von 2020 bis 2024 heraus, teilte aber mit, dass die Aufschlüsselung nach Soft- und Hardware ohne gesonderte Auswertung jeder Rechnung nicht möglich wäre. Auf eine ähnliche Anfrage zu ausgewählten Anbietern an die Bundesbeschaffung GmbH gab diese ebenfalls eine detaillierte Liste für die Jahre 2028 bis 2024 heraus.
Beim Bundeskanzleramt und beim Bundesministerium für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport wurde die jeweilige Social Media Strategie angefragt. Darauf kamen zwei sehr unterschiedliche Dokumente zurück.
- Digitale Kommunikation im Bundeskanzleramt
- Richtlinien Soziale Medien Informationen zur dienstlichen Nutzung von Sozialen Medien im BMWKMS
Der Falter hat mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes Einblick in bisher geheime Verträge zwischen der Republik und der Wiener Zeitung erhalten. Die Unterlagen zeigen, dass nur rund die Hälfte der staatlichen Fördermittel tatsächlich in journalistische Arbeit fließt.
Teilweise Informationserteilungen
Die Wiener Zeitung hat mithilfe des Informationsfreiheitsgesetzes aufgedeckt, dass der Umbau des Ausflugslokals Cobenzl die Stadt Wien insgesamt rund 17,8 Millionen Euro kostete. Ein zentrales Gutachten dazu bleibt jedoch unter Verschluss – die Stadt verweigerte dessen Herausgabe mit Verweis auf Geschäftsgeheimnisse.
Kurios ist die Beauskunftung der Langsamfahrstellen bei Verkehrsunternehmen. Das sind Geschwindigkeitsbegrenzungen auf bestimmten Streckenabschnitten, oft wegen Schäden an den Schienen. Die Wiener Linien stellten diese selbstverständlich und maschinenlesbar innerhalb von 16 Tagen bereit, während bei den ÖBB davon ausgegangen wird, dass die Herausgabe der Langsamfahrstellen die „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ gefährde und ein „betriebliches Sicherheitsrisiko darstelle“.
Eine ganze Reihe an Suchanfragen hat sich mit der Frage beschäftigt, welche IP-Adressen vom Staat und dessen Mitarbeiter*innen verwendet werden. Großteils erfolgte die Herausgabe anstandslos, vereinzelt wurde diese aber auch verweigert. Relevant ist diese Information, um etwas staatlichen Einfluss auf Community-Projekte, wie Wikipedia oder der OpenStreetMap, feststellen zu können.
Die Schwächen des Informationsfreiheitsgesetzes werden auch in den ersten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BvWG) deutlich. So hatte Martin Thür (ORF) bei staatsnahen Unternehmen, unter Berufung auf einer vagen Bestimmung im IFG, dass Betroffene bei Anfragen von social Watchdogs nicht zu hören sind, angefragt. Das Unternehmen entschied sich dennoch, die Betroffenen zu hören. Da der Journalist die angefragten Informationen dennoch erhielt, geht das BvWG davon aus, nicht in der Sache entscheiden zu können.
In einem weiteren Fall von Maximilian Werner entschied das BVwG, dass die Frist zur Beschwerde an das Verwaltungsgericht bei staatsnahen Unternehmen bereits ab der ablehnenden Antwort beginnt und nicht, wie es der Gesetzeswortlaut suggeriert, erst mit Ablauf der Beantwortungsfrist.
… aber auch verweigert
Nachdem wir bereits unter dem Amtsgeheimnis vor Gericht die Herausgabe der Eurofighter-Verträge erreichen konnten, haben wir nun auch die Herausgabe der Verträge zur Leonardo-Beschaffung angefragt. Diese wurden unter Berufung auf die militärische Landesverteidigung abgelehnt. Wir finden, was bereits unter dem Amtsgeheimnis möglich war, kann unter der versprochenen Informationsfreiheit nicht unmöglich sein.
Laut Bericht der Kleinen Zeitung werden vom Verkehrsministerium Informationen zum Bau des Lobautunnels, die in die schon gefällte Entscheidung, ihn doch zu bauen, eingeflossen sind, aus fadenscheinigen Gründen nicht herausgegeben (wir wurden hier ebenfalls um Stellungnahme gebeten). Auch der Falter bekam vom Infrastrukturministerium keine Infos über Studien zur Realisierung des Lobautunnels.
Der ORF-Stiftungsrat hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, wonach Protokolle von Stiftungsratssitzungen zukünftig wohl geheim bleiben. Wir haben solche Protokolle schon am ersten Tag des IFG angefragt und haben mittlerweile auch die entsprechende ablehnende Antwort erhalten. (Das Verwaltungsgericht Wien hat eine Zuständigkeit für den ORF verneint, beim Bundesverwaltungsgericht läuft der Antrag auf Entscheidung noch)
In Tirol wird derzeit eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz zum Millionenvertrag zwischen dem Land und dem Roten Kreuz geprüft. Die Beschwerde dagegen könnte klären, wie transparent öffentliche Aufträge künftig offengelegt werden müssen.
Harald Mahrer hat dieses Jahr den Berufstitel des Professors erhalten, dazu erstellte das Wissenschaftsministerium ein Gutachten, die als Rechtfertigung dient. Auf eine Anfrage des Standard hinauf wurde die Herausgabe verweigert.
Einer Anfrage unseres Projektkoordinators Erwin Ernst Steinmeier nach internen Dokumenten, die im Zuge einer Gesetzesausarbeitung angefallen sind, ist das Innenministerium nicht nachgekommen. Begründet wurde das damit, dass solche Dokumente nicht durch den Minister approbiert (d.h. bestätigt) wurden und daher nicht als Informationen anzusehen wären. Eine Bescheidbeschwerde ist in Arbeit.
Die Journalisten Patrick Gruska (ORF) und Julian Kern (Profil) haben dieselbe Anfrage einmal mittels IFG und einmal als Presseanfrage an alle Ministerien gestellt. Dabei stellten sie fest, dass die gleiche Antwort als Presseanfrage viel früher geliefert wurde als nach Anfrage mittels IFG – das BMI ließ sogar die Frist nach IFG verstreichen. Patrick Gruska berichtet von diesem problematischen Verhalten.
Anfragenebbe bei den Gemeinden
Wie der ORF berichtet, blieb der befürchtete Ansturm auf die Behörden nach Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes aus. Die Zahl der Anfragen an Gemeinden halte sich in Grenzen. In Vorarlberg melden die Vorarlberger Nachrichten einen „ruhigen Start in die Informationsfreiheit“. In Dornbirn, der größten Stadt Vorarlbergs, habe es bisher etwa keine Anfrage gegeben. Mein Bezirk zitiert einen Sprecher des Gemeindebundes, der gegenüber der APA meinte, dass von mehr Auskunftsbegehren als zuvor keine Rede sein könne. Von der gefürchteten Überlastung fehlt also jede Spur.
Wichtige VfGH-Entscheidungen
Der VfGH erkannte, dass die Einschränkungen der alten Auskunftspflicht im Bildungsdokumentationsgesetz verfassungswidrig waren. Dort war geregelt, dass generell keine schulstandortbezogenen Daten beauskunftet werden durften. Dies hielt der Verfassungsgerichtshof für einen unverhältnismäßigen „Eingriff in das Recht auf Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit“. Durch ein absolutes Auskunftsverbot „widerspricht der Gesetzgeber dem Erfordernis, … dass eine Abwägung der jeweiligen Interessen vorzunehmen ist“. Die aktuelle Fassung des Bildungsdokumentationsgesetzes sieht weiterhin eine absolute Ausnahme vom Zugang zu schulstandortbezogenen Daten vor. Dass das Bildungsministerium dieses Sonder-Amtsgeheimnis in die Zeit der Informationsfreiheit überführt hat, haben wir bereits im Mai im Zuge der Materiegesetzanpassungen an das Informationsfreiheitsgesetz als verfassungswidrig kritisiert – unsere Kritik wurde aber nicht beachtet.
Auch im Fall des Registers der wirtschaftlichen Eigentümer sah der VfGH die bisherigen Zugangsbeschränkungen als verfassungswidrig: Journalist*innen durften nur auf bestimmte Daten zugreifen, wenn sie ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen konnten, etwa bei Recherchen zu Geldwäsche oder Sanktionen. Diese Einschränkung in der Fassung vor dem 1. Oktober verletzte laut VfGH das Recht auf Informationsfreiheit nach Art. 10 EMRK, da sie über das zum Schutz berechtigter Interessen Erforderliche hinausging. Künftig müsste der Zugang also so geregelt sein, dass eine unverhältnismäßige Beschränkung der Informationsfreiheit vermieden wird.
Weitere Nachrichten zur Informationsfreiheit
In einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten, haben wir ein erstes Resume zum Informationsfreiheitsgesetz abgegeben.
Der Kurier berichtet über die Kritik eines Anwalts, dass die neue Informationsfreiheit in der Praxis zu Unsicherheiten führt, denn Beamte müssen jede Anfrage prüfen und riskieren bei Fehlern in Richtung zu viel Transparenz strafrechtliche Konsequenzen. Wir hatten im Zuge der Erarbeitung des IFG-Anpassungsgesetzes ähnliche Kritik geübt und bessere Lösungen vorgeschlagen, die nicht aufgenommen wurden.
Tagung Informationsfreiheit an der WU Wien
Für die besonders Interessierten empfehlen wir das Nachsehen der „Tagung Informationsfreiheit“, der Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien). Zu 12 verschiedenen Themenschwerpunkten erläuterten hier Jurist*innen die verfassungsrechtlich korrekte Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG). Dabei behandelten Sie Fragen wie: „Unternehmen welcher Gemeinden fallen unter das IFG?“, „Müssen herausgegebene Informationen auch richtig sein?“, „Gibt es auch Informationen, die nicht aufgezeichnet wurde, aber herauszugeben sind?“. Manche dieser Rechtseinschätzungen haben selbst uns überrascht, wir empfehlen allen im Detail Interessierten, die Aufzeichnung nachzusehen.
Um unsere Arbeit langfristig zu unterstützen, bitten wir Sie:
Um dem Staat auf die Finger zu sehen:
Stellen Sie Informationsbegehren
Um schlagkräftig tagesaktuelle politische Entwicklungen kritisieren zu können:
Folgen Sie und Teilen Sie unsere Inhalte auf Bluesky oder
Folgen Sie und Teilen Sie unsere Inhalte auf Mastodon
Um unsere Botschaften und politische Kritik an Interessierte zu verbreiten:
Empfehlen Sie unseren Newsletter weiter
Danke für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung.

Design eest9, Piktogramme unterliegen der Canva Free sowie professional Lizenz