Stadt Wien muss 1.000 Einsparungsvorschläge offenlegen (schon zum zweiten Mal)

Forum Informationsfreiheit

  • Einsparungsvorschläge selbst angekündigt – und dann geheim gehalten:
    Forum Informationsfreiheit gewinnt Transparenz-Prozess gegen Stadt Wien
  • Magistrat kam Höchstgerichtsurteil nicht nach – und wurde erneut verurteilt
  • Bürgerrechtler bekamen in 80-seitigem Urteil des Verwaltungsgerichts in jedem Punkt Recht
  • Gerichtsurteil: Bürger haben Recht auf Information – doch nicht mal Richter erhielt Einsicht in Akt

Die Entscheidung als Download

Einen neuen Zwischenerfolg vor Gericht im Einsatz für mehr Transparenz und Informationszugang hat die Bürgerrechtsorganisation Forum Informationsfreiheit (FOI) erreicht: Das Verwaltungsgericht Wien gab dem Transparenz-Aktivisten und Journalisten Markus Hametner in einem Transparenz-Verfahren gegen die Stadt Wien Recht. 

Hametner hatte Auskunft von der Stadt Wien nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz beantragt. Konkret ging es um mehr als 1.000 Einsparungsvorschlägen, die laut einer eigenen Presseaussendung 2016 von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesammelt wurden. Die Stadt Wien verweigerte den Zugang zu diesen Informationen und übermittelte selbst nach einem Höchstgerichtsurteil, das Hametner Recht gab, nur eine Liste von wenig aussagekräftigen Schlagworten, nicht jedoch die eingereichten Einsparungsvorschläge. 

„Die Stadt Wien behauptete einfach, meine Anfrage doch vollständig beantwortet zu haben. Der Richter bestätigt jetzt, was sowieso klar war: sie hat die angefragten Auskünfte nur teilweise erteilt. Der Wortlaut eines Vorschlags ist nicht nur die – von irgendjemand ausgedachte – Kurzbezeichnung für diesen Vorschlag. Und wenn zuvor ein konkretes Einsparungsvolumen veröffentlicht wurde, ist ein Prüfungsergebnis auch nicht nur die Liste der Vorschläge, die nach irgendeinem Schritt übrig blieben.“

Kurios: Das Verfahren zieht sich bereits seit vier(!) Jahren. In der Causa hatte das Forum Informationsfreiheit bereits 2018 vom Verwaltungsgerichtshof Recht bekommen, der erstmals in der österreichischen Rechtsprechung festhielt, dass Journalisten und Vertreter von NGOs – sogenannte Social Watchdogs – ein Recht auf Informationszugang haben und unter gewissen Umständen auch Akteneinsicht erhalten können. 

Doch selbst nach dieser höchstgerichtlichen Entscheidung hielt die Stadt Wien die Informationen zu Einsparungsvorschlägen geheim. Jetzt hat das Verwaltungsgericht klargestellt: Hametner erhält Akteneinsicht. Allerdings konnte der Richter etwaige Geheimhaltungsgründe nicht selbst prüfen: selbst ihm übermittelte die Stadt Wien die relevanten Dokumente nicht. Die neueste Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, die Stadt Wien könnte erneut Revision bei dem Höchstgericht einlegen.

Hametner weiter: „Selbst nach vier Jahren, dutzenden investierten ehrenamtlichen Arbeitsstunden, zwei Gerichtsverfahren und einer Höchstgerichtsentscheidung konnte die Behörde willkürlich Informationen von großem öffentlichem Interesse vor JournalistInnen und BürgerInnen geheim halten – ohne Konsequenzen zu fürchten. Vertrauen in eine funktionierende Verwaltung schafft man so nicht, und ein funktionierender Rechtsschutz sieht auch anders aus.“

Informationsrecht gegen Behörde nicht durchsetzbar – nicht mal von einem Gericht

„Österreich braucht dringend ein Informationsfreiheitsgesetz nach internationalen Standards, samt einer unabhängigen Informationsfreiheitsbeauftragten oder einer vergleichbaren Stelle, die zeitnah Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger durchsetzen kann. Der Rechtsschutz, der in früheren Gesetzesentwürfen von SPÖ- und ÖVP geplant war, ist genau der, der in diesem Fall versagt hat“, sagt Mathias Huter, Vorstandsmitglied des Forum Informationsfreiheit. „Wären wir in Slowenien, könnte die Informationsbeauftragte – nach einer Bürgerbeschwerde wie dieser – mit Hilfe der Polizei die relevanten Akten bei der Behörde abholen und könnte so einerseits eine informierte Entscheidung treffen, andererseits aber auch die Informationen gleich herausgeben. In Österreich muss der Richter wohl um Akten bitten – und kann nichts unternehmen, wenn die Behörde sie nicht liefert, oder sie ein Urteil nicht umsetzt.“

Kürzlich vorgebrachte Vorschläge von Regierungsmitgliedern müssen im Kontext dieses Falls neu bewertet werden: „Wenn Politiker Missbrauchsklauseln für Bürger fordern ist zu bedenken: genau eine solche Klausel wurde in diesem Verfahren von der Behörde vorgebracht. Es ist eher zu überlegen, ob man Missbrauchsklauseln für Behörden einführt.“

Hametner stellte die Anfrage über die vom Forum Informationsfreiheit betriebene Plattform FragDenStaat.at, über die Bürger und Bürgerinnen einfach Anfragen an Verwaltungsbehörden stellen können. Bislang hat die Plattform bereits knapp 2.000 Bürgeranfragen abgewickelt. 

Die nächste Anfrage ist schon geplant: danach, wie viel Arbeitszeit und Geld die Stadt Wien darin investiert hat, um die gesammelten Einsparungsvorschläge vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. 

Über das FOI

Das Forum Informationsfreiheit engagiert sich seit 2013 für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, ein Bürgerrecht auf Zugang zu staatlicher Information sowie für mehr Transparenz in Politik und Verwaltung. Der Verein betreibt unter anderem die Bürgerplattform FragDenStaat.at sowie die neue Transparenzplattform OffeneVergaben.at, über die erstmals in Österreich staatliche Aufträge über 50.000 Euro nachvollziehbar werden.

Rückfragehinweis

Mathias Huter, Vorstandsmitglied des  Forum Informationsfreiheit
+43 699 126 39 244
mathias.huter@informationsfreiheit.at

 

Update Sommer 2020: Die Stadt Wien hat erneut Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht.