In den Ländern heißt die Amtsverschwiegenheit künftig Geheimhaltung

Erwin Ernst »eest9« Steinhammer (er/ihm)

Im Zuge der Abschaffung des Amtsgeheimnisses im Verfassungsrang werden zahlreiche Gesetze auf Landesebene angepasst, die noch auf die alte Amtsverschwiegenheit verweisen. Aktuell haben sechs der neun Länder ihre Gesetzesentwürfe zur Umsetzung der Informationsfreiheit veröffentlicht. Wir haben uns angesehen, wie das Burgenland (1, 2.1, 2.2), Kärnten, Oberösterreich, die Steiermark, Tirol und Vorarlberg (1, 2) die Informationsfreiheit umsetzen wollen.

Geheimhaltung statt Amtsverschwiegenheit

Im Großen und Ganzen folgen die vorliegenden Entwürfe einem ähnlichen Schema: Sie ersetzen bisherige Erwähnungen der Amtsverschwiegenheit in zahlreichen Landesgesetze durch Begriffe wie „Geheimhaltung“ oder „Geheimhaltungsgründe“. Einige Bundesländer wiederholen zudem die Geheimhaltungsgründe aus der Bundesverfassung wortwörtlich, anstatt direkt auf die Geheimhaltungsgründe im künftigen Art 22a Abs 2 B-VG zu referenzieren. Das stellt unseres Erachtens nach eine unnötige Dopplung dar.

Fast allen Entwürfen ist gemeinsam, dass sie in diesen Verweisen oder Copypaste-Vorgängen zumindest keine explizite Abwägung zwischen Geheimhaltungsinteressen und dem öffentlichen Interesse vorsehen. Sie übernehmen die Formulierung, dass eine Geheimhaltung  „erforderlich“ sein muss, um den Zugang zu Informationen zu verweigern – dass bei der Einschätzung, ob etwas „erforderlich“ ist, eine Abwägung mit dem BürgerInnenrecht auf Zugang zu Information nötig ist, wird aus der Lektüre der Gesetze nicht sofort klar.

Nur Oberösterreich geht hier einen Schritt weiter und verlangt zusätzlich, dass eine Geheimhaltung auch verhältnismäßig sein muss. Woanders wird beim flüchtigen Lesen, etwa wenn ein Beamter erstmals das Gesetz anwenden muss, nicht sofort klar, dass die Geheimhaltung nicht absolut ist – eine Hürde für die Transparenz in der Praxis.

Diese schlichte Übernahme der Geheimhaltung ohne den Verweis auf die Verhältnismäßigkeit zeigt, dass der versprochene Kulturwandel weg vom Amtsgeheimnis hin zur Transparenz nicht in den Ländern angekommen ist – ganz zu Schweigen davon, dass bisher nicht ersichtlich ist, dass Länder darüber nachgedacht haben, gewisse Geheimhaltungsbestimmungen zu streichen oder stark abzuschwächen.

Von konkreten Plänen in den Ländern, Transparenz durch weitergehende automatische Veröffentlichung von Informationen auszubauen, haben wir bislang auch noch nicht gehört (wenn es dafür Beispiele gibt, freuen wir uns über Hinweise!).

Keine Verbesserung bei dienstrechtlichen Verfahren

Enttäuschend ist, dass die dienstrechtlichen Verfahren kaum angepasst werden. Hier wären, wenn man den notwendigen Kulturwandel in der Verwaltung ernst nimmt, Anpassungen Richtung Transparenz besonders angemessen gewesen.

Momentan gibt es alleine Konsequenzen für zu viel Transparenz, das heißt, wenn gegen Geheimhaltungsbestimmungen verstoßen wird, jedoch keine für überschießende Geheimhaltung oder Unterwanderung der Transparenz. Im Dienstrecht hätte es die Möglichkeit gegeben, dies neu zu justieren, indem es Konsequenzen für die schikanöse Behandlung von Anfragen oder regelmäßige (rechtswidrige) Zurückhaltung von Informationen vorsieht. Das Gleiche gilt für die Nichtveraktung von relevanten Informationen oder die Löschung von Informationen nach Anfragen.

Andererseits wäre es möglich, unter gewissen Bedingungen Sicherheiten zu geben, dass zu viel Transparenz nicht dienstrechtlich geahndet werden kann. Wenn es etwa keine Wiederholungstat war, eine durchgehende Dokumentation der Anfrage und der Abwägung vorhanden ist, und so nach besten Wissen und Gewissen gearbeitet wurde, sollte klar sein: auch wenn im Ergebnis die Abwägung nicht vor Gericht hält, sollten Beamte und Verwaltungsmitarbeiter*innen sich sicher sein können, dass gelebte Transparenz ihrer Karriere nicht schadet.

Tiroler Untersuchungsausschüsse

Die Tiroler Regelung zu Untersuchungsausschüssen ist ein erfreuliches Signal in Richtung echter Transparenz. Öffentlich Bedienstete dürfen sich bei Befragungen nicht pauschal auf eine Geheimhaltungspflicht berufen. Und selbst wenn die Dienstbehörde eine Geheimhaltung für notwendig hält, kann der Verfahrensleiter im Interesse der Aufklärung eine Aussage dennoch anordnen. Das ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der demokratischen Kontrolle der Verwaltung. Leider wird dieser bisher nicht von den anderen Bundesländern mitgegangen.

Archivgesetze

Die Änderungen im Landesarchivrecht sind durchwachsen. Bei der Schutzfrist gehen die Bundesländer unterschiedlich vor. Tirol, Kärnten und Vorarlberg setzen künftig auf 20 Jahre. Kärnten hatte diese Frist bereits vorher. Das Burgenland, Oberösterreich und die Steiermark bleiben bei einer Schutzfrist von 30 Jahren. In allen Bundesländern kann der Zugang zu personenbezogenen Daten auch nach Ablauf der Frist eingeschränkt sein, wenn berechtigte Interessen Dritter betroffen sind.

Die Zugangsregeln nach Ablauf der Frist unterscheiden sich ebenfalls deutlich. Am weitesten geht Vorarlberg. Dort gibt es ein allgemeines Zugangsrecht für alle Personen, sofern keine wichtigen Geheimhaltungsgründe entgegenstehen. Tirol regelt den Zugang ähnlich dem neuen Informationsfreiheitsgesetz. Zugang wird gewährt, außer wenn öffentliche Interessen oder ein übermäßiger Verwaltungsaufwand dagegen sprechen. Kärnten ermöglicht den Zugang im Einzelfall auch vor Ablauf der Schutzfrist, wenn das öffentliche Interesse überwiegt oder die Geheimhaltungsgründe weggefallen sind.

Deutlich restriktiver ist das Burgenland. Dort ist ein Zugang vor Ablauf der Frist ausgeschlossen. Auch danach kann die Nutzung verweigert werden, etwa bei hohem Verwaltungsaufwand oder konservatorischen Bedenken. Oberösterreich und die Steiermark nehmen vorerst keine Änderungen an ihren Archivgesetzen vor. Beide erlauben den Zugang erst nach Ablauf der Schutzfrist. Es ist schwer zu sehen, dass dies mit dem Grundrecht auf Zugang zu Informationen – oder einem angekündigten Paradigmenwechsel weg von der Geheimhaltung – zusammenpasst.

Mehr Transparenz bei Landesgesetzblättern

Eine durch das Informationsfreiheitsgesetz angestoßene positive Veränderung ist, dass im Burgenland, in der Steiermark, in Tirol und in Vorarlberg künftig auch Gesetzesmaterialien mit den entsprechenden Gesetzen zu veröffentlichen sind. Gesetzesmaterialien sind Texte, die im Gesetzgebungsprozess entstehen und erklären, was mit bestimmten Regelungen gemeint ist, etwa als Erläuterung. Sie helfen dabei, unklare Begriffe zu interpretieren und den Willen des Gesetzgebers nachzuvollziehen. Für das Verständnis und die Auslegung von Gesetzen sind sie deswegen ein zentrales Hilfsmittel. Daher ist es ein wichtiger Schritt, dass sie künftig in mehreren Bundesländern gemeinsam mit den Gesetzestexten veröffentlicht werden.

Burgenländische IFG-Betreuer*innen

Eine Besonderheit hält die Burgenländische Änderung des Landes-Verfassungsgesetzes bereit. Hier wird in Artikel 69 eine Art IFG-Betreuer*in für das Amt der Landesregierung und für alle Bezirkshauptmannschaften geschaffen, indem eine Regelung für die Informationsfreiheit angepasst wurde, die bestimmt, dass es solche für die Auskunftspflicht geben soll. Diese sollen Bürger*innen “in Rechtsangelegenheiten Informationen […] erteilen und Beschwerden entgegen[…]nehmen.” Das ersetzt zwar keinen vollwertigen Informationsfreiheitsbeauftragten – dafür fehlen die Kompetenzen und Pflichten. Wir sind aber gespannt, wie die eigene Zuständigkeit mit der Bündelung der Aufgaben zur Informationserteilung und Beschwerdeentgegennahme funktionieren, und ob sie sich positiv auf die Transparenz im Burgenland auswirken wird.