Internationaler Right to Know-Day:
 Informationsfilterung ist „Zensur an der Quelle“

Markus »fin« Hametner

"Besonders wichtig für ein Transparenzgesetz im 21. Jahrhundert: die Verfügbarkeit von Originaldaten in maschinenlesbarer Form. Niemand sollte mit dem Scannen von tausenden Seiten Zeit verschwenden müssen."
  • Forum Informationsfreiheit verleiht Amtsgeheimnis-Awards 2018:
    „Mauer des Schweigens“ an Stadt Innsbruck, niederösterreichische Gemeinden 
und Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus
  • „Goldener Informationsfilter“ für Innenminister Kickl und Mitarbeiter 
für den Versuch politischer Einschränkung öffentlicher Informationen
  • „Mauer des Schweigens“-Sonderpreis für Bundeskanzler Sebastian Kurz für die Nicht-Einhaltung seiner Zusagen zu einem Informationsfreiheitsgesetz

WIEN – Anlässlich des „Internationalen Right to Know-Day“ am 28. September verleiht das Forum Informationsfreiheit (FOI) heuer zum 5. Mal die jährlichen Amtsgeheimnis-Awards „Die Mauer des Schweigens“, um auf die Verletzung der Auskunftspflicht durch Politik und Verwaltung und die Intransparenz staatlichen Handelns aufmerksam zu machen.
Das Forum Informationsfreiheit betreibt seit über 5 Jahren das Portal FragDenStaat.at, über das Bürger, NGOs und Journalisten Anfragen an Behörden nach dem Auskunftspflichtgesetz richten können. Die Behörden sind gesetzlich zur Antwort verpflichtet, verweigern aber oft die Auskunft
 – mit unterschiedlichsten Begründungen.
Der Preis zeichnet die „besondere Bemühungen um die Verweigerung amtlicher Antworten“ aus, und die Geheimhaltung von Informationen von öffentlichem Interesse vor Österreichs Bürgerinnen und Bürgern.
Aus einer Shortlist von 10 Nominierten wählte eine Jury von Juristen, JournalistInnen, BürgerrechtlerInnen die heurigen Preisträger.

Jurymitglied Julia Herrnböck und Generalsekretär Mathias Huter moderierten die Preisverleihung (Foto: Gert Nepel)

Die „Mauern des Schweigens“ des Amtsgeheimnis-Awards 2018 gehen an…

Platz 1: die Stadt Innsbruck, für die Weigerung die Sprengelergebnisse der heurigen Bürgermeisterwahl herauszugeben. Abgelehnt wurde die Anfrage mit der Begründung, das Bundesministerium für Inneres verbiete eine Veröffentlichung der Sprengelergebnisse, was das Ministerium zurückwies. „Daten aus dem Kernbereich der demokratischen Entscheidungsfindung geheim zu halten, zerstört das Vertrauen in demokratische Wahlen und staatliche Institutionen“, so die Jury. Das sei „das Schlimmste, was Intransparenz überhaupt anrichten kann.“

… Platz 2: die niederösterreichischen Gemeinden (in Verbindung mit Gemeindebund, Gemeindevertreterverband und Land NÖ), dafür, Gebühren von insgesamt fast 8.000 Euro allein für die Frage anzudrohen (und teils schon verrechnen), wie vielen Menschen vor der Landtagswahl 2018 das Wahlrecht aberkannt wurde. Die im öffentlichen Interesse liegende Frage wurde von zwei Aktivisten des „Forum Informationsfreiheit“ an alle 573 Gemeinden einzeln gestellt, da das Land NÖ laut eigenen Aussagen sich diese Daten von den Gemeinden nicht mit- übermitteln ließ – und man daher jede einzeln anfragen müsse. (Der Preis geht damit auch an den NÖ Gemeindebund und den NÖ Gemeindevertreterverband, die den Gemeinden empfahlen, diese Gebühren einzuheben, und das Land NÖ, das durch den Beschluss einer schlechten Wahlrechts-Reform und einer fehlenden Erhebung der statistischen Daten dazu so viele Einzelanfragen an Gemeinden überhaupt nötig machte.)

„Es ist absolut inakzeptabel, Informationen von öffentlichem Interesse und essentieller Bedeutung für die Demokratie nur gegen Bezahlung zur Verfügung zu stellen“, so die Jury. Das sei „ein verheerendes Signal für alle aktiven Staatsbürger und NGOs, die aufgrund dieser Rechtsunsicherheit nun fürchten müssen, dass schon allein durch eine Frage in finanzielle Probleme“ gestürzt zu werden. Es zeige auch „das Fehlen eines durchdachten Informationsfreiheitsgesetzes und einer zentralen Kompetenzstelle als starkes und schnelles Schiedsgericht.“ Transparenz verursache Aufwände, beugt aber autoritären Tendenzen vor – und verhindert das Versickern von Millionen und Milliarden öffentlicher Mittel.

… Platz 3: das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, das seine Stellungnahme zum umstrittenen Entwurf für das sogenannte „Standortentwicklungsgesetz“ nicht veröffentlicht hat. Die Veröffentlichung einer Stellungnahme im Begutachtungsverfahren ist zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, jedoch absolut üblich ist zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, jedoch absolut üblich. Die Umweltschutzorganisation WWF beantragte die Herausgabe der Stellungnahme auf Basis des Umweltinformationsgesetzes. Diese Anfrage blieb nach Verstreichen der gesetzlich vorgeschriebenen Antwort-Frist dennoch unbeantwortet.

Begründung der Jury: „Stellungnahmen der Ministerien als Exekutive an das Parlament als Legislative sind eine wichtige Grundlage für den Gesetzgebungsprozess – und die öffentliche Debatte darüber. Diese Information der Öffentlichkeit mutwillig zu entziehen, stellt einen Sabotageakt des demokratischen Meinungsbildungsprozesses dar.“ Es lasse sich damit auch nicht mehr nachvollziehen, wessen Interessen hier möglicher Weise durch die Hintertür eingeschmuggelt würden.
Das BMMNT hat zu seinen Nominierung eine Stellungnahme abgegeben, diese finden Sie weiter unten.

Ebenfalls nominiert für den Preis waren heuer darüber hinaus u.a….
… die Stadt Wien (3,7 Millionen Euro an private Verlage für den angeblichen Ankauf von Büchern und Broschüren, die jedoch teilweise nicht geliefert wurden – Stadtführung weigerte sich gegenüber Abgeordneten und Journalisten, detaillierte Infos zu liefern, wo diese überhaupt verteilt wurden, mit dem Argument, solche Nachforschungen seien „wirtschaftlich nicht gerechtfertigt“); … oder das Land Tirol (für die Verweigerung, hunderte Seiten Unteralgen zum Projekt des Wasserkraftwerks Kalersbach nur ausgedruckt, nicht aber elektronisch zu übermitteln, mit dem Argument der USB-Stick mit den Unterlagen sei nicht Teil des elektronischen Akts).

In den vergangenen Jahren ging der Negativ-Preis für die Verhinderung von Transparenz u.a. an das Österreichische Innenministerium (für das Zutrittsverbot für Journalisten zum Flüchtlingslager Traiskirchen) oder den Stadtschulrat Wien (für die Weigerung, Eltern Einsicht in die Lesetests ihrer Kinder nehmen zu lassen).

„Goldener Informationsfilter“ für Innenminister Herbert Kickl und Mitarbeiter

Jurymitglied Julia Herrnböck und Generalsekretär Mathias Huter moderierten die Preisverleihung (Foto: Gert Nepel)

Aufgrund der aktuellen Ereignisse kreierte das „Forum Informationsfreiheit“ darüber hinaus einen eigenen Preis für den „Versuch der politischen Einschränkung von öffentlichen Informationen“ durch Zugangsbeschränkungen für anerkannte Journalisten:

Der „Goldene Informationsfilter“ geht demnach an „Innenminister Herbert Kickl und Mitarbeiter“ für den jüngsten „Versuch der Einschränkung der Pressefreiheit“.

Das Mail seines Hauses an Dienststellen im ganzen Land gebe eine klare Empfehlung für die Einschränkung des Zugangs zu Information für kritisch berichtende Medien – und gebe damit auch eine Verhaltenskultur für die Beamten seines Ressorts und der Republik vor. „Wenn Information von allgemeinem Interesse von staatlichen Stellen politisch gefiltert werden soll, indem anerkannten Journalistinnen und Journalisten der Zugang verwehrt wird, ist das Zensur an der Quelle“, so das Forum Informationsfreiheit in seiner Begründung.

Amtsgeheimnis-Award 2018: Sonderpreis für Bundeskanzler Sebastian Kurz

Einen Sonderpreis der „Mauer des Schweigens“ erhält Bundeskanzler Sebastian Kurz: Vor 5 Jahren hat er noch als Staatssekretär und JVP-Obmann die Forderung nach einem Informationsfreiheitsgesetz unterstützt, und seither immer wieder politisches Kapital aus entsprechenden Ansagen geschlagen. Nun ist er der erste Bundeskanzler der vergangenen drei, bei dem die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes nicht einmal mehr im Regierungsprogramm stehen – und dessen Haus entsprechenden Pläne zuletzt eine klare Absage erteilt hat. Damit wird ein Transparenzgesetz unter seiner Amtszeit für weitere 5 Jahre verhindert.

Über den International Right to Know Day und das Forum Informationsfreiheit:

Der International Right to Know Day wird seit 2002 von zivilgesellschaftlichen Organisationen weltweit begangen, um Transparenz und Rechenschaftspflicht in Politik und Verwaltung zu stärken. Seit 2016 feiern auch die Vereinten Nationen (UNESCO) den Internationalen Tag des universellen Zugangs zu Information.
Das Forum Informationsfreiheit ist die erste Bürgerrechts-NGO für das Recht auf Zugang zu Information und engagiert sich seit 2013 für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die Einführung eines Transparenzgesetzes nach internationalen Standards. Der Verein betreibt unter anderem die Bürgerplattform https://fragdenstaat.at und das Transparenz-Portal https://www.parteispenden.at/.

Anhang 1: Die Begründungen der Jury…

…zu Platz 1: Stadt Innsbruck
„Daten aus dem Kernbereich der demokratischen Entscheidungsfindung geheim zu halten zerstört das Vertrauen in demokratische Wahlen und staatliche Institutionen – das Schlimmste, was Intransparenz überhaupt anrichten kann. Die ordentliche und detaillierte Veröffentlichung von Wahlergebnissen ist ein Gebot der Transparenz einer Demokratie. Wie sonst sollen Bürgerinnen und Bürger darauf vertrauen, dass alles korrekt gelaufen ist. Es wäre das Mindeste, dass die involvierten Behörden (Stadt Innsbruck und Innenministerium) dies nun von selbst aufklären.“

… zu Platz 2: NÖ Gemeinden (mit NÖ Gemeindebund und Land NÖ)
„Es ist absolut inakzeptabel, Informationen von öffentlichem Interesse und essentieller Bedeutung für die Demokratie nur gegen Bezahlung zur Verfügung zu stellen. Dieser Fall ist ein verehrendes Signal für alle aktiven Staatsbürger und NGOs, die aufgrund dieser Rechtsunsicherheit nun fürchten müssen, dass schon allein eine Frage zu Informationen, die auf mehrere Behörden verteilt sind, sie in finanzielle Probleme stürzen kann. Das ist eine beunruhigende Entwicklung. Es zeigt das Problem eines fehlenden, internationalen Standards entsprechenden Informationsfreiheitsgesetztes, das eine diametral andere Botschaft sendet, sowie einer zentralen Kompetenzstelle als starkes und schnelles Schiedsgericht und Aufsichtsorgan über solche Vorgänge. Transparenz verursacht Aufwände, aber beugt autoritären Tendenzen vor, schafft Vertrauen – und verhindert das Versickern von Millionen und Milliarden öffentlicher Mittel.“

… zu Platz 3: Umweltministerium
„Stellungnahmen der Ministerien als Exekutive an das Parlament als Legislative, sind eine wichtige Grundlage für den Gesetzgebungsprozess – und die öffentliche Debatte darüber. Diese Information der Öffentlichkeit mutwillig zu entziehen, stellt einen Sabotageakt des demokratischen Meinungsbildungsprozesse dar. Darüber hinaus stellt der Fall einen markanten Transparenz-Rückschritt dar, da frühere Regierungen Stellungnahmen grundsätzlich öffentlich – bzw. dem Parlament zugänglich – gemacht haben. Man darf nicht vergessen: wenn Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen im Hinterzimmer ausgetauscht werden, verlieren nicht nur Bürger, sondern auch Parlamentarier die Grundlagen für informiertere Entscheidungen. Und es lässt sich nicht mehr nachvollziehen, wessen Interessen hier möglicher Weise durch die Hintertür eingeschmuggelt wurden. Die Verantwortlichen sollten hier einen Blick auf die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werfen.

Mauer des Schweigens 2018 (Foto: Gert Nepel)

Mauer des Schweigens 2018: Der Goldene Informationsfilter (Sonderpreis) (Foto: Gert Nepel)


Anhang 2: Stellungnahme des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus zu seinen Nominierungen:

Zum Standortentwicklungsgesetz:
Das BMNT hat den Kolleginnen und Kollegen des dafür zuständigen BMDW seine Anmerkungen zu diesem Gesetzesentwurf genauso wie das BMVRDJ direkt übermittelt. Es handelt sich dabei um keine formelle Stellungnahme im Rahmen eines Begutachtungsverfahrens, auf eine formelle Stellungnahme besteht auch kein Rechtsanspruch. In Bezug auf die Nominierung zur „Mauer des Schweigens“ ist anzumerken, dass uns derzeit drei Anfragen auf Auskunft vorliegen, zwei beziehen sich auf das Auskunftspflichtgesetz, eine aufs Umweltinformationsgesetz. Die Frist zur Beantwortung nach dem Auskunftspflichtgesetz endet am 17. Oktober 2018, das BMNT wird die Anfrage des WWF und von Hr. Markus Hametner natürlich fristgerecht bis zu diesem Termin beantworten. Grundsätzlich steht das BMNT mit allen anderen Ressorts in ständigem Austausch, das zählt zu den wesentlichen Elementen gemeinsamer Regierungsarbeit und partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Ressorts.

Zur Auftragsvergabe „Grüner Bericht“:
Herr Huter hat in dieser Angelegenheit am 13.3.2018 einen Bescheid (Auskunftsbegehren) erhalten und am 16.4.2018 dagegen berufen. Zur Berufung wurden alle Unterlagen am 27.4.2018 an den Bundes-Verwaltungsgerichtshof übermittelt. Der BVwGH hat mit Beschluss vom 14.6.2018 die Beschwerde abgewiesen.
Inhaltlich ist anzumerken: Die Ausschreibungsunterlagen zu diesem Auftrag wurden 2017 von insgesamt 8 Firmen angefordert. Bis zur ausgeschriebenen Frist am 10.7.2017 ist jedoch nur ein Angebot eingegangen. Diesem Bieter wurde daher der Zuschlag auf Basis der vergaberechtlich völlig korrekten Ausschreibung erteilt.
Die Erhebungen bei den Betrieben und die notwendigen Auswertungen für den „Grünen Bericht“ sind sehr aufwändig und erfordern spezifische Kenntnisse über den Agrarsektor sowie qualifiziertes Personal. Die Ergebnisse sind übrigens jederzeit auf www.gruenerbericht.at nachzulesen. Das Ergebnis gibt auch eine Vorstellung, wie umfangreich diese Erhebungen sind. Es liegt offenbar an der der speziellen Fachkenntnis, dass es keine anderen Angebote gab. Anregungen des Rechnungshofes (basierend auf einer Prüfung im Jahr 2015) hinsichtlich Leistungsbeschreibung und Verfahrensabwicklung wurden aufgenommen; die vom Rechnungshof angeregte Beauftragung der Statistik Austria wurde von dieser selbst dezidiert mangels ausreichender Fachkenntnisse abgelehnt.

Grundsätzlich erlauben wir uns die Anmerkung, dass es problematisch erscheint, nur knapp mehr als 2 Tage Zeit für eine Stellungnahme zu einer „Nominierung“ eingeräumt zu bekommen. Das lässt auf ein nicht besonders ausgeprägtes Interesse an unserer Beantwortung schließen bzw. auf eine bereits vorgefasste einseitige Beurteilung.