Feststellungen von Verwaltungsgericht „rechtlich nicht bindend“ – weitere Schikane durch Stadt Wien

Markus »fin« Hametner

"Besonders wichtig für ein Transparenzgesetz im 21. Jahrhundert: die Verfügbarkeit von Originaldaten in maschinenlesbarer Form. Niemand sollte mit dem Scannen von tausenden Seiten Zeit verschwenden müssen."

Die Causa, über die wir schon letztes Jahr unter „Wie die Stadt Wien eine Auskunftserteilung zur Farce werden lässt“ berichtet haben – Kurzfassung: 1.200 Einsparungsvorschläge, 100 Millionen Euro Einsparungspotenzial, zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes darüber, dass Informationen zu erteilen wären – ist nach einer weiteren Gerichtsentscheidung des Verwaltungsgerichts Wien in unserem Sinne nun schon wieder um eine Farce reicher.

In der mittlerweile rechtskräftigen Entscheidung VGW-101/032/14669/2022 hat das Verwaltungsgericht Wien unsere Rechtsansicht bestätigt, dass durch die beiden unter Fotografierverbot gewährten Termine die gewünschte Auskunft (zu deren rechtswidrigen Verweigerung es ja schon zwei Sprüche des VwGH gibt) nicht erteilt wurde. Das Gericht hält zusätzlich fest:

3.2.    Auf Sachverhaltsebene steht im Beschwerdefall fest, dass die vom Auskunftsbegehren erfassten Dokumente, deren “Wortlaut” zu beauskunften ist, einen Umfang von mindestens 2.000 A4-Seiten haben. Die von der belangten Behörde gewählte Form der Auskunftserteilung in Form von Einräumung von Einsichtsterminen, bei welchen weder Kopien noch Fotos der Dokumenteninhalte angefertigt werden können, erweist sich angesichts des Umfangs der zu erteilenden Auskunft grundsätzlich als ungeeignet, um eine zeitnahe und zweckmäßige Auskunftserteilung zu gewährleisten. […]
und
3.5.    Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass im Beschwerdefall keine gesetzlichen Hindernisse iSd § 1 Abs. 1 und 5 Wr. APG, die gegen eine Auskunftserteilung sprechen, von der belangten Behörde ins Treffen geführt wurden oder amtswegig zu erkennen sind (vgl. dazu bereits VwGH Ra 2020/03/0120, Rz. 55 ff). Insbesondere kann durch die Auskunftserteilung die Besorgung der übrigen Aufgaben der belangten Behörde nicht wesentlich beeinträchtigt werden, da die naheliegendste und zweckmäßigste Form der Auskunftserteilung – die elektronische oder postalische Übermittlung der ohnehin bei der belangten Behörde aufliegenden Dokumente an den Beschwerdeführer – mit keinem ersichtlichen nennenswerten Aufwand verbunden ist.

Mehr konnte das Gericht nicht entscheiden – es sieht sich mit Verweis auf VwGH 5.10.2021, Ra 2020/03/0120 insbesondere außerstande zu bestimmen, wie genau die Auskunft zu erteilen wäre. Der Richter verweist aber darauf, dass die Behörde „unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen“ hat. Außerdem stellt er der Behörde die Amtsmissbrauch-Rute ins Fenster, wie die Presse schon berichtet hat.

Wie versucht die Stadt Wien nun diesen Zustand herzustellen? Indem sie die oben zitierten Stellen nicht einmal ignoriert.

Mit Brief vom 9. Mai 2023 wurden mir 10 Termine á vier Stunden für eine weitere Einsicht vorgeschlagen. Zusatz: „Um Missverständnissen vorzubeugen, möchten wir vorab darauf hinweisen, dass das Anfertigen von Fotos oder Kopien auch bei diesen Einsichtsterminen nicht möglich sein wird und der jeweilige Einsichtstermin gegebenenfalls abgebrochen werden muss“. Naja, zumindest ist das Fotografierverbot dieses Mal angekündigt. „Zeitnah“ und „zweckmäßig“ sind in der Causa offenbar einfach kein passender Maßstab.

Auf Nachfrage, wie das mit den oben zitierten Stellen der Entscheidung zusammenpasst, kam folgende Erklärung:

„[Die] Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zur Form der Auskunftserteilung sind – insbesondere im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Wahl der Art der Auskunftserteilung ausschließlich bei der verpflichteten Behörde liegt – aus Sicht der Magistratsabteilung 5 für das weitere Verfahren rechtlich nicht bindend“.

Offenbar hat die Stadt Wien beschlossen, in dieser Causa zum Thema Verwaltungseinsparungen auf maximale Verschwendung von Verwaltungsressourcen zu setzen. Sie will meine Zeit verplempern – damit aber auch die Arbeitszeit der Behördenmitarbeiter. Denn wenn ich Zeit investiere, um die Informationen abzuschreiben muss die Behörde auch (sinnlos) Zeit damit verbringen, mich am Fotografieren zu hindern. (Dieses Fotografierverbot ist in keinem Gesetz vorgesehen, eine rechtliche Begründung abseits von „because we can“ konnte die Behörde in der letzten Runde auch vor Gericht nicht vorbringen.)

Mit dieser Einschränkung wird im Ergebnis versucht, der Recherche zu diesen Einsparungsvorschlägen ein Preisschild zu geben: 40 Arbeitsstunden, eine Arbeitswoche, in Geld umgerechnet: ein Viertel eines Monatsgehalts. Eine faktische Auskunftsverweigerung, die ich wohl nun in vierter Runde vor das Verwaltungsgericht bringen muss.

So funktioniert der Rechtsschutz, wenn die „transparenteste Gemeinde Österreichs“ nicht will.

Gegenüber der Presse (vom 19.6.2023) verweist die Stadt Wien auf Datenschutz und Geschäftsgeheimnisse – nur konnte sie diese in mittlerweile drei Verfahren, in denen immer wieder rechtskräftig festgestellt wurde, dass die Auskunft zu unrecht verweigert wurde, nicht nachweisen.