Amtsgeheimnis-Award: Die Preisträger der Mauer des Schweigens 2019

Forum Informationsfreiheit

Anlässlich des internationalen Right to Know-Day am 28. September verleiht das Forum Informationsfreiheit seit 2014 den Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“ an staatliche Stellen für „besondere Verdienste um die Verweigerung amtlicher Antworten“.

1. Platz: Verträge des Landes Niederösterreich

Die heurige „Mauer des Schweigens 2019“ geht an das Land Niederösterreich:In der Causa des Jugend-Asylheims Drasenhofen, für das der zuständige FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl menschenrechtlich wie vergaberechtlich in der öffentlichen Kritik stand, gibt das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung den echten Vertrag mit dem Betreiber nicht heraus. Eine Anfrage gemäß Auskunftspflichtgesetz nach dem Wortlaut des Vertrages (mit wem abgeschlossen, welche Preise ausverhandelt, wie viel schon gezahlt hat, welche Sicherheitsleistungen vereinbart, Laufzeit und Kündigungsmöglichkeit) wurde inhaltlich nicht beantwortet. Stattdessen übermittelte das Land NÖ lediglich einen Blanko-Standardvertrag, der angeblich „im Wesentlichen“ auch bei anderen Quartieren angewandt worden sein soll. Ob auch genau so bei jenem von Drasenhofen blieb damit unbeantwortet, der echte Vertrag weiter geheim – und die inhaltlichen Fragen blieben unaufgeklärt. Ein Ersuchen um einen Bescheid, um dies gerichtlich klären zu lassen, blieb ebenfalls unbeantwortet.

Die Gewinner bekommen die Mauer des Schweigens verliehen. (c) Christian MUELLER

Platz 2 und 3: Was die Bürger und das Parlament nicht wissen dürfen

Platz 2 geht an das Innenministerium für die Verweigerung der Nennung jener Menschen, die „im besonderen Interesse der Republik“ eine österreichische Staatsbürgerschaft bekommen haben. Das Interesse der Republik ist dabei oft wirtschaftlicher Natur: Die EU-Kommissarin für Justiz nennt die Ausstellung dieser sogenannten “Golden Passports” ein Sicherheitsrisiko, weil oft der Ursprung der Investitionen nicht klar ist. Was Österreichs Bürger aber nicht wissen dürfen: Wer wegen angeblicher besonderer Verdienste um das Land aber 2014 und 2015 ihre neuen Mitbürger wurden. Das Innenministerium begründet die Verweigerung mit dem Verweis auf Datenschutz und das Amtsgeheimnis –und das obwohl die Namen 2016, 2017 und 2018 im Ministerratsprotokoll öffentlich gemacht wurden. Ein entsprechendes Verfahren ist anhängig.

Und Platz 3 geht an all jene Ministerien, die gewählte Abgeordnete des Parlaments falsch informieren oder die Auskunft betreffend ausgegliederter Staatsunternehmen verweigern. Stellvertretend dafür der Lipizzaner-Fall: Bei einem Staatsbesuch mit österreichischer Wirtschaftsdelegation in Saudi Arabien schenkte der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz dem saudischen Kronprinzen einen Lipizzaner aus der spanischen Hofreitschule. Das Parlament will von der Regierung wissen, wie viel dieses Geschenk gekostet hat. Die Antworten aus dem Bundeskanzleramt, dem Wirtschaftsministerium und Umweltministerium sind widersprüchlich, wie die Rechercheplattform Addendum aufzeigt. Das für die spanische Hofreitschule zuständige Umweltministerium verweigert die Beantwortung der Anfrage des Parlaments zu den Kosten überhaupt zur Gänze. Der Grund: Das Parlament habe kein Recht Informatiosnen zu ausgegliederten Staatsbetriebe – wie der spanischen Hofreitschule – vom dafür zuständigen Ministerium zu bekommen.

Alle Infos zu den Fällen und Quellen gibt es hier.

„Goldener Informationsfilter“ für „Message Control“ der türkis-blauen Bundesregierung

Der Goldene Informationsfilter (Sonderpreis) (Foto: Gert Nepel)

Der seit vergangenem Jahr vergebene „Goldene Informationsfilter“ für den „Versuch der politischen Einschränkung von staatlichen Informationen“ geht heuer an die türkis-blaue Bundesregierung: für die von vielen JournalistInnen kritisch thematisierte Politik der „Message Control“ – insbesondere dafür, die Öffentlichkeitsarbeit der Statistik Austria, als zentraler Faktenbasis des politischen Diskurses, künftig direkt dem Kanzleramt zu unterstellen.

Sonderpreis für ÖVP, SPÖ und FPÖ betreffend Parteienfinanzierung

Einen Sonderpreis geht an ÖVP, SPÖ und FPÖ für ihr Geheimniskrämereien bei der Parteienfinanzierung: Die Spendenstückelungen (bei der ÖVP), die Vereins- und Vorfeldorganisationsfragen (bei der SPÖ) und der nicht rechtzeitig unterschrieben abgegebene Rechenschaftsbericht (der FPÖ) an den Rechnungshof zeigen, dass es ein Gesetz für komplette Offenlegung der Parteifinanzen braucht, um diverse Umgehungskonstruktionen zu unterbinden. „Ein Gesetz, auf das sich die drei großen Parteien diesen Sommer leider nicht einmal im Lichte der Geschehnisse von Ibiza heuer einigen konnten“, so Mathias Huter.

28. September – International Right to Know-Day

Der Internationale Right to Know-Day macht seit über 15 Jahren international auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor den Bürgerinnen und Bürgern aufmerksam, und wird mittlerweile auch von der UNESCO als „Access to Information-Day“ begangen.

Vergeben wird die “Mauer des Schweigens“ vom Forum Informationsfreiheit, das sich für Transparenz in Politik und Verwaltung und ein Recht der BürgerInnen auf Information einsetzt. Die nominierten Fälle stammen aus dem Anfrageportal des Forum Informationsfreiheit, FragDenStaat.at, auf dem Bürgerinnen und Bürger ihre Anfrage direkt an die Behörden stellen können – und diese von der Verwaltung auch gemäß Auskunftspflichtgesetz beantwortet werden müsste. Die Behörden sind gesetzlich zu einer Antwort verpflichtet, verweigern aber oft die Auskunft – mit unterschiedlichsten Begründungen.

Hintergrund: Die bisherigen Negativ-Preisträger der “Mauer des Schweigens”

Im Vorjahr ging „Die Mauer des Schweigens“ an die Stadt Innsbruck, für die Weigerung die Sprengelergebnisse der letzten Bürgermeisterwahl herauszugeben. Auf Platz 2 landete die niederösterreichischen Gemeinden (gemeinsam mit dem Gemeindebund, Gemeindevertreterverband und Land NÖ) dafür, Gebühren von insgesamt fast 8.000 Euro allein für die Frage anzudrohen (und teils zu verrechnen), wie vielen Menschen vor der Landtagswahl 2018 das Wahlrecht aberkannt wurde. Platz 3 ging an das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, das seine Stellungnahme zum umstrittenen Entwurf für das sogenannte „Standortentwicklungsgesetz“ nicht veröffentlichte.

Alle Informationen, Hintergründe und Preisträger der letzten Jahre gibt es hier.