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Offener Brief an Bundeskanzler Christian Kern

OFFENER BRIEF: FÜR EIN GUTES INFORMATIONSFREIHEITSGESETZ

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

Willkommen in Ihrem neuen Amt! Viele Herausforderungen liegen sicher vor Ihnen, wir konnten es aber nicht lassen, Sie auf eine davon besonders hinzuweisen. Eine Herausforderung, die symptomatisch für die von Ihnen beklagte Zukunftsvergessenheit Ihrer Vorgänger ist:

Die Abschaffung des österreichischen Amtsgeheimnisses und die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes.

Seit 2013 setzen wir uns uns dafür ein – und damit für ein transparenteres Österreich. Ein Österreich, in dem das sinkende Vertrauen in demokratische Institutionen so ernst genommen wird, dass Bürgerinnen und Bürger ein starkes Recht auf Zugang zu Informationen gegenüber Politik und Verwaltung haben, und nicht mehr abgekanzelt und weggeschickt werden, sobald sie Fragen stellen – und wissen wollen. Ein Österreich, in dem Bürgerinnen und Bürger keine Bittsteller sind, sondern die Möglichkeit haben, mit öffentlichen Stellen auf Augenhöhe zu kommunizieren.

Seit 2013 gibt es auch ein Bekenntnis der Politik, dieses Amtsgeheimnis zu streichen. Der jetzige Außenminister Sebastian Kurz und der frühere Kanzleramtsminister Josef Ostermayer haben schon im Februar 2013 angekündigt, es vor der vergangenen Nationalratswahl abzuschaffen. Als sich das nicht ausging, fand das Vorhaben seinen Weg ins Regierungsprogramm.

Das Problem: Seit 2013 ist de facto nichts passiert. Zwar wurden erste Gesetzesentwürfe vorgelegt, ein echtes Recht auf Information würden diese aber nicht einführen. Unnötige, international unübliche Ausnahmen und zu enge Definitionen machen jeden Fortschritt zunichte. In vielen Aspekten wäre der Vorschlag sogar ein Rückschritt zum Status quo. Seit Jahren liegt Österreich in einer Bewertung der Rechtslage auf Informationszugang unter 103 Ländern an letzter Stelle.

Ebenso gravierend wie die bislang fehlende Ambition, die Verwaltung zu öffnen: die Verweigerung jeder öffentlichen Diskussion zum Thema; alle Verhandlungen dazu wurden im Hinterzimmer geführt. Selbst als wir alle Parlamentsparteien zur Diskussion eingeladen haben erschien kein Vertreter Ihrer Partei, beim einzigen Termin im Parlament dazu fehlte der sozialdemokratische Abgeordnete. Ein Gespräch dazu hat der SPÖ-Verfassungssprecher in über dreieinhalb Jahren kein einziges Mal mit uns gesucht.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, um es kurz zu sagen: wir ersuchen Sie, das Thema Informationsfreiheit zur Chefsache zu erklären und konkrete Verhandlungen nicht nur mit den Parteienvertretern und Landeshauptleuten zu führen, sondern auch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Denn diese betrifft das Thema. Direkt und ganz persönlich.

Ihr Vizekanzler Reinhold Mitterlehner kündigte in der „Klartext“-Diskussion mit Ihnen an, aus „Betroffenen künftig Beteiligte” machen zu wollen. Dieses Projekt wäre eine gute Chance dazu. 

Und wir bitten Sie um eine Bereitschaft zu jenem offenen Dialog, der von Ihren Vorgängern zwar schnell versprochen und auch öffentlich vorgetäuscht, de facto aber permanent verweigert wurde.

Gegenüber den aktuellen Entwürfen braucht es Verbesserungen in folgenden Bereichen:

  1. Schluss mit in Definitionen versteckten Ausnahmen: alle Informationen, die öffentliche Stellen haben, müssen grundsätzlich anfragbar sein.
  2. Abwägungspflicht von Ausnahmen: Informationen sollen nur verweigert werden können, wenn dies zur Abwehr von Schäden, die das öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung überwiegen, notwendig ist. Diese Abwägung ist zu dokumentieren.
  3. Zeitgemäße Verfahrensvorschriften: Antwortfrist von höchstens drei Wochen wie auf EU-Ebene, keine Kosten für Antworten, Ablehnungen oder Begründungen von Ablehnungen (Bescheide). Der für Behörden geltende Rechtsweg muss auch bei Anfragen an staatliche Unternehmen angewendet werden.
  4. Ein rasches, bürger- und behördenfreundliches Verfahren im Fall einer ersten Ablehnung. Der Gang vor Gericht ist langwierig, bürokratisch und führte bisher in keinem unserer Verfahren zu Entscheidungen in der Sache. Verunsicherte Verwaltungsbedienstete brauchen ein zentrales Kompetenzcenter, das ihnen bei Entscheidungen über Informationsweitergabe oder Geheimhaltung zur Seite steht. International üblich ist es, einen unabhängigen Informationsbeauftragten zu schaffen, der die Umsetzung des Informationsfreiheitsrechts überwacht aber gleichzeitig auch Datenschutzagenden übernimmt.
  5. Relevante Verträge der öffentlichen Hand – etwa zu Vergaben, Privatisierungen und Förderungen – sollten, einem international bewährten Verfahren folgend, grundsätzlich erst nach einer Veröffentlichung online in Kraft treten. Wenn Gemeinden Haftungen für Projekte übernehmen, dann muss die Bevölkerung davon erfahren – auch zum Schutz der Gemeinde selbst.

In den vergangenen dreieinhalb Jahren haben wir schon zu oft von einem „neuen Stil“ gehört. Sie werden verstehen, wenn wir dem erst wieder Glauben schenken können, wenn wir diesen durch konkrete Taten auch belegt sehen.

Sollten Sie diesen aber tatsächlich verwirklichen wollen, stehen wir gern für ein konstruktives Gespräch zur Verfügung, wie sich das im Bereich von Transparenz und Informationsfreiheit verwirklichen ließe.

Um zu einer guten Lösung zu kommen. Im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Barth, Markus Hametner und Mathias Huter

Für das Forum Informationsfreiheit (FOI)

Erste österreichische Bürgerrechts-NGO
für das Recht auf Zugang zu Information

Download: Offener Brief – Informationsfreiheitsgesetz (PDF)

Transparenz: Zeit für eine Diskussion im Parlament

Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP haben eine für kommenden Donnerstag angesetzte Plenarsitzung im Parlament abgesagt. Grund: Es gebe keine Themen zu besprechen. Wir hätten da einen Vorschlag: Warum nicht eine Diskussion zu Transparenz und dem Bürgerrecht auf Information einschieben?

Seit drei Jahren versprechen die Regierungsparteien ein Ende des Amtsgeheimnisses und mehr Transparenz. Eine öffentliche Diskussion darüber, ob und wie es zu einem Kulturwandel und mehr Offenheit in der Verwaltung kommen kann, findet jedoch nicht statt.  

Der Entwurf für das Streichen des Amtsgeheimnisses aus der Verfassung war vor knapp zwei Jahren in Begutachtung und liegt seit Ende 2014 im Parlament, die Begutachtung für ein Informationsfreiheitsgesetz im Verfassungsausschuss ging im Dezember zu Ende. Beide Entwürfe enthalten massive Lücken und Probleme, die den Informationszugang der BürgerInnen in der Praxis völlig unterlaufen würden. Das Recht der ÖsterreicherInnen auf Informationszugang würde von vornherein zu einem toten Recht – was die BürgerInnen erfahren dürfen und können, das würden weiterhin Minister, Landeshauptleute, Ämter und staatliche Unternehmen bestimmen.  

Um das zu verhindern braucht es:

  • Ein grundsätzliches Recht auf Zugang zu Information und Dokumenten im Besitz von Behörden – ohne Verheimlichungsmöglichkeiten
  • Keine Sonderprivilegien für Landeshauptleute, das Recht auf Information zu beschneiden
  • Keine Möglichkeit für Behörden, Informationen willkürlich und ohne konkreten Prüfungsnachweis („harm test“, „public interest test“) zurückzuhalten
  • Zeitnahe Auskunft innerhalb weniger Tage, keine monatelangen Antwortverzögerungsfristen für unwillige Ämter
  • Kostenlosen Zugang für BürgerInnen, die ihr Recht auf Auskunft nutzen und durchsetzen möchten

All das sehen die Pläne der Regierungsparteien nicht vor. Warum also nicht darüber diskutieren, wie sich die Parteien das Verhältnis zwischen Politik, Verwaltung und BürgerInnen vorstellen? Warum nicht die Argumente auf den Tisch legen, damit diese endlich für die Öffentlichkeit nachvollziehbar werden?

Das Forum Informationsfreiheit und die über 10.000 ÖsterreicherInnen, die unsere Initiative Transparenzgesetz.at unterstützt haben, glauben, dass ein Bürgerrecht auf zeitnahen, unbürokratischen und kostenlosen Zugang zu Information die ÖsterreicherInnen auf Augenhöhe mit der Verwaltung bringen würde. Wir würden gerne hören, was dagegen spricht.

Amtsgeheimnis: Regierung soll endlich aufhören Österreichs Bürger hinzuhalten

– PRESSEAUSSENDUNG –

Forum Informationsfreiheit: SPÖ und ÖVP verhindern mit Verzögerungstaktik seit 3 Jahren echte Transparenz

Das Forum Informationsfreiheit (FOI) kritisiert die Verzögerungstaktik der Regierung bei der Abschaffung des Amtsgeheimnisses. „Die Regierung soll endlich aufhören Österreichs Bürger hinzuhalten“, fordert Mathias Huter, Generalsekretär des Forum Informationsfreiheit.

Vor drei Jahren hatte das Forum Informationsfreiheit seine Kampagne Transparenzgesetz.at zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses gestartet. Drei Wochen darauf versprach die Regierung innerhalb von weiteren drei Wochen ein neues Informationsfreiheitsgesetz vorzulegen, das Österreich echte Transparenz bringen werde. Nun, drei Jahres später, ist alles wie damals: Es gibt noch immer kein Gesetz.

„Während die Regierung seit drei Jahren immer wieder verlautbaren lässt, dass sie nun aber wirklich für Transparenz sorgen werde – einmal mehr nun wohl auch in Reaktion auf diese Aussendung -, ist in Wahrheit seit drei Jahren noch überhaupt nichts passiert: das Amtsgeheimnis gilt heute noch genau so wie vor fast 100 Jahren. Lippenbekenntnisse hin oder her“, kritisiert FOI-Generalsekretär Huter.

SPÖ und ÖVP hätten das versprochene Transparenz-Gesetz damit zu einem Transparenz-Verzögerungs-Gesetz pervertiert. Österreich rangiere somit gemäß dem internationalen Right to Information-Ranking in Sachen Informationsfreiheit unter mehr als 100 getesteten Staaten immer noch auf dem weltweit letzten Platz.

„Damit muss endlich Schluss sein: Schluss mit den Ausreden der Regierung, Schluss mit der Heimlichtuerei hinter verschlossenen Türen, Schluss damit anderen die Schuld zuzuschieben für die eigene Unwilligkeit“, so Huter. „Es ist Zeit für transparente Verhandlungen über konkrete inhaltliche Punkte.“ SPÖ und ÖVP sollten aufhören sich hinter der angeblich verfahrenen Diskussion um einen Informationsfreiheitsbeauftragten zu verstecken, sondern endlich in offenen Gesprächen Rede und Antwort zu den konkreten Gesetzeslücken in ihrem Entwurf stehen.

Gefährliche Gesetzeslücken im Regierungsentwurf zur Transparenz

Denn der Regierungsentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz habe gefährliche Lücken. Diese müssten umgehend geschlossen werden. Andernfalls drohe ein ähnliches Desaster wie zuletzt beim angeblichen „Transparenzpaket“ zur Parteienfinanzierung, wo nun selbst der Rechnungshof-Präsident attestieren musste, dass Verstöße der Parteien gegen Offenlegungs-Regeln keine Konsequenzen haben.

Das Forum Informationsfreiheit fordert darum nun, diese entscheidenden Punkte ins Zentrum der Verhandlungen zu stellen:

  • Grundsätzlicher Zugang zu Informationen und Dokumenten der Behörden ohne Verheimlichungsmöglichkeiten
    (Saubere Definition von „Information“ nach internationalen Standards)
  • Keine Sonderprivilegien für Landeshauptleute zur Umgehung der Verfassung
    (Derzeit mehr Geheimhaltungs-Ausnahmen als Transparenz-Rechte für ÖsterreicherInnen)
  • Keine willkürlichen Behörden-Behauptungen ohne konkreten Prüfungsnachweis
    (International üblicher „harm test“ und „public interest test“)
  • Keine monatelangen Antwortverzögerungsfristen für unwillige Ämter
    (Schnelle Informationsverpflichtung nach europäischen Standards)
  • Keine transparenzfeindlichen Strafgebühren für interessierte Bürgerinnen und Bürger
    (Informationsverwaltung ist bereits mit mit Steuergeld bezahlt; keine Doppelbelastung)

Zuletzt hatten sogar auch das in Wien ansässige International Press Institute und die führende europäische NGO „Access Info Europe“ den vorliegenden Regierungsentwurf als untauglich eingestuft. Einfachste internationale Standards würden dabei grundlegend missachtet und damit die auch das Grundrecht der Pressefreiheit gefährdet.

Mehr als 10.000 Österreicher unterstützen Transparenzgesetz.at

Das Forum Informationsfreiheit ist die führende österreichische Bürgerrechts-NGO für ein Recht auf Zugang zu Information. Sie hat die Abschaffung des Amtsgeheimnisses überhaupt erst auf die Agenda der Politik gebracht. Ihre Kampagne Transparenzgesetz.at wurde innerhalb von drei Wochen von mehr als 10.000 Österreichern unterstützt. Sie forderten ein österreichisches Transparenzgesetz nach Hamburger Vorbild. Damit sollte das Amtsgeheimnis abgeschafft und ein Recht der Bürger auf Information in der Verfassung verankert werden.