Geheime Ausgaben der Europa-Parlamentarier: Österreichische und europäische JournalistInnen klagen auf Herausgabe

Mathias Huter

Beschäftigt sich mit Transparenz, Open Data und Anti-Korruption, interessiert sich besonders für Parteienfinanzierung und Beschaffungen. Von 2009 bis 2014 für Transparency International Georgia in Tiflis tätig.

Das Europäische Parlament verweigert Einsicht in die Abrechnungen der EU-ParlamentariererInnen. Zum ersten Mal überhaupt reichen jetzt JournalistInnen aus allen EU-Mitgliedsstaaten akkordiert Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof gegen das Europäische Parlament (EP) ein. Das EP verweigert ihnen Zugang zu Informationen von öffentlichem Interesse. Genauer, Einsicht in die Abrechnungen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments.

Die 751 Mitglieder des EP beziehen neben Gehalt und Taggeld unter anderem Zulagen für Büro, Sekretariat, Öffentlichkeitsarbeit, Studien, Rechtsberatung und Reisen. Im Jahr 2014 beliefen sich die Gesamtkosten für Gehalt, Taggeld und sämtliche Zulagen der EU-ParlamentarierInnen auf insgesamt 474 Millionen Euro. Das sind 27 Prozent des gesamten EP-Budgets. Allein die monatliche Bürokostenpauschale, eine Art allgemeine Kostenvergütung, beläuft sich auf 3,2 Millionen Euro, das sind knapp 38,4 Millionen Euro pro Jahr. Dieser Ausgabeposten wird derzeit nicht überprüft.

Im Mai und Juni 2015 beantragten 29 JournalistInnen aus allen EU-Mitgliedsländern daher Einsicht in die Abrechnungen der EU-ParlamentarierInnen auf Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001, die den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission regelt.

Alle Anträge wurden vom Europäischen Parlament abgelehnt, ebenso die Beschwerden dagegen, die von den JournalistInnen im August und September 2015 eingereicht worden waren. Das EP begründete seine Entscheidung mit dem Schutz persönlicher Daten und dem enormen Arbeitsaufwand, der dafür notwendig sei.

Nun wird gegen diese Entscheide des Europäischen Parlaments Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof eingelegt. Die JournalistInnen vertritt die Juristin Nataša Pirc Musar. Sie war von 2004 bis 2014 parlamentarische gewählte Kommissarin für Informationsfreiheit und Datenschutz in Slowenien. Die europaweite Initiative wird von der Journalistin Anuška Delič von der slowenischen Tageszeitung Delo koordiniert.

Aus Österreich beteiligt ist an dem Verfahren die ORF-Journalistin Tanja Malle, die sich auch beim Forum Informationsfreiheit engagiert.

  • Stellungnahme der beteiligten JournalistInnen (auf Englisch).

Die an dem Verfahren beteiligten Journalisten sind:

Tanja Malle Österreich ORF
Kristof Clerix Belgien MO*
Atanas Tchobanov Bulgarien bivol.bg
Matilda Bačelić Kroatien Lider
Maria Psara Zypern Phileleftheros
Pavla Holcová Tschechien, Slowakei Czech Center for Investigative Journalism
Nils Mulvad Dänemark Investigative Reporting Denmark
Peter Jeppesen Dänemark Ekstra Bladet
Sanita Jemberga Estland, Lettland, Littauen Re:Baltica
Gundega Tupina Estland, Lettland, Littauen Re:Baltica
Minna Knus-Galán Finnland YLE
Mark Lee Hunter Frankreich freelance/INSEAD
Dirk Liedtke Deutschland Stern
Nina Plonka Deutschland Stern
Harry Karanikas Griechenland protagon.gr
Balázs Tóth Ungarn atlatszo.hu
Tamás Bodoky Ungarn atlatszo.hu
Gavin Sheridan Irland thestory.ie
Guia Baggi Italien IRPI
Delphine Reuter Luxembourg freelancer
Jacob Borg Malta The Malta Independent
Hugo van der Parre Niederlande NOS
Wojciech Ciesla Polen Newsweek Poland
Rui Araujo Portugal TVI Portugal/ICIJ
Crina Boroş Rumänien, Vereinigtes Königreich data journalist
Anuška Delić Slowenien Delo
Tina Kristan Slowenien Delo
Marcos García Rey Spanien freelance
Staffan Dahllöf Schweden freelance/Wobbing Europe