So bewerten wir das Rot-Pinke Regierungsprogramm in Wien

Markus »fin« Hametner

"Besonders wichtig für ein Transparenzgesetz im 21. Jahrhundert: die Verfügbarkeit von Originaldaten in maschinenlesbarer Form. Niemand sollte mit dem Scannen von tausenden Seiten Zeit verschwenden müssen."

Das Rot-Pinke Regierungsprogramm von SPÖ und NEOS für Wien enthält einen der größten politischen Erfolge des Forum Informationsfreiheit seit seiner Gründung. Erstmals wird in ihm die Schaffung eines Informationsfreiheitsbeauftragten als Schlichtungsstelle zwischen BürgerInnen und Behörden festgeschrieben. Diese Stelle soll geschaffen werden, sobald ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) auf Bundesebene beschlossen wurde. Auf Bundesebene konnten sich die Regierungsparteien ÖVP und Grüne noch nicht zu einer solchen bürgernahen Lösung durchringen, wie sie in zahlreichen anderen Ländern erfolgreich im Einsatz ist – der für Ende Juli 2020 versprochene Entwurf für ein IFG lässt zudem weiter auf sich warten. 

Wir freuen uns, dass unsere langjährige Forderung und unsere konstruktiven Vorschläge in dieser Hinsicht aufgenommen wurden und sind gespannt auf die konkrete Umsetzung.

Die Transparenz-Pläne von Rot-Pink gliedern sich einerseits in eine Reform des Wiener Auskunftspflichtgesetzes, andererseits in Pläne, die nach der Umsetzung eines Bundes-Informationsfreiheitsgesetzes umgesetzt werden sollen.

Wir begrüßen eine Reform des Wiener Auskunftspflichtgesetzes als ersten Schritt. Dieser Schritt, den wir schon in einem Gastkommentar in der Wiener Zeitung und einem Blogpost vorgeschlagen haben, ist insbesondere positiv, da auf Bundesebene derzeit keine Zeitpläne für die Umsetzung eines Informationsfreiheitsgesetzes kommuniziert werden. 

Die konkreten Pläne in Wien dafür:

  • Kürzere Auskunftsfristen: vier Wochen, Verlängerungsmöglichkeit um zwei weitere Wochen bei hoher Komplexität
  • Auskünfte sollen auch in offenem Format zu erteilen sein, wenn möglich und zweckmäßig.

Das ist ein guter Anfang, jedoch weniger als möglich und im internationalen Vergleich üblich ist. Bei einer ernst gemeinten Reform des Auskunftspflichtgesetzes sollte jedoch gleichzeitig explizit ein (teilweiser) Zugang zu Dokumenten ermöglicht werden. Ansonsten können wenige persönliche Daten in einem Dokument weiterhin ein Grund sein, die Herausgabe des ganzen Dokuments zu verweigern – in solchen Fällen sollte eine teilweise Schwärzung von Dokumenten möglich sein. Auch die Frist für die Erstellung eines Bescheides (und somit auch für Säumnisbeschwerden) müssten verkürzt werden – diese liegt aktuell bei obszönen 6 Monaten. Die konkreten Entwürfe werden dementsprechend kritisch zu analysieren sein.

Außerdem ist nicht zu übersehen, dass bei einer Verhandlungssituation zweier Parteien, die als Opposition auf Bundesebene eine bürgernahe zwei-Wochen-Frist für Anfragebeantwortungen fordern, in ihren gemeinsamen Verhandlungen bei einer vier-Wochen-Frist gelandet sind. Unser Vertrauen in öffentliche Forderungen von Parteien wird dadurch jedenfalls nicht gestärkt.

Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes werden im Regierungsprogramm explizit begrüßt und erstmals wird unter dem Titel „Informationsfreiheits-Ombudsperson“ die Schaffung eines von uns geforderten Informationsfreiheitsbeauftragten in Aussicht gestellt. Die Beschreibung: „Diese fungiert als Beratungsstelle für Bürger_innen und Verwaltung, etwa bei Unklarheiten, ob eine Auskunft zu erteilen ist, und als einfach anrufbare Schlichtungsstelle, welche widerstreitende Interessen abwägt und vermittelt (berührt nicht die Möglichkeit den Rechtsweg zu beschreiten). Die Informationsfreiheits-Ombudsperson hat dem Gemeinderat bzw. Landtag jährlich einen Tätigkeitsbericht vorzulegen.“ Bei ausreichend unabhängiger Besetzung und budgetärer Ausstattung wäre das ein großer Schritt zu mehr Bürgernähe.

Beitritt zur Open Government Partnership

Die Koalition spricht sich auch für einen Beitritt Österreichs zur Open Government Partnership aus.  Eine Mitgliedschaft in der OGP würde dazu führen, dass sich die Politik zu einem Austausch mit der Zivilgesellschaft und zur kontinuierlichen Verbesserungen in Bereichen der Transparenz verpflichtet. Auch das ist ein Signal an die Koalition auf Bundesebene. Nach einem solchen Beitritt würde Wien demnach dem OGP Local beitreten.

Positive Vorhaben zu Transparenz, Rechenschaftspflicht und Anti-Korruption

Abseits der Verbesserungen rund um die Auskunftspflicht und das Informationsfreiheitsgesetz wird weiteren Bereichen mehr Transparenz versprochen:

  • „Einnahmen, Ausgaben und getätigte Beauftragungen“ eines Wahlkampfes müssen vor der Wahl veröffentlicht werden – das war auch eine unserer Forderungen
  • Die Anzahl der Studien und Datenbanken, die veröffentlicht werden, soll ausgeweitet werden
  • Die „städtebaulichen Verträge“ sollen transparenter werden
  • Der PID der Stadt Wien (MA53) soll ab 2021 einen Jahresbericht zur Stadtkommunikation erstellen, der über die Kommunikationsstrategien informiert
  • Der Haushalt (Budget und Rechnungsabschluss) soll maschinenlesbar als Open Data veröffentlicht werden
  • Neue Standards bei der Transparenz von Förderungen an Vereine, Institutionen, Organisationen und juristische Personen sowie der zugrunde legenden Förderkriterien (erwähnt ist ein Fördertransparenzbericht, der mit dem Rechnungsabschluss vorgelegt werden soll)
  • Die Sportförderung soll transparenter werden
  • Beschlüsse des Gemeinderates und der Bezirksvertretungen sollen mit Beschlussbogen und Motivenbericht veröffentlicht werden
  • Die Fragerechte des Gemeinderats (Interpellationsrecht) soll gestärkt werden, in Zukunft sollen Gemeinderatsmitglieder auch Fragen zu Betrieben und ausgelagerten Stellen sowie Anstalten und Fonds stellen können, die der Kontrolle des Stadtrechnungshofs unterliegen 
  • Berichte der Mitglieder der Stadtregierung zu Anträgen der GemeinderätInnen sollen veröffentlicht werden
  • Schaffung einer weisungsfreien Antikorruptions-Ombudsstelle in der Magistratsdirektion, die alle Kompetenzen im Bereich Korruptionsprävention und -bekämpfung bündeln soll. Die Stelle wird dem Gemeinderat jährlich einen Bericht zur Korruptionsbekämpfung vorlegen
  • Ein digitales System für die Übermittlung anonymer Hinweisen zu Korruption (Whistleblower-Plattform)  im Bereich des Magistrats der Stadt Wien soll eingerichtet werden
  • Hearings von KandidatInnen bei der Bestellung von weisungsfreien Organen der Stadt Wien