Forum Informationsfreiheit kritisiert vorliegenden Entwurf zur „angeblichen Abschaffung des Amtsgeheimnisses“

Mathias Huter

Beschäftigt sich mit Transparenz, Open Data und Anti-Korruption, interessiert sich besonders für Parteienfinanzierung und Beschaffungen. Von 2009 bis 2014 für Transparency International Georgia in Tiflis tätig.

Wien, 9. November 2015 – Das Forum Informationsfreiheit (FOI) kritisiert den heute veröffentlichten Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes scharf und sieht dringenden Nachbesserungsbedarf. „Das ist eine Verschlechterung, keine Verbesserung“, sagt der Vorstand des Forum Informationsfreiheit, Josef Barth. „Mit diesem Gesetz könnten Ämter noch mehr verheimlichen als bisher.“

Geheimhaltungsgründe zu breit formuliert

Laut Entwurf können BürgerInnen Informationen verwehrt werden, wenn durch die Veröffentlichung die „unbeeinträchtigte Vorbereitung einer Entscheidung“ beeinträchtigt würde. So würde etwa der Transparenz von Lobbyingaktivitäten ein Riegel vorgeschoben, bis ein Gesetz im Nationalrat verabschiedet ist. Ebenso könnten Bürgerinitiativen Studien verwehrt werden, bis das betroffene Projekt genehmigt ist.

Staatliche Stellen sollen laut Entwurf auch die Auskunft verweigern können, wenn dies im „wirtschaftlichen oder finanziellen Interesse einer Gebietskörperschaft“ ist – eine Formulierung, die auch bei kleinsten befürchteten Verlusten zutrifft und etwa zur der Geheimhaltung von Verträgen bei Privatisierungen und Beschaffungen missbraucht werden könnte.

Im Einzelfall muss zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit und den berechtigten Interessen von Betroffenen abgewogen werden, um eine Balance der Rechte sicherzustellen – ein solcher „Public Interest Test“ ist derzeit im Gesetz nicht klar vorgesehen. Nur durch eine solche Überprüfung könnte etwa sichergestellt werden, dass beispielsweise Urheberrechtsansprüche von Anwaltskanzleien, die Vergabedokumente im Auftrag einer Behörde erstellt haben, nicht automatisch eine Geheimhaltung dieser Dokumente bedeuten.

Nach dem vorliegenden Entwurf, könnten Ämter Informationen nahezu willkürlich zurückhalten, wenn sie einfach behaupten, dass durch die Veröffentlichung ein Schaden entstehen würde. Der dafür international übliche „Harm Test“, mit dem die Behörde ihre Einschätzung auch beweisen müsste, fehlt aber im Gesetzesentwurf.

Wenn wie derzeit vorgesehen Landeshauptleuten erlaubt werden sollte, neue Geheimhaltungsgründe zur „Wahrung anderer gleich wichtiger öffentlicher Interessen“ zu erfinden, würde das verfassungsgemäße Bürgerrecht auf Informationsfreiheit komplett ausgehöhlt, was auch einen Rückschritt gegenüber der derzeitigen Regelung bedeuten würde.

Denn gegenwärtig darf das in der Verfassung verankerte Amtsgeheimnis zwar eingeschränkt, aber nicht ausgeweitet werden – dieser elementare Grundrechtsschutz würde durch die vorgeschlagene Bestimmung weitgehend ausgehebelt werden.

Was ist „Information“?

Essentiell ist nach Ansicht des Forum Informationsfreiheit, dass die Definition der Information, die von BürgerInnen verlangt werden kann, breit ausgelegt ist und internationalen Standards entspricht. Die im Entwurf verwendete Beschreibung von Information beschränkt sich auf „jede amtlichen bzw. unternehmerischen Zwecken dienende Aufzeichnung“ – eine für BürgerInnen wohl kaum verständliche Einschränkung. Außerdem definiert der Entwurf nicht veraktete Informationen, etwa Entwürfe und Notizen, nicht als „Information“, anstatt im Einzelfall die Abwägung von berechtigten Geheimhaltungsgründen zu erlauben. Diese Vorgehensweise würde es etwa kaum erlauben, Lobbying-Aktivitäten gegenüber der Verwaltung nachvollziehen zu können. „Dass die Regierung es für nötig hält, Allerweltsbegriffe zur Unkenntlichkeit umzudefinieren, zeigt wie wenig sie daran interessiert ist, echte Transparenz zuzulassen“, so Josef Barth.

Viele Bürger-Anfragen sind auf Seite der Behörde mittels einfacher Datenbankabfragen leicht beantwortbar – der derzeit vorliegende Gesetzesentwurf könnte so interpretiert werden, dass etwa eine durch Datenbankabfrage leicht verfügbare Information nicht veröffentlicht werden muss, da sie nicht als „Information“ definiert wäre. Auch könnte ein Passus, dass nur „gesichertes Wissen“ und „Tatsachen, die bereits bekannt sind“ an BürgerInnen herausgegeben werden würfen, eine Hintertüre zur Informationsverweigerung bieten – wie es auch jetzt gängige Praxis ist, etwa im kürzlich von uns gewonnenen Fall der Eurofighter-Gegengeschäfte.

Essentiell ist, dass BürgerInnen rasch Antworten auf ihre Fragen bekommen. Eine Frist für Behörden, Anfragen innerhalb von 15 Arbeitstagen zu beantworten (mit Möglichkeit um Verlängerung um weitere 15 Tage bei ausreichender Begründung), wie sie heute für EU-Institutionen schon gilt, würde einen solchen zeitnahen Informationszugang sicherstellen.

Die nun vorgesehene Frist beträgt zunächst acht Wochen und ist nochmals um acht Wochen verlängerbar, wenn die Behörde länger für die Bearbeitung braucht. Diese vorgeschlagene Vorgehensweise ist im Zeitalter schnelllebiger Informationen und elektronischer Datenverarbeitung weder zeitgemäß noch bürgernah.

Einmal mehr unterstreicht das Forum Informationsfreiheit seine Forderung nach einem Informationsbeauftragten, um BürgerInnen bei der Durchsetzung ihres Rechts zu unterstützen, und Behörden bei der Umsetzung des Gesetzes zu beraten.

Auch hinsichtlich der Rechtsdurchsetzung ist der vorliegende Entwurf ein Rückschritt, da die momentan meist kostenlos erfolgte Erlassung eines Bescheides – also die rechtliche Begründung einer Informationsverweigerung – in Zukunft € 30 kosten soll.

In den kommenden Wochen wird das Forum Informationsfreiheit eine detaillierte Analyse des heute veröffentlichten Entwurfs für ein Informationsfreiheitsgesetz veröffentlichen.

Über das Forum Informationsfreiheit:

Das Forum Informationsfreiheit (FOI) ist die zentrale NGO in Österreich für das Recht auf Zugang zu Information und wurde mit dem Concordia-Preis für Pressefreiheit 2013 und dem Demokratiepreis 2014 der Margaretha Lupac-Stiftung des Österreichischen Parlaments ausgezeichnet. FOI ist die Trägerorganisation der Kampagne Transparenzgesetz.at, die von mehr als 10.000 Österreicherinnen und Österreichern unterstützt wird und der Auslöser dafür war, dass die österreichische Regierung die Abschaffung des Amtsgeheimnisses versprach.

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