FOI-Transparenzmeisterschaft: welches Ministerium ist das auskunftsfreudigste?

Die spannendste Meisterschaft des Jahres läuft seit vier Wochen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nun präsentieren wir sie erstmals offiziell: die diesjährige, erste, Österreichische Transparenz-Meisterschaft!

Die Idee ist einfach: wir stellen relevante Anfragen an alle Ministerien. In die nächste Runde kommt aus jeder Paarung (oder Tripelung) das Ministerium, das am raschesten eine inhaltliche Antwort liefert. Warum? Eigentlich sind sie verpflichtet, Auskünfte „ohne unnötigen Aufschub“ zu erteilen. Wir wollen zeigen, wie das in der Praxis funktioniert. Die KO-Paarungen dieser Runde:

Was bisher geschah

Die erste Anfrage: Wie viele Mitarbeiter des Ministeriums waren Corona-Verdachtsfälle und wie oft wurden Minister und Kabinettsmitarbeiter getestet?

Der erste Spielzug war ein überraschender: das Digitalisierungsministerium preschte schon am Tag der Anfrage mit einer Antwort vor … die sich aber als Finte, nämlich als Empfangsbestätigung inklusive Datenschutzbelehrung herausstellte. (Wir finden es löblich, wenn öffentliche Stellen Empfangsbestätigungen schicken. Das Digitalisierungsministerium war das einzige).

In der ersten Woche gab es keine Antworten. Die „fünf Arbeitstage“-Frist, die in Estland gilt und die „sieben Tage“-Frist aus Island, schafft also keines der Ministerien – trotz „ohne unnötigen Aufschub“.

Das Gesundheitsministerium benötigte nur 9 Tage für eine Erstantwort. Das Problem: in der Antwort wurde keine unserer Fragen beantwortet. Die Nachricht verwies hauptsächlich auf die Corona-Datenseite des Ministeriums, auf der keine Infos zu Mitarbeitern des Ministeriums zu finden sind.

Die „zwei Wochen“-Frist, die beispielsweise in Bulgarien, Kroatien, Finnland und Polen gilt, schafft das Finanzministerium mit einer Antwort binnen 13 Tagen, am 21.9..

Am 23.9. antworten das Kanzleramt und das Justizministerium.

Damit rücken drei Ministerien nicht nur in die nächste Runde, sie bekommen auch das Prädikat: antwortet nicht langsamer als die EU-Kommission (drei Wochen Frist).

In der Woche danach, einem Monat nach Anfrage: Die ersten Digitalisierungsnachzügler Innen- und Verteidigungsministerium antworten per Post und schaffen es in die Kategorie „wenigstens so schnell, wie die Regierung im Regierungsprogramm verspricht“.

Damit stehen in drei von fünf Gruppen schon Sieger der ersten Runde fest. 

Update 13.10.: letzte Woche beantwortete das Klimaschutzministerium unsere Anfrage.

Update 16.10.: diese Woche beantwortete das Arbeitsministerium und Kulturministerium unsere Anfrage.

Update 20.10.: letzte Woche beantwortete das Bildungsministerium unsere Anfrage. Oder auch nicht, das Ministerien beruft sich auf Datenschutz.

Wir warten immer noch auf die Antworten der anderen Ministerien.

Wer den Wettbewerb live – so aktuell, wie wir es schaffen, die Briefpost zu scannen – verfolgen will, findet die dazugehörigen Anfragen der ersten Runde in dem dazugehörigen FragDenStaat.at-Projekt.

Wir werden auch diesen Artikel aktualisieren. Und Twittern.

Der aktuelle Zwischenstand (Stand: 16.10.)

Eine Zwischenbilanz

Wir haben jetzt Antworten von (fast) allen Ministerien erhalten. Einzig das Landwirtschaftsministerium von Elisabeth Köstinger hat die gesetzliche Frist von acht Wochen verstreichen lassen ohne uns zu antworten.

Inhaltlich sieht die Sache anders aus: Nur zwei Ministerien (von 13) konnten unsere Anfrage vollständig inhaltlich beantworten und sagen, wie oft das Kabinett und die Ministerin auf Corona getestet worden sind. Das Klimaschutzministerium teilte uns mit, dass Ministerin Leonore Gewessler bis zum 8. September zweimal und das Kabinett 23 getestet wurden. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner wurde viermal getestet. In ihrem Kabinett gab es bis zum 10. September zwei weitere Testungen.

Die anderen Ministerien haben uns fast wortidente Stellungnahmen geschickt. Darin sagen sie, dass natürlich getestet wird, die Ministerien dazu aber keine Statistiken führen. Wie oft MinisterInnen und leitende MitarbeiterInnen auf Corona getestet werden, können die Ministerien also nicht sagen.

Das Halbfinale

Im Halbfinale trifft auf der einen Seite in einer Tripelung das Finanzministerium auf das Digitalisierungs- und Wirtschaftsministerium und das Justizministerium.

Auf der anderen Seite das Innenministerium auf das Kunstministerium.

Die zweite Anfrage: Wir wollten von den Ministerien wissen, wie viele MitarbeiterInnen ins Home Office geschickt wurden und wie viele Personen weiterhin aus dem Ministerium arbeiten müssen.

Wer den Wettbewerb live – so aktuell, wie wir es schaffen, die Briefpost zu scannen – verfolgen will, findet die dazugehörigen Anfragen der ersten Runde in dem dazugehörigen FragDenStaat.at-Projekt.

Wir werden auch diesen Artikel aktualisieren. Und Twittern.

FAQ

Sind das nicht mutwillige Anfragen? Ist das nicht Arbeitszeitverschwendung der Ministerien? 

Wir sind überzeugt, dass die Fragen, die wir stellen, von höchstem öffentlichen Interesse sind. Wir hätten sie sowieso als „public watchdog“ gestellt, der Wettbewerb ist eine reine Zweitverwertung, um ein Problem, das regelmäßig auftritt – viel zu lange Antwortzeiten – anschaubar zu machen.

Warum lief der Wettbewerb in den ersten vier Wochen geheim ab?

Corona-bedingt gibt es leider auch bei uns Freiwilligenarbeitszeitausfälle.

Wie lang geht das jetzt?

Wir senden die nächsten Anfragen, sobald eine Runde entschieden ist. Sollten sich alle Ministerien an das Gesetz halten, sollten pro Runde maximal 8 Wochen vergehen. (Nach 10 Wochen werden Ministerien disqualifiziert und aus dem Bewerb genommen.)

Sollten alle Ministerien in jeder Runde die 8-Wochen-Frist ausnutzen, wird unser Turnier voraussichtlich so lange dauern wie eine ganze American-Football-Saison. Die ging 2019 151 Tage lang. Zum Vergleich: Die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 2018 mit 32 Nationen hat insgesamt 32 Tage gedauert. Die olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang 17 Tage.

 

„Mauer des Schweigens 2020” geht an Gesundheitsbehörden, Finanz- und Infrastruktur sowie Verteidigungsministerium

Negativ-Award: Der „Goldene Informationsfilter” geht an die türkis-grüne Bundesregierung für die intransparente Fördervergabe von Corona-Hilfen durch COFAG und Wirtschaftskammer.

Anlässlich des internationalen Right to Know-Day am 28. September verleiht das Forum Informationsfreiheit seit 2014 den Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“ an staatliche Stellen für „besondere Verdienste um die Verweigerung amtlicher Antworten“.


1. Platz für Gesundheitsministerium und -behörden: Corona-Intransparenz

„Für das Transparenz-Multiorganversagen rund um die Daten der Corona-Pandemie und Corona-Ampel“

Das Gesundheitsministerium und die verantwortlichen Gesundheitsbehörden verschweigen wiederholt Entscheidungsgrundlagen und Daten zur Verbreitung von COVID-19. Ein Sinnbild für die fehlenden Transparenz-Bemühungen des Gesundheitsministers fand sich auch in der Pressekonferenz, bei der die Corona-Ampel vorgestellt wurde. Die Aussage, dass diese Maßnahme Transparenz und faktenbasierte Entscheidungen bringen werde, wurde konterkariert, indem Fragen nach den Schwellwerten, bei deren Überschreitung in der Kommission über die Ampelfarben „Orange“ und „Rot“ diskutiert werden wird, nicht beantwortet wurden. Außerdem wird immer noch nicht regelmäßig veröffentlicht, wie lange die Wartezeiten auf Tests, sowie zwischen Testergebnis und Benachrichtigung sind, und es wird nicht kommuniziert wie lange die Behörden für das „Contact-Tracing“ benötigen.

Weitere Beispiele für die Versäumnisse des Gesundheitsministeriums, die zur Verleihung des ersten Platzes führen, finden Sie in der ausführlichen Nominierungsbegründung unter Informationsfreiheit.at.

2. Platz für Finanz- und Infrastrukturministerium: AUA-Rettung

„Die geheime €450-Millionen Rettung der Austrian Airlines: hunderte Millionen Euro Steuergeld für eine private Fluglinie – ohne Transparenz und öffentliche Kontrolle”

Das AUA-Rettungspaket wurde Anfang Juni auf einer Pressekonferenz von Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler, Finanzminister Gernot Blümel und Infrastrukturministerin Leonore Gewessler präsentiert. Außerordentlich groß war die Überraschung, als Infrastrukturministerium und Finanzministerium nach Anfragen jegliche Zuständigkeit verneinten, da die Vertragspartner doch COFAG und ÖBAG seien. Das Forum Informationsfreiheit fordert: wenn Behörden etwas in einer Pressekonferenz präsentieren, sollten sie auch kritische Nachfragen beantworten müssen.

3. Platz für Bundesministerium für Landesverteidigung: Cyberdefense

„Für das Geheimhalten von Informationen gegenüber dem Parlament, die MinisterInnen kurz darauf in Pressekonferenzen bekannt geben”

In gleich zwei parlamentarischen Anfragen erkundigte sich der Nationalratsabgeordnete Douglas Hoyos-Trauttmansdorff nach der personellen und technischen Ausstattung im Bereich Cyberdefense. Er wollte auch wissen, ob diese Abteilung in Zukunft mehr Personal bekommen soll. Das Verteidigungsministerium verweigerte die Antwort mit einem Hinweis auf die Geheimhaltung im Sinne der Landesverteidigung. Kurze Zeit später kündigte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner die Aufstockung der Abteilung Cyberdefense von 20 auf 250 Personen an. Auf der Webseite des Bundesheeres wurden also Informationen veröffentlicht, die gegenüber den Abgeordneten vier Monate zuvor geheim gehalten wurden.

Sonderpreis: „Der goldene Informationsfilter” für die Bundesregierung

„Für die intransparente Handhabung der Corona-Hilfen und die intransparente Ausgestaltung der COFAG“

Es gibt keine zeitnahe Veröffentlichung, welche staatlichen Mittel aus welchen Corona-Fördertöpfen vergeben und ausbezahlt wurden, und keinerlei Nachvollziehbarkeit, welche Unternehmen und Organisationen welche staatlichen Hilfen erhalten haben. Alleine aufgrund des riesigen Fördervolumens wäre dies besonders wichtig, um eine effiziente Verwendung der Mittel sicherzustellen und unter Umständen auch Missbrauch aufzudecken. 

Das Konstrukt der COFAG befördert Misstrauen und behindert die Kontrolle durch Bürger, NGOs und Parlament. Eine parlamentarische Kontrolle wird verhindert, indem die Oppositionsparteien zwar VertreterInnen in einen Beirat entsenden können, dieser Beirat jedoch zu vollständiger Verschwiegenheit verpflichtet ist und überhaupt erst ab einer gewissen Förderungshöhe befasst wird. 

Auch die Auslagerung des Härtefallfonds an die Wirtschaftskammer ist eine Transparenzbremse, da die Wirtschaftskammer – anders als Behörden – nur ihren eigenen Mitgliedern gegenüber auskunftspflichtig ist. Außerdem werden Unvereinbarkeiten geschaffen: Detaillierte Finanzdaten von Betrieben gelangen in die Hände der Wirtschaftskammer, in der möglicherweise Wettbewerber der betroffenen Betriebe maßgeblichen Einfluss haben.


Die vollständigen Begründungen inklusive Quellenangaben finden Sie auf Informationsfreiheit.at.

FOI befürchtet Placebo-Transparenzgesetz

„Unter der Türkis-Grünen-Regierung gibt es bislang keine erkennbaren Fortschritte in Sachen Transparenz. Ein erster Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz wurde noch im Juli für ,vor dem Sommer‘ angekündigt, liegt aber immer noch nicht vor“, sagt Mathias Huter, Vorstandsmitglied des Forum Informationsfreiheit.

Die Corona-Krise und die damit verbundenen Maßnahmen und Fördertöpfe erfordern ein hohes Maß an öffentlicher Nachvollziehbarkeit und Kontrolle – auch, um sicherzustellen, dass die Regierung Grundrechtsbeschränkungen verhältnismäßig vorschreibt und dass die vielen Milliarden Steuergeld effizient eingesetzt werden. „Die Preisträger der Mauer des Schweigens zeigen jedoch, dass es gerade rund um die COVID-19 Maßnahmen der Regierung ein erschreckend viel Geheimhaltung und Intransparenz gibt. Es wäre dringend nötig, endlich volle Nachvollziehbarkeit über das Handeln der agierenden Behörden sicherzustellen, welche Unternehmen und Organisationen Millionenbeträge aus öffentlichen Fördertöpfen erhalten, und auf Basis welcher Evidenz COVID-19 bedingte Einschränkungen beschlossen werden”, sagt Huter.   

Einmal mehr fordert das Forum Informationsfreiheit von den Regierungsparteien die Vorlage eines internationalen Standards entsprechenden Informationsfreiheitsgesetzes. Ein Gesetz ohne Informationsbeauftragten oder eine vergleichbare unabhängige Kompetenz- und Kontrollstelle, die die Umsetzung von Transparenzbestimmungen vorantreiben und begleiten würde, würde zu einem Placebo-Transparenzgesetz werden. 

28. September – International Right to Know-Day

Der Internationale Right to Know-Day macht seit über 15 Jahren international auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor den Bürgerinnen und Bürgern aufmerksam, und wird mittlerweile auch von der UNESCO als „International Day for Universal Access to Information“ begangen.

Vergeben wird die “Mauer des Schweigens“ vom Forum Informationsfreiheit, das sich für Transparenz in Politik und Verwaltung und ein Recht der BürgerInnen auf Information einsetzt. Viele der nominierten Fälle stammen aus dem Anfrageportal des Forum Informationsfreiheit, FragDenStaat.at, auf dem Bürgerinnen und Bürger, JournalistInnen und VertreterInnen zivilgesellschaftlicher Initiativen ihre Anfrage direkt an die Behörden stellen können – und diese von der Verwaltung auch gemäß Auskunftspflichtgesetz beantwortet werden müsste. Die Behörden sind gesetzlich zu einer Antwort verpflichtet, verweigern aber oft die Auskunft – mit unterschiedlichsten Begründungen.

Hintergrund: Die bisherigen Negativ-Preisträger der “Mauer des Schweigens”

Im Vorjahr ging „Die Mauer des Schweigens“ an das Land Niederösterreich für die Geheimhaltung für Informationen und Verträge in der Causa Jugend-Asylheim Drasenhofen und an das Innenministerium für die Verweigerung der Nennung jener Personen, die die Staatsbürgerschaft auf Regierungsentscheid wegen “besonderem Interesse der Republik” erhalten haben. 

Der Goldene Informationsfilter wurde 2019 erstmals an die türkis-blaue Bundesregierung für deren “Message Control” verliehen.

Alle Informationen, Hintergründe und Preisträger der letzten Jahre gibt es hier.

Nominierungen für die “Mauer des Schweigens” 2020: Shortlist

Anlässlich des internationalen Tags der Informationsfreiheit – dem Right to Know-Day am 28. September – verleiht das Forum Informationsfreiheit seit 2014 den Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“ für “besondere Verdienste um die Verweigerung amtlicher Antworten”.

Mit dem Negativ-Preis weisen wir jährlich auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor den Bürgerinnen und Bürgern hin.

Nominiert werden konnten alle Fälle bei denen österreichische Behörden Auskünfte verweigert haben, Informationen von Politik oder Verwaltung zurückgehalten wurden, oder öffentliche Kontrolle staatlicher Institutionen durch politische Bemühungen erschwert oder verhindert wurde.

Shortlist:

Gesundheitsministerium und -behörden

„Für das Transparenz-Multiorganversagen rund um die Daten der Corona-Pandemie und Corona-Ampel“

Seit Beginn der Corona-Krise werden regelmäßig Entscheidungsgrundlagen der Behörden verschwiegen und Informationen über die Arbeit der Gesundheitsbehörden geheim gehalten. Insbesondere wird beispielsweise nicht veröffentlicht, wie lange die Gesundheitsbehörden benötigen, um Fälle nachzuverfolgen oder Verdachtsfälle zu testen. Diese Zahlen, die auch für die Festlegung der Corona-Ampel verwendet werden, werden weiterhin geheim gehalten oder nur selten oder – wenn überhaupt – vereinzelt kommuniziert.

Ein Sinnbild für die Transparenz-Bemühungen des Gesundheitsministers fand sich auch in der Pressekonferenz, bei der die Corona-Ampel vorgestellt wurde. Wiederholt wurde betont, dass diese Maßnahme Transparenz und faktenbasierte Entscheidungen bringen werde. Fragen nach den Schwellwerten, bei deren Überschreitung in der Kommission über die Ampelfarben „Orange“ und „Rot“ diskutiert werden wird, wurden jedoch nicht beantwortet.

Das sind leider nur einige Beispiele. Weitere Transparenz-Versäumnisse im Schnelldurchlauf:

  • Die Protokolle der „Taskforce Corona“ wurden wochenlang geheim gehalten, Stand Ende September sind nur die ersten 11 Protokolle öffentlich.
  • Zahlen zu bestätigten Fällen in den Gemeinden findet man – außer in Vorarlberg und Tirol, wo eigene Dashboards dafür geschaffen wurden – zwar in einzelnen Gemeindezeitungen, Anfragen danach werden jedoch mit dem Argument „Datenschutz“ abgelehnt (obwohl die Dashboards der Länder Tirol und Vorarlberg zeigen, dass eine Veröffentlichung problemlos möglich wäre).
  • Zahlen zu den Wiener Gemeindebezirken werden zwar vereinzelt durch Leaks öffentlich, jedoch nicht strukturiert und auf Anfrage.
  • Selbst eindeutige Antwort- und Bescheidfristen wurden vom Gesundheitsministerium bei Auskunftsbegehren nicht beachtet [siehe Addendum-Zeitung, Ausgabe 16, @jawei].
  • Probleme bei der Datenveröffentlichung wie fehlende Zeitreihen oder inkonsistente Definitionen.
  • Keine oder nur besonders kurze Begutachtungsfristen bei wichtigen Gesetzesvorlagen zu Gesundheits- und Grundrechtsfragen. 

Finanz- & Infrastrukturministerium: die geheime €450-Millionen Rettung der Austrian Airlines

“Hunderte Millionen Euro Steuergeld für eine private Fluglinie – ohne Transparenz und öffentliche Kontrolle”

Mit einem Zuschuss von 150 Millionen Euro Steuergeld sowie bis zu 300 Millionen Euro an staatlich besicherten Krediten hat die Republik Österreich im Juni die Fluglinie Austrian Airlines AG, die der Lufthansa gehört, gerettet. 

Das Rettungspaket wurde auf einer Pressekonferenz von Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler, Finanzminister Gernot Blümel und Infrastrukturministerin Leonore Gewessler präsentiert. Doch die Details abseits des politischen Spins bleiben geheim.

Auf ein Auskunftsbegehren nach dem Inhalt des Rettungsvertrages – interessant wäre etwa, ob sich das Management des geretteten Unternehmens Boni auszahlen lassen kann – verneinten sowohl Finanzministerium als auch das Infrastrukturministerium jegliche Zuständigkeit. Beide Minister sprachen jedoch bei der Pressekonferenz ausführlich zur AUA-Rettung. Vertragspartner in der AUA-Rettung seien die bundeseigene Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) bzw. die staatliche COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG). Deshalb könne man keine Auskunft gewähren. Beide staatlichen Unternehmen liegen laut Ansicht der Ministerien außerhalb des Anwendungsbereichs des Auskunftspflichtgesetzes – und somit außerhalb jeglicher öffentlichen Kontrolle. Auch dem Nationalrat teilte der Finanzminister in der Beantwortung einer parlamentarische Anfrage der NEOS mit: COFAG und ÖBAG, und damit der Vertrag der Austrian-Rettung, seien nicht vom parlamentarischen Fragerecht umfasst.

Bundesregierung: Förderungen/Corona-Hilfen 

„Für die intransparente Handhabung der Corona-Hilfen und die intransparente Ausgestaltung der COFAG“

Es gibt keine zeitnahe Veröffentlichung, welche staatlichen Mittel aus welchen Corona Förder-Töpfen vergeben und ausbezahlt wurden. Keinerlei Nachvollziehbarkeit gibt es bei der Frage, welche Unternehmen und Organisationen welche staatlichen Hilfen erhalten haben. Öffentliche Nachvollziehbarkeit und Kontrolle wäre schon alleine aufgrund des riesigen Fördervolumens besonders wichtig, um eine effiziente Verwendung der Mittel sicherzustellen. 

Die Schaffung einer eigenen Stelle für die Auszahlung von Corona-Hilfen ist nachvollziehbar. Transparenz über die Finanzierungen und eine parlamentarische Kontrolle werden jedoch verhindert, indem die Parteien zwar Vertreter in einen Beirat entsenden können, dieser Beirat jedoch kein Mitspracherecht hat, erst ab gewissen Finanzierungshöhen befasst wird und zu vollständiger Verschwiegenheit verpflichtet ist. Dieses Konstrukt befördert Misstrauen und behindert die Kontrolle durch Bürger, NGOs und das Parlament.

Auch die Auslagerung des Härtefallfonds an die Wirtschaftskammer ist eine Transparenzbremse, da die Wirtschaftskammer nur ihren eigenen Mitgliedern gegenüber Auskunftspflichtig ist. Außerdem werden durch dieses Konstrukt Unvereinbarkeiten geschaffen: Detaillierte Finanzdaten von Betrieben gelangen in die Hände der Wirtschaftskammer, wo in den Fachgruppen möglicherweise Konkurrenten der betroffenen Betriebe vertreten sind.

BMLV: Cyberdefense – Pressekonferenz-Aussagen sind für das Parlament geheim 

“Für das Geheimhalten von Informationen, die Minister in Pressekonferenzen bekannt geben, gegenüber dem Parlament”

Der Neos-Abgeordnete Douglas Hoyos-Trauttmansdorff erkundigte sich in zwei parlamentarischen Anfragen nach der personellen Ausstattung der Cyber-Defense-Abteilung des BMLV. Ihm wurde vom BMLV mitgeteilt, dass ihm diese Informationen nicht mitgeteilt werden könnten, weil damit die nationale Sicherheit gefährdet werden würde. 

Zwei Monate nach dieser Antwort verkündete das Bundesheer auf seiner Webseite, dass das Personal der Cyber-Defense von 20 auf 250 Personen aufgestockt werden wird.

Auf Anfrage nach Auskunftspflichtgesetz erklärt das Ministerium die verweigerte Aussageverweigerung so: “Da die parlamentarische Anfrage zu detailliert gestellt wurde und damit Rückschlüsse auf Personen, Organisationsdetails, Planungen, Einsätze etc. ermöglicht hätte und damit für potentielle Gegner (Hacker, fremde staatliche Akteure etc.) eine leichtere Einschätzbarkeit/Angreifbarkeit der IKT-Struktur des Bundesministeriums für Landesverteidigung (BMLV) gegeben wäre, hat sich das BMLV (nach reiflicher Abwägung) entschlossen sich in diesem Fall auf das Amtsgeheimnis zu berufen.”

Die Frage Hoyos’ zur personellen Ausstattung (5.3.20):  Die Antwort des Ministeriums zur pers. Ausstattung (8.5.20):  
Beabsichtigen Sie die personelle wie technische Ausstattung der Cyberdefence in Zukunft zu verstärken?

a.    Wenn ja, wie und in welchem Ausmaß?

Wie viele Planstellen sind für die kommenden Jahre vorgesehen? (Bitte um getrennte Darstellung nach Jahr.)

Im Hinblick auf die Sensibilität dieses Bereiches ersuche ich aber um Verständnis, dass diese Fragen aus Gründen der Amtsverschwiegenheit im Interesse der Umfassenden Landesverteidigung (Art. 20 Abs. 3 B-VG) nicht geeignet sind, öffentlich erörtert zu werden und daher eine

inhaltlichen Beantwortung nicht möglich ist.

Die Frage Hoyos’ zur personellen Ausstattung (15.4.20): Die Antwort des Ministeriums zur pers. Ausstattung  (15.6.20):
Wie ist die Zusammenarbeit und Konstellation in Sachen Cyberabwehr mit dem BMI und dem BKA angedacht?

a. Welche aktuell vorhandenen Teams aus welchen Ministerien werden dafür zum Einsatz kommen?

b. Ist geplant, zusätzliche Personen einzustellen?

i. Wenn ja, für welche Positionen?

Da für Personalmaßnahmen im Bereich der ÖSCS das Bundeskanzleramt zuständig ist, betreffen diese Fragen keinen Gegenstand der Vollziehung des BMLV.

Auch das Ministerium (3.7.20): “Zur Cyber Defence wird gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt und dem Innenministerium ein Cybersicherheitszentrum auf dem neuesten Stand der Technik geschaffen. Die Ministerin plant hier eine massive Personalaufstockung von 20 auf 250 Personen durch Umschichtung von Planstellen.”

Innenministerium: Zuständigkeiten der Kabinetts-MitarbeiterInnen

“Für das Geheimhalten der Zuständigkeiten von Kabinetts-MitarbeiterInnen”

Während andere Ministerien auf ihrer Webseite transparent auflisten, wer im Kabinett der jeweiligen MinisterInnen arbeitet und wofür diese MitarbeiterInnen zuständig sind, verweigert das BMI die Herausgabe dieser Informationen. Begründet wird das mit “Besonderheiten der umfassenden Aufgabenstellungen des Bundesministeriums für Inneres “. Andere Ministerien haben diese Informationen auf ihrer Webseite öffentlich und transparent einsehbar.

Land Niederösterreich: Geheime Miete für eine ÖVP-nahe Werbeagentur im NÖ Landhaus

“Für Intransparenz bei der Vermietung öffentlichen Eigentums”

Im Gebäude des niederösterreichischen Landhauses in St. Pölten haben sich neben Bundes- und Landeseigenen Unternehmen und Stellen auch eine Werbeagentur sowie ein mit ihr verbundener Verlag (gleiche Eigentümer und Geschäftsführer, zum Teil gleiche MitarbeiterInnen), der mehrere ÖVP-Mitgliederzeitungen herausgibt, eingemietet.

Auf eine Anfrage durch NEOS im niederösterreichischen Landtag nach den Mietkonditionen für die dort ansässigen Unternehmen lautete die Antwort durch die Landeshauptfrau, dass die Konditionen für alle Mieter gleich wären, sich an der Marktlage orientieren würde – und dem Datenschutz unterliege. Dass der Vermieter im Eigentum der öffentlichen Hand ist sei dabei irrelevant. 

Anonymisierungspflicht für Dokumente ist Kernaspekt eines Informationsfreiheitsgesetz

Forum Informationsfreiheit zu Städtebund-Forderungskatalog: Anonymisierungspflicht für Dokumente ist Kernaspekt eines Informationsfreiheitsgesetz
Unabhängige Kompetenzstelle soll Gemeinden bei Umsetzung der Transparenz-Regeln unterstützen

„Es braucht eine unabhängige Kompetenzstelle, die die Verwaltung insbesondere auf lokaler und regionaler Ebene bei der Umsetzung von Transparenz-Bestimmungen in Zukunft fachlich unterstützt“, sagt Mathias Huter, Vorstand des Forum Informationsfreiheit. Das mache der am Montag bekannt gewordene Forderungskatalog von Städtebund, Gemeindebund und dem Verband der Öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft in Bezug auf das geplante Informationsfreiheitsgesetz deutlich.

„In den vergangenen Jahren haben sich immer wieder GemeindevertreterInnen an uns gewandt, mit der Frage: ‚was dürfen wir eigentlich alles veröffentlichen?‘ Es gibt einen großen Bedarf an klaren Handlungsanleitungen, um einen Kulturwandel hin zu einer wirklich offenen Verwaltung zu ermöglichen. Ohne die entsprechenden Ressourcen lassen sich Transparenz-Regeln nicht so einfach umsetzen“, sagt Huter.

Die Stelle eines unabhängigen Informationsbeauftragten – der vom Forum Informationsfreiheit sowie von Journalisten-Vertretern und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen gefordert wird  – würde genau diese Rolle ausfüllen: „Der Beauftragte würde die Verwaltung darin beraten, wie im Einzelfall Geheimhaltungsgründe mit dem öffentlichen Interesse an Transparenz abzuwägen sind. Eine solche Stelle sollte auch Bürgerinnen und Bürgern beim Informationszugang zur Seite stehen, im Streitfall über die Herausgabe von Information vorentscheiden können, und die Umsetzung des Gesetzes sicherstellen. Das würde die Verwaltung und die Verwaltungsgerichte entlasten und durch echte Transparenz und eine Nachvollziehbarkeit der Verwendung von Steuergeldern um ein vielfaches höhere Beträge einsparen.“

Experte Huter: „Ein Informationsfreiheitsbeauftragter gilt international als gute Praxis und wurde in vielen europäischen Ländern längst umgesetzt. Es hat sich gezeigt: wenn es eine unabhängige Kontrolle gibt, funktioniert die Umsetzung von Transparenz-Bestimmungen in der Regel gut. Fehlt so ein unabhängiges Kompetenz-Zentrum, so untergräbt dies die Möglichkeit der Bürger, zeitnah Zugang zu Informationen zu erhalten. Wir sind gespannt, wie die im Regierungsprogramm angekündigte Beratungs- und Servicestelle ausgestaltet sein wird – fürchten aber, dass es keine Bürger- und transparenzfreundliche Lösung sein wird“

Die Forderungen von Städten und Gemeinden für eine Zugänglichmachung von bislang nicht öffentlichen Datenbanken und Registern, deren Geheimhaltung nicht erforderlich ist, begrüßt das Forum Informationsfreiheit.

Österreich ist das letzte EU-Land ohne Bürgerrecht auf Zugang zu staatlichen Dokumenten. Städten und Gemeinden wollen jedoch keine Anonymisierungpflichten, wodurch ein teilweiser Zugang zu Dokumenten, etwa zu einem von der öffentlichen Hand in Auftrag gegebenen Gutachten, das die persönlichen Kontaktinformationen der Autoren enthält, verunmöglicht werden würde. „Akten können so geführt werden, dass eine Anonymisierung nicht nötig ist. Der Druck der Anonymisierungspflicht ist jedoch nötig, damit dies auch wirklich passiert“, so Huter.

Download: Die Stellungnahme von Städtebund, Gemeindebund und VOEWG

Was wir im Kanzleramt beim Runden Tisch und beim Verfassungsdienst eingebracht haben

Im Juni hatten wir zwei Termine im Kanzleramt: einen Runden Tisch mit der Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler und ein Gespräch auf Fachebene mit Vertretern des Verfassungsdiensts, der für die Erstellung eines Entwurfs für ein Informationsfreiheitsgesetz (und die nötige Verfassungsbestimmung) zuständig ist.

Am 4. Juni wurden wir – zwei Tage vor dem Termin – zu einem Runden Tisch bei Kanzleramtsministerin Edtstadler geladen. Kernpunkte, die wir erwähnen konnten, waren in Kürze:

 

    • Öffentliches Hearing mit den Autoren im Parlament
      Es hat sich bei komplexer Materie bewährt, die Autoren des Gesetzes sowie Experten  auch direkt zu den konkreten Auswirkungen des Gesetzes befragen zu können. So erteilte auch beim letzten Mal ein Beamter, der öffentlich lobte, dass das neue Gesetz mehr Transparenz bringen würde die Auskunft, dass grundlegende Vergabedaten weiterhin geheim gehalten werden würden
    • Internationale Standards & Expertise
      – Österreich ist das letzte Land ohne IFG in der EU. Heißt: von allen anderen kann man lernen. Internationale Experten wären einzuladen, etwa aus Deutschland und Slowenien
      – Die Frage wurde gestellt, ob Österreich die Mindeststandards der Europaratskonvention zum Zugang zu öffentlichen Dokumenten, die im Herbst in Kraft tritt, umsetzen wird. 
    • Ein ordentliches Begutachtungsverfahren sollte in solchen Fällen eine Selbstverständlichkeit sein und wurde von uns auch so gefordert
    • Durchsetzbares Recht – heißt: Kompetenz- und Schiedsstelle
      Fall Wien: was passiert, wenn die Behörde die Informationen nicht einmal dem Verwaltungsrichter vorlegt? Missbrauchsparagraph für Behörden & IFG-Beauftragter wäre nötig, wenn man es ernst meint.
    • Kurze Fristen
      Auch in den letzten Krisen gab es ein riesiges Informationsdefizit. Behörden lassen sich gerne Zeit mit Antworten, sobald man sich auf ein Gesetz bezieht. Heißt: die Erstantwortsfrist muss wie internationale Vorbilder vorleben kurz sein, in begründeten Einzelfällen muss nachvollziehbar dargelegt werden, dass es länger dauern wird.
    • Harm Test & Public Interest Test
      Ausnahmen vom Recht auf Information müssen eng ausgelegt werden. Die Behörden müssen im Einzelfall argumentieren, warum die Geheimhaltungstatbestände im öffentlichen Interesse überwiegen – und nachvollziehbar darlegen, welche Interessen durch eine Offenlegung gefährdet wären.
    • Was heißt gebührenfrei?
      Nicht nur Anfragen, auch Eingaben und Bescheide müssen kostenlos sein. 
    • Maschinenlesbarkeit der Informationen
      und teilweise auch automatische Veröffentlichungspflichten
    • Policy Group
      der Vorschlag, weitere Gespräche auch auf der Fachebene führen zu können, da das auch unter Drozda so gehandhabt wurde

Detailfragen dazu, ob der Informationsbegriff auf breit genug definiert ist und welche Dokumente einer aktiven Veröffentlichungspflicht unterliegen werden, und ob alle relevanten staatlichen Stellen dem IFG unterliegen, können wir erst beurteilen, wenn wir einen ersten Entwurf vorliegen haben.

Auch in Mediengesprächen haben wir die Wichtigkeit betont, dass es eine breite Einbindung der Zivilgesellschaft während des gesamten Gesetzgebungsprozesses braucht (siehe z.B. APA-Meldung auf ORF.at: https://orf.at/stories/3168279/). 

Antworten, ob und wie unsere Forderungen aufgenommen werden, wurden am runden Tisch nicht abgegeben. Der Verfassungsdienst hat jetzt den Auftrag, einen Entwurf auszuarbeiten, dieser soll bis Ende Juli vorliegen und dann in Begutachtung gehen. 

Anwesend waren neben der Kanzleramtsministerin und ihrem Kabinettschef sowie dem Leiter des Verfassungsdienstes auch der Presseclub Concordia, Transparency International Austria, VÖZ, der Chef der Beamtengewerkschaft, der Präsident des VwGH, die Vizepräsidentin des VwGH, eine Vertreterin des Rechnungshofs, die Industriellenvereinigung, das Land OÖ (als Vertreter der Landeshauptleutekonferenz), Städtebund, Gemeindebund und der Datenschutzrat.

 

Beim Gespräch mit Vertretern des Verfassungsdienstes am 30. Juni konnten wir viel weiter ins Detail gehen.

Mit dem Leiter des Verfassungsdiensts Albert Posch, der für den Entwurf zuständigen Mitarbeiterin und einer Mitarbeiterin aus dem Ministerkabinetts diskutierten wir einige Details, die wir für die geplante gesetzliche Umsetzung für wichtig halten.

Wir wurden gebeten, unser Feedback auf im Rahmen des Koalitionsvertrags umsetzbare Punkte zu beschränken, da die Beamten den Auftrag erhalten hatten, die Bestimmungen des Koalitionsvertrags in ein Gesetz zu gießen – Diskussionen zum Informationsfreiheitsbeauftragten oder zur Länge von Fristen waren also explizit nicht Thema, da diese auf politischer Ebene zu klären sind. Einige der Punkte, die wir diskutiert haben, waren folgende:

  • Eine gesetzliche Regelung zur Durchführung und Dokumentation der Interessensabwägung in Form eines Public Interest Test und Harm Test. Diese soll im Gesetz festgeschrieben werden, damit Gerichte eine Basis für die Überprüfung der Entscheidung von Behörden haben.
  • Unsere bisherigen Erfolge vor Gericht. Unserer Meinung nach sollten alle bisher erzwungenen Auskünfte auch unter einem neuen Gesetz weiterhin zu erteilen sein.
  • Erfahrungen mit den Behörden und Gerichten, beispielsweise mit der ungerechtfertigten Verrechnung von Gebühren oder Nichteinhaltung von Fristen.
  • Fehlende Fristen für die Übermittlung von Beschwerden an die Gerichte, wodurch Verfahren verzögert werden können.
  • Die augenscheinlich fehlende Ermächtigung von Gerichten, Akten anzufordern.
  • Möglichkeiten von Befugnissen und Berichtspflichten für die im Regierungsprogramm vorgesehen Servicestelle für Informationsfreiheit.
  • Die von der Ministerin vorgesehene Mutwilligkeitsschranke und unserere Erfahrungen mit der aktuellen Gesetzeslage dazu – hier brachten wir ein, dass es natürlich auch Konsequenzen zur Mutwilligkeit von Behörden geben müsse.
  • Mögliche Belehrungspflichten (in Form von Empfangsbestätigungen mit Hinweisen auf die Rechtslage und die gültigen Fristen) für Behörden

Positiv war für uns die ausgezeichnete Vorbereitung unserer Gesprächspartner. Sie brachten konkrete Fragen ins Gespräch ein. Ein lang nach Abschluss des letzten Begutachtungsverfahrens zum SPÖ-ÖVP-Entwurf erschienenes Paper von Wiederin war den Legisten nicht nur ein Begriff, sie hatten auch vor, die darin aufgeworfenen Probleme im neuen Entwurf zu umschiffen.

Stadt Wien muss 1.000 Einsparungsvorschläge offenlegen (schon zum zweiten Mal)

  • Einsparungsvorschläge selbst angekündigt – und dann geheim gehalten:
    Forum Informationsfreiheit gewinnt Transparenz-Prozess gegen Stadt Wien
  • Magistrat kam Höchstgerichtsurteil nicht nach – und wurde erneut verurteilt
  • Bürgerrechtler bekamen in 80-seitigem Urteil des Verwaltungsgerichts in jedem Punkt Recht
  • Gerichtsurteil: Bürger haben Recht auf Information – doch nicht mal Richter erhielt Einsicht in Akt

Die Entscheidung als Download

Einen neuen Zwischenerfolg vor Gericht im Einsatz für mehr Transparenz und Informationszugang hat die Bürgerrechtsorganisation Forum Informationsfreiheit (FOI) erreicht: Das Verwaltungsgericht Wien gab dem Transparenz-Aktivisten und Journalisten Markus Hametner in einem Transparenz-Verfahren gegen die Stadt Wien Recht. 

Hametner hatte Auskunft von der Stadt Wien nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz beantragt. Konkret ging es um mehr als 1.000 Einsparungsvorschlägen, die laut einer eigenen Presseaussendung 2016 von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesammelt wurden. Die Stadt Wien verweigerte den Zugang zu diesen Informationen und übermittelte selbst nach einem Höchstgerichtsurteil, das Hametner Recht gab, nur eine Liste von wenig aussagekräftigen Schlagworten, nicht jedoch die eingereichten Einsparungsvorschläge. 

„Die Stadt Wien behauptete einfach, meine Anfrage doch vollständig beantwortet zu haben. Der Richter bestätigt jetzt, was sowieso klar war: sie hat die angefragten Auskünfte nur teilweise erteilt. Der Wortlaut eines Vorschlags ist nicht nur die – von irgendjemand ausgedachte – Kurzbezeichnung für diesen Vorschlag. Und wenn zuvor ein konkretes Einsparungsvolumen veröffentlicht wurde, ist ein Prüfungsergebnis auch nicht nur die Liste der Vorschläge, die nach irgendeinem Schritt übrig blieben.“

Kurios: Das Verfahren zieht sich bereits seit vier(!) Jahren. In der Causa hatte das Forum Informationsfreiheit bereits 2018 vom Verwaltungsgerichtshof Recht bekommen, der erstmals in der österreichischen Rechtsprechung festhielt, dass Journalisten und Vertreter von NGOs – sogenannte Social Watchdogs – ein Recht auf Informationszugang haben und unter gewissen Umständen auch Akteneinsicht erhalten können. 

Doch selbst nach dieser höchstgerichtlichen Entscheidung hielt die Stadt Wien die Informationen zu Einsparungsvorschlägen geheim. Jetzt hat das Verwaltungsgericht klargestellt: Hametner erhält Akteneinsicht. Allerdings konnte der Richter etwaige Geheimhaltungsgründe nicht selbst prüfen: selbst ihm übermittelte die Stadt Wien die relevanten Dokumente nicht. Die neueste Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, die Stadt Wien könnte erneut Revision bei dem Höchstgericht einlegen.

Hametner weiter: „Selbst nach vier Jahren, dutzenden investierten ehrenamtlichen Arbeitsstunden, zwei Gerichtsverfahren und einer Höchstgerichtsentscheidung konnte die Behörde willkürlich Informationen von großem öffentlichem Interesse vor JournalistInnen und BürgerInnen geheim halten – ohne Konsequenzen zu fürchten. Vertrauen in eine funktionierende Verwaltung schafft man so nicht, und ein funktionierender Rechtsschutz sieht auch anders aus.“

Informationsrecht gegen Behörde nicht durchsetzbar – nicht mal von einem Gericht

„Österreich braucht dringend ein Informationsfreiheitsgesetz nach internationalen Standards, samt einer unabhängigen Informationsfreiheitsbeauftragten oder einer vergleichbaren Stelle, die zeitnah Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger durchsetzen kann. Der Rechtsschutz, der in früheren Gesetzesentwürfen von SPÖ- und ÖVP geplant war, ist genau der, der in diesem Fall versagt hat“, sagt Mathias Huter, Vorstandsmitglied des Forum Informationsfreiheit. „Wären wir in Slowenien, könnte die Informationsbeauftragte – nach einer Bürgerbeschwerde wie dieser – mit Hilfe der Polizei die relevanten Akten bei der Behörde abholen und könnte so einerseits eine informierte Entscheidung treffen, andererseits aber auch die Informationen gleich herausgeben. In Österreich muss der Richter wohl um Akten bitten – und kann nichts unternehmen, wenn die Behörde sie nicht liefert, oder sie ein Urteil nicht umsetzt.“

Kürzlich vorgebrachte Vorschläge von Regierungsmitgliedern müssen im Kontext dieses Falls neu bewertet werden: „Wenn Politiker Missbrauchsklauseln für Bürger fordern ist zu bedenken: genau eine solche Klausel wurde in diesem Verfahren von der Behörde vorgebracht. Es ist eher zu überlegen, ob man Missbrauchsklauseln für Behörden einführt.“

Hametner stellte die Anfrage über die vom Forum Informationsfreiheit betriebene Plattform FragDenStaat.at, über die Bürger und Bürgerinnen einfach Anfragen an Verwaltungsbehörden stellen können. Bislang hat die Plattform bereits knapp 2.000 Bürgeranfragen abgewickelt. 

Die nächste Anfrage ist schon geplant: danach, wie viel Arbeitszeit und Geld die Stadt Wien darin investiert hat, um die gesammelten Einsparungsvorschläge vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. 

Über das FOI

Das Forum Informationsfreiheit engagiert sich seit 2013 für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, ein Bürgerrecht auf Zugang zu staatlicher Information sowie für mehr Transparenz in Politik und Verwaltung. Der Verein betreibt unter anderem die Bürgerplattform FragDenStaat.at sowie die neue Transparenzplattform OffeneVergaben.at, über die erstmals in Österreich staatliche Aufträge über 50.000 Euro nachvollziehbar werden.

Rückfragehinweis

Mathias Huter, Vorstandsmitglied des  Forum Informationsfreiheit
+43 699 126 39 244
mathias.huter@informationsfreiheit.at

 

Update Sommer 2020: Die Stadt Wien hat erneut Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht.

Forum Informationsfreiheit begrüßt Transparenzpaket-Beratungen im Parlament

Von Grünen-Klubobfrau Maurer angekündigte Einbindung von Opposition und Zivilgesellschaft in Gesetzesvorbereitungen sind wichtiger Schritt Richtung echter Transparenz 

Wien, 21. Mai 2020 – Das Forum Informationsfreiheit (FOI) begrüßt die Ankündigung der Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, dass im Parlament über den Sommer Beratungen zum Beschluss eines Transparenzpaketes stattfinden werden. Bis zum Herbst sollen Gesetzesentwürfe entwickelt und bis Jahresende beschlossen werden, sagte Maurer im Ö1-Mittagsjournal und einem Kurier-Bericht am Mittwoch.

Besonders erfreulich ist die Ankündigung, dass in die Beratungen zum Transparenzpaket alle Oppositionsparteien sowie Experten aus der Zivilgesellschaft einbezogen werden sollen. „Unter früheren Regierungen wurde ausschließlich hinter verschlossenen Türen über ein mögliches Transparenzgesetz verhandelt. Das Ergebnis ist bekannt: es blieb beim Amtsgeheimnis, die Entwürfe der SPÖ-ÖVP-Regierung waren äußerst unambitioniert. Beratungen für ein Transparenzpaket im Parlament mit breiter Einbindung von Zivilgesellschaft und Opposition sind ein erfolgversprechender Weg, um sicherzustellen, dass am Ende auch wirklich mehr Transparenz im Interesse der Bürgerinnen und Bürger herauskommt”, sagt FOI-Vorstand Mathias Huter.

„Mit dem Antrag der Grünen aus dem Jahr 2013 zu einer Verfassungsbestimmung für ein Bürgerrecht auf Zugang zu staatlicher Information sowie dem jüngsten Antrag der NEOS, der bereits einen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz liefert, gibt es bereits eine gute Grundlage für Gespräche”, sagt Huter. „Das Ziel ist klar: Österreich muss endlich vom europäischen Transparenz-Schlusslicht zum Vorreiter werden. Dafür braucht es neben mehr Transparenz der Parteifinanzen und einer Stärkung der Kontrollrechte des Rechnungshofs insbesondere ein Informationsfreiheitsgesetz nach internationalen Standards. Dazu gehört neben einem Bürgerrecht auf Informationszugang auch eine Veröffentlichungspflicht von Dokumenten, Daten und Informationen durch die öffentliche Hand, die von öffentlichem Interesse sind.”

Solche Veröffentlichungspflichten würden etwa in Zukunft ermöglichen, dass die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, welche Unternehmen von Milliarden-Hilfen der öffentlichen Hand profitieren, auf welcher Informationsgrundlage politische Entscheidungen getroffen werden und wie Steuergelder im Detail verwendet werden.

Österreich ist das letzte EU-Staat, der JournalistInnen, Nicht-Regierungsorganisationen und BürgerInnen kein Recht auf Zugang zu staatlichen Dokumenten einräumt. So bleiben etwa staatliche Studien, Gutachten, Aufträge und Unternehmens-Förderungen bislang bis auf Ausnahmen geheim.

Das Forum Informationsfreiheit engagiert sich seit 2013 für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, ein Bürgerrecht auf Zugang zu staatlicher Information sowie für mehr Transparenz in Politik und Verwaltung. Der Verein betreibt die Bürgerplattform FragDenStaat.at, über die BürgerInnen bereits knapp 2.000 Auskunftsbegehren an die Verwaltung gestellt haben, sowie die neue Transparenzplattform OffeneVergaben.at, über die erstmals in Österreich staatliche Aufträge über 50.000 Euro nachvollziehbar werden. Im Herbst hat das FOI, in Zusammenarbeit mit Hubert Sickinger, Dossier.at, und MeineAbgeordneten, einen aktualisierten Forderungskatalog für nötige Transparenz-Verbesserungen vorgelegt.

 

Rückfragehinweis:
Mathias Huter
Mitglied des Vorstands, Forum Informationsfreiheit
+43 699 126 39 244
mathias.huter@informationsfreiheit.at

Aussendung: Forum Informationsfreiheit fordert Corona-Transparenzgesetz

– Bürgerrechtsorganisation für Sonderregeln, um gebotene Transparenz und Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns in Krisenzeit sicherzustellen. 

– Neue Transparenz-Plattform OffeneVergaben.at listet Informationen zu staatlichen Aufträgen

Wien, 27. April 2020 – Ein Sondergesetz für ausreichende Transparenz von Regierungsentscheidungen und der Verwendung öffentlicher Mittel in der Corona-Krise fordert das Forum Informationsfreiheit (FOI). 

Für das FOI sind im Schatten der Corona-Krisenmaßnahmen viele Aspekte staatlichen Handelns für die Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend nachvollziehbar. Gerade aber in einer Zeit, in der Grundrechte und Bürgerrechte merkbar eingeschränkt sind und Steuergeld in großem Umfang bereitgestellt werden, ist ein hohes Maß an Transparenz bei der Entscheidungsfindung durch die Politik unabdingbar. Nach Setzung dringender Maßnahmen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sind Regierung und Parlament nun gefordert, effektiven Informationszugang für die Öffentlichkeit sicherzustellen, um die demokratische Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, das Vertrauen in die staatlichen Institutionen sicherzustellen und eventueller unrechtmäßiger Bereicherung vorzubeugen.

Unter anderem in folgenden Punkten fehlt es aus Sicht des FOI heute an Transparenz: 

  • Regierungs-Entscheidungen: Welche Daten, Informationen, Modelle und Studien dienen Regierung und Behörden als Grundlage für Entscheidungen, Verordnungen und Gesetzesvorlagen?
  • Regierungs-Berater: Wer berät die Regierung und hat so Zugang zu vertraulichen Informationen? Welche Maßnahmen werden gesetzt, insbesondere bei ehrenamtlich und informell tätigen Beratern, um Interessenkonflikte und Informationsmissbrauch zu verhindern?
  • Staatshilfe: Welche Unternehmen, Organisationen und Institutionen erhalten Sonderhilfe von der öffentlichen Hand, in welcher Höhe, in welcher Form und zu welchen Konditionen?
  • Krisenmanagement: Wie wird Transparenz der Tätigkeit von nicht-staatlichen Organisationen sichergestellt, denen die Regierung de facto öffentliche Aufgaben in der Bewältigung der Corona-Krise und bei der Verteilung öffentlicher Mittel zugewiesen hat? Dies auch, damit diesen nicht zu Unrecht etwaiges Misstrauen entgegengebracht wird.
  • Beschaffungen: Welche Aufträge erteilen und welche Beschaffungen tätigen staatliche Stellen, insbesondere Not-Beschaffungen ohne Ausschreibung und Bieterverfahren? Zwar haben staatliche Stellen einige erteilte Aufträge mit Covid-19 bzw. Corona-Bezug veröffentlicht, wie aus den über die Transparenzplattform OffeneVergaben.at zugänglichen Daten hervorgeht. Jedoch wurden zu zahlreichen in den Medien berichteten Beschaffungen, etwa von medizinischer Ausrüstung, bislang keine Details veröffentlicht. 

„Die Politik hat es viel zu lange verabsäumt, ein wirksames Transparenzgesetz zu verabschieden. Das führt insbesondere während der Krise zu einem völlig unzureichenden Informationszugang. Grund genug, jetzt rasch echte Transparenz zu schaffen“, sagt Mathias Huter, Transparenz-Experte des Forum Informationsfreiheit. 

„Es werden gerade Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln verteilt. In Krisenzeiten braucht es mehr denn je eine umfassende Kontrolle durch die Öffentlichkeit, um Missbrauch zu verhindern und Vertrauen in das Handeln der Entscheidungsträger und der involvierten Behörden und Organisationen sicherzustellen“, betont Huter.  

Eine Veröffentlichung von Daten zu sämtlichen Corona-Beschaffungen würde etwa für Krankenhäuser nachvollziehbar machen, welche Lieferanten in Krisenzeiten verlässlich liefern – und welche Verkäufer schadhafte Produkte an das Gesundheitssystem verkaufen und so die dort tätigen und behandelten Personen gefährden. 

OffeneVergaben.at: Neue Transparenzplattform für Aufträge der öffentlichen Hand

Auf der Plattform OffeneVergaben.at bereitet das Forum Informationsfreiheit ab sofort erstmals in Österreich alle verfügbaren Daten zu rund 10.000 Ausschreibungen der öffentlichen Hand sowie zu rund 16.000 erteilten Aufträgen mit einem Volumen über 50.000 Euro auf, die seit März 2019 vergeben wurden. Die Daten werden automatisch täglich aktualisiert. 

Damit soll eine Nachvollziehbarkeit der Verwendung öffentlicher Mittel für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und auch die öffentliche Hand geschaffen werden – soweit dies auf Basis der geltenden verbesserungsbedürftigen Transparenzpflichten möglich ist. 

Gerade was die Beschaffungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Krise betrifft, scheint es bislang Daten zu deutlich weniger staatlichen Aufträgen zu geben als den laut Regierung und Medienberichten bislang getätigten Käufen. Dies würde bedeuten, dass staatliche Stellen getätigte größere Beschaffungen nicht im Nachhinein offenlegen, was eine öffentliche Kontrolle weitgehend verhindert. 

Ermöglicht wird das Projekt OffeneVergaben.at durch eine Unterstützung der Netidee, einer Förderaktion der Internet Privatstiftung Austria (IPA). 

Rückfragehinweis: 

Mathias Huter
Forum Informationsfreiheit
mathias.huter@informationsfreiheit.at
+43 699 126 39 244

Zensur an der Quelle: Ein Journalismus ohne Recht auf Information

Erstmals erschienen in der Fachzeitschrift “Medien & Zeit”, Heft 3/2019:
Journalismus in Österreich Herausforderungen, Dynamiken, Widerstände

***

100 Jahre nach Ausrufung einer demokratischen Republik, gesteht der Staat den Bürgern noch immer kein verfassungsmäßiges Recht auf Information zu. Journalistinnen und Journalisten müssen es darum umso mehr einfordern, um ihrer Kontrollfunktion gegenüber der Politik gerecht zu werden.

 

„Eine Kleinstadt ist eine Stadt, in der
jeder alles von jedem weiß,
und trotzdem jeder das Lokalblatt kauft,
um zu sehen,
was davon der Redakteur zu veröffentlichen wagt“
— Danny Kaye, amerikanischer Komödiant

 

 

Wenn man als JournalistIn in Österreich einer Pressestelle einer Behörde eine Frage stellt, kann man schon mal einen der folgenden Sätze hören: ein ganz höfliches „Wir bitten um Verständnis, dass wir diese Information zum momentanen Zeitpunkt nicht geben können.“

„Verständnis“ — wofür?
„Nicht geben können“ — warum?
„Zum momentanen Zeitpunkt“ — wann dann?

Das höfliche Deutsch heißt auf gut Österreichisch also nur:
Das sagen wir nicht.

So auch bei einer Recherche für profil vor über zehn Jahren: Das österreichische Parlament verweigerte damals die Auskunft, welche Abgeordneten des Nationalrats bisher von dessen Immuniätsausschuss der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung freigegeben wurden. Sprich: Wer selbst als Volksvertreter:in so sehr im Verdacht steht das Gesetz so sehr verletzt zu haben, dass seine Immunität als Parlamentarier:in einfach nicht mehr vor Ermittlungen der Justiz und einer etwaigen Strafe vor Gericht schützen sollte.

Ein Vorgang, der in Österreich ohnehin höchst selten vorkommt, wenn man ihn der Zahl der Korruptionsaffären und Machtmissbrauchsskandale gegenüberstellt, die in immer kürzeren Intervallen bei einigen Parteien (es sind immer wieder ähnliche) und ihren Politikern (meist Männer, darum ungegendert) so aufgedeckt werden.

Das Argument des Beamten oder der Beamtin für die Weigerung auf Nachfrage: „Diese Information zu veröffentlichen würde die Würde des Hauses schädigen.“

Das Problem in Österreich? Es gibt kein Problem.

Man beachte das — in seiner Selbstverständlichkeit sich des Gesagten gar nicht bewusste seiende — Denken dieser österreichischen Hoheitsverwaltungslogik: Nicht der oder die Abgeordnete schädigt mit der etwaigen Begehung eines Verbrechens die Würde des Hohen Haues. Nein, der Journalist oder die Journalistin würde das tun — wenn er oder sie die Nachricht über einen Gesetzesbruch eines Gesetzesmachers den Bürgerinnen und Bürgern überbringt.

Mit Problemen in Österreich ist es ein wenig so, wie mit Schrödinger’s Katze: Jeder weiß, dass es sie in seinem Inneren gibt. Aber sie werden erst dann zu Solchen, wenn jemand wirklich mal den Deckel öffnet und reinsieht. Solange die Tür aber zu bleibt, ist alles gut in Österreich.

„First step in solving any problem, is recognizing there is one.“
— ACN-Anchorman Will McAvoy, „The Newsroom“ (S1E1)

In offeneren Gesellschaften ist das anders, selbst im gleichen Sprachraum: Wer beispielsweise in Deutschland auf ein Problem hinweist, gilt als der Erste, der zu dessen Lösung beiträgt. Wer in Österreich auf ein Problem hinweist, ist der Erste, der den Konsens gesellschaftlicher Gemütlichkeit durchbricht.

Das Missverständnis der Politiker:innen:
Vom Herrschaftswissen der Hoheitsverwaltung

Wer dagegen als BürgerIn etwas erfragt, wird von der Behörde oft mit zwei Gegenfragen konfrontiert: erstens „Wer sind Sie eigentlich?“; und zweitens „Warum wollen Sie das wissen?!“ Beides muss jedoch in einem demokratischen Staat irrelevant sein. Es muss reichen Bürger:in zu sein, um wissen zu dürfen.

Denn die Behörde fragt damit nicht etwa nach dem Namen, sondern vielmehr nach dem Status der Person, und mit Zweiterem nach der Verwendung der Information. Man könnte ja damit — nicht auszudenken! — ein Problem aufzeigen.

Dabei stehen dem Amt beide Entscheidungen nach demokratischem Verständnis nicht zu. Es dürfte nur entscheiden, ob eine Information aufgrund der Rechtslage öffentlich sein kann oder eben nicht. Dann aber Alles und für jeden, oder eben Nichts und für niemanden. Denn die Informationen gehören den Bürgerinnen und Bürgern, die Verwaltung verwaltet sie nur — auch darum heißt sie auch Verwaltung.

„Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum eigenen Vorteil“
— Transparency International

Dennoch: Manche Politiker:innen Österreichs verstehen den Begriff der „Hoheitsverwaltung“ auch 100 Jahre nach Einführung der Demokratie immer noch falsch: Sie betrachten Information als Herrschaftswissen, das die Machthaber:innen in Gutsherrenart nach Gutdünken an jene Untertan:innen verteilen, die den eigenen Zwecken dienlich sind, und jenen vorenthalten, die nicht parieren oder sogar noch kritisieren. Allein das ist bereits politischer Machtmissbrauch.

Der Bürger und die Bürgerin: Souverän des Staates

Die grundsätzliche Idee einer demokratischen Republik ist nämlich eine andere: Demnach sind Bürgerin und Bürger der Souverän des Staates; schon manifestiert im Verfassungsgrundsatz „Das Recht geht vom Volk aus.“

Folgt man dieser Idee, stellen sich Politiker:innen und Beamt:innen als dementsprechende Dienstleister dar, denen die Bürger:innen den Auftrag erteilt haben zu gestalten und zu verwalten; die aber dennoch auskunftspflichtig über Tun und Lassen bleiben. Damit stellt sich in diesem Bild eine ganz zentrale Frage: Mit welchem Recht verweigert der Dienstleister dem Auftraggeber die Auskunft?

Das Recht, auf das sich Politik und Verwaltung gern berufen, ist oft das österreichische Amtsgeheimnis. Eine in der Bundesverfassung verankerte Bestimmung, die ihre Kraft viel weniger aus ihrem tatsächlichen Wortlaut, als vielmehr seiner dehnbaren Interpretation zieht, durch die man sich trefflich dahinter verstecken kann. Kurz: Das Amtsgeheimnis wird zur Auskunftsverweigerung viel mehr oft nur vorgeschoben.

Ein Volk, das sich selbst regieren will, muss sich bewaffnen mit der Macht des Wissens. Eine öffentliche Regierung ohne öffentliche Information ist der Anfang einer Farce oder eine Tragödie — oder möglicherweise beides.“
— James Madison, US-Präsident und Co-Autor der amerikanischen Verfassung

Information ist aber die Grundlage der Demokratie; oder zumindest der sinnvollen Teilnahme daran. Auf welcher Basis sollen wir entscheiden, wenn nicht auf der von Fakten — jener, die uns jene über ihr Handeln geben, die sich wieder um ein Amt bewerben; und jener, die sie uns über ihr Handeln eben nicht geben wollen, und wir sie deshalb erfragen müssen.

Für uns Bürgerinnen und Bürger ist dies durchaus möglich: Schließlich gibt es neben dem berühmten Amtsgeheimnis auch das weitgehend unbekannte Auskunftspflichtgesetz, das jedermann das Recht einräumt, von der Verwaltung Auskunft zu verlangen — und diese eben auch antworten muss.

Gleichzeitig ist es in der Umsetzung nicht für alle Menschen gleichermaßen einfach eine treffsichere Frage über staatspolitische Vorgänge an die exakt dafür zuständige Behörde zu richten. Der erste juristisch klingende Brief kann eine:n Durchschnittsbürger:in schon ans gefühlte Ende der eigenen Möglichkeiten bringen. Einen formlosen Einspruch dagegen bei Gericht zu deponieren ist für viele außerhalb ihrer Möglichkeiten, weil persönliche Repressalien nur de jure, aber nicht de facto ausgeschlossen sind.

In unserer Idee von Gesellschaft delegieren wir diese Aufgabe also an fachkundigere Mitbürger:innen, die sich der Kontrolle unserer Dienstleister in Politik und Verwaltung verschrieben haben: die Journalist:innen.

Journalist:innen — mit Recht zu Gericht

Mit der Information in der Demokratie verhält es sich wie mit der Information in der Medizin: Der Pathologe weiß alles, nur leider zu spät. Damit sind Historiker:innen gleichsam die Patholog:innen einer Gesellschaft. Die Journalist:innen dagegen sind die Akutmediziner:innen der Republik: Sie sorgen dafür, dass wir die Informationen vor der Wahl bekommen, um informiert entscheiden zu können; und nicht erst danach, wenn es bereits zu spät ist.

Daraus leitete sich jedoch eine enorme Verantwortung für die Journalist:innen ab: Die Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass maßgebliche Informationen den Bürger:innen zum Entscheidungspunkt zur Verfügung stehen. Eine Verantwortung, zu deren Wahrnehmung wir als Gesellschaft bestimmte Rechte für sei geschaffen haben wie Pressefreiheit, Redaktionsgeheimnis oder Medienprivileg. Rechte, deren Wahrnehmung zwar implizit in der Berufsausübung passiert; die jedoch nur Schutz bieten, aber noch keinen zusätzlichen Aufwand verlangen, um sie mit Leben zu erfüllen.

Provokant gesagt dürfen Journalist:innen in Österreich zwar alles schreiben, sie dürfen nur nicht alles wissen. Genau da liegt die neue Einschränkung der Pressefreiheit: Denn Informationsverweigerung des Staates ist „Zensur an der Quelle“.

„Journalism is the first rough draft of history“
— Alan Barth & Phil Graham, Washington Post

Der beruflichen Verantwortung gegenüber den Bürger:innen umfassend gerecht zu werden, hieße aber eben auch, die zur Verfügung stehenden Mittel der verbrieften Auskunftsrechte zu nutzen und immer wieder aufs Neue auszuschöpfen.

Nur wenn Journalismus den Staat auch rechtlich dazu zwingt, jene durch Verwaltungsobjektivität gesicherten Informationen herauszugeben, die Politik oder Verwaltung aus ganz persönlicher Interessenslage eigentlich lieber geheim halten wollen, kann man davon ausgehen, dass die Kontrollfunktion im Gesellschaftsgefüge auch als solche gelebt wird.

Was fehlt: Informationsfreiheit mit Zugang zu Dokumenten

Ein echtes Recht auf Information besteht in Österreich auch 100 Jahre nach erstmaliger Ausrufung einer demokratischen Republik nicht. Und das Bestehende ist schwach ausgestaltet: So verbrieft das Auskunftspflichtgesetz nach derzeitiger Lesart (vieler Behörden) vereinfacht gesagt nur ein Recht darauf, dass der Beamte sinngemäß einen Teil dessen zusammenfasst, was er aus den ihm vorliegenden Unterlagen entnehmen kann. Es handelt sich um ein Recht auf Auskunft, nicht auf Information. Darüberhinaus ein Recht auf Zugang zu Dokumenten, wie dies international üblich und die Grundlage für viele Freedom of Information-Acts der Welt von Schweden bis in die USA üblich ist, fehlt im Wortlaut des Gesetzes und kann nur durch immer neue Prozesse vor Gericht erstritten werden.

Denn ohne Zugang zu Originaldokumenten des Staates lassen sich viele Dinge aber nicht klar verifizieren. Auch lässt sich niemand für eine falsche Auskunft verantwortlich halten, da diese oft nur mündlich erteilt wird, und man sich damit nicht auf eine rechtliche Verbindlichkeit berufen kann. Kurzum: Oft bleibt dem Journalismus nichts anderes übrig, als Hörensagen zu schreiben — und mit viel Aufwand rundum bestmöglich abzusichern.

Ein echtes entsprechendes Informationsfreiheitsgesetz, dass dieses Recht auf den Zugang zu Dokumenten gewähren würde, wurde auf Initiative des Autors und einiger Kolleg:innen vor zehn Jahren von der Politik auf oberster Ebene zwar erstmals versprochen, die Regierungsvorschläge seither enthielt aber immer wieder Lösungen, die mit chirurgischer Präzision treffsicher an diesem Ziel vorbei gingen.

Für Journalist:innen ergibt sich daraus aber die Verpflichtung zumindest die bestehenden Auskunftsrechte soweit zu nutzen, wie sie eingeräumt werden — und durch Einsprüche gegen Erstentscheidungen entsprechende Verfahren einzuleiten, mit denen die Informationsrechte durch Gerichtsentscheide Stück für Stück ausgeweitet werden.

Die Praxis zeigt, dass die Journalist:innen in Österreich, die bisher jährlich Anfragen nach dem Auskunftspflichtgesetz stellen wohl kein Dutzend voll machen. Und Journalist:innen, die Antwortverweigerungen der Republik vor Gericht bekämpfen jedes Jahr an einer Hand abzuzählen sind.

Am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft wurde das „Filing“ von „Freedom of Information-Requests“, also Recherche durch Anfragen nach dem Auskunftspflichtgesetz und deren Durchsetzung in Verfahren noch nicht Pflichtgegenstand der Journalismus-Vorlesungen.

Vielleicht sollten sie das künftig sein. Damit es nicht nocheinmal 100 Jahre dauert bis diese Presserechte auch von allen gelebt werden.

So bewerten wir das Türkis-Grüne Regierungsprogramm

Das Forum Informationsfreiheit (FOI) beurteilt die Pläne im Regierungsprogramm 2020-2024 von ÖVP und Grünen für ein modernes Informationsfreiheitsgesetz differenziert: Von allen bisherigen Ankündigungen durch Regierungen gehen diese am Weitesten, auch wenn sie leider hinter internationalen Standards zurück bleiben.

Kurzfassung

Erkennbares Engagement der Grünen als Regierungspartei

Die Grünen haben sich jahrelang für ein modernes Informationsfreiheitsgesetz eingesetzt, ohne die Möglichkeit zur Umsetzung zu haben. Nun haben sie ihre Versprechen als Regierungspartei verankert.

Gleichzeitig wurden auf ÖVP-Seite immer wieder reine Ankündigungen als Erfolge verkauft und aus reinen Lippenbekenntnissen politisches Kapital geschlagen – ohne tatsächlich etwas getan zu haben. Ganz nach dem Motto: Nicht das Erreichte zählt; sondern das Erzählte reicht.

Gesetzesentwurf muss halten was Regierungsprogramm verspricht

So handelt es sich um die vierte Regierung, die die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes verspricht – wenn auch bisher nicht so weitgehend. Erst anhand des konkreten Gesetzesentwurfs wird sich beurteilen lassen, inwiefern die Überschriften auch halten, was sie versprechen.

Verbesserungen, die hinter internationalen Standards zurück bleiben

Von allen bisherigen Ankündigungen von österreichischen Regierungen geht diese Ankündigung in Eckpunkten bisher am Weitesten, bleibt jedoch gleichzeitig noch deutlich hinter internationalen Standards, vergleichbaren anderen Staaten und sogar bereits geltenden Bürgerrechten gegenüber EU-Institutionen zurück. Und: Der Gesetzesentwurf der Neos, der bereits fertig im Parlament liegt, geht in zentralen Punkten bereits weiter, als die erste Punktation von ÖVP und Grünen im Regierungsprogramm – und darf als Benchmark betrachtet werden.

Positiv: Recht auf Information und Zugang zu Dokumenten statt Auskunft

Positiv zu bewerten sind…

– das verfassungsmäßiges Recht auf Information unabhängig von der Art ihrer Speicherung (wie dies im Vorzeigemodell des Hamburger Transparenzgesetz vorgesehen ist), statt nur Auskunft wie bisher;

– ein Zugang zu Dokumenten (wie dies international üblich ist);

– sowie die Gebührenfreiheit von Anfragen (statt wie bisher 15 bis 30 Euro)

Ebenfalls positiv…

– die Schaffung eines zentralen Transparenzregisters

– und die automatische Veröffentlichung von Gutachten und Studien sowie von Verträgen ab bestimmter Höhe

Weniger ambitioniert: Lange Antwortfristen und kein Informationsbeauftragter

Weniger ambitioniert ist, dass…

– die vorgesehen Antwort-Frist von 4 Wochen, die auf 8 Wochen ausgedehnt werden kann (während auf EU-Ebene 15 Tage gelten und andere Staaten teils sogar nur eine Woche vorsehen), womit die Transparenz-Wirkung für aktuelle politische Themen geschmälert wird

– das Programm entgegen bereits anders lautenden Ankündigungen keinen Informationsfreiheitsbeauftragten enthält, wie dies international bewährt ist (und ihn etwa Deutschland, Slowenien, das Vereinigte Königreich und viele andere Länder haben). Die laut dem Wortlaut im Regierungsprogramm auf reinen Service-Charakter für Behörden reduzierte Aufgabe bei der Datenschutzbehörde kann nicht als ausreichend erachtet werden. Hier wäre es wichtig, diese Behörde im finalen Gesetz dann auch als entsprechende Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger auszugestalten.

Fazit: Positive Punkte, aber erst der Gesetzesentwurf wird entscheidend

Das Programm enthält viele positive Punkte, die wichtig sind für ein modernes Informationsfreiheitsgesetz – und so erstmals in einem Regierungsprogramm stehen. Anhand der Punktation im Regierungsprogramm lässt sich nicht absehen, ob das geplante IFG internationalen Standards entsprechen wird. Wichtige Aspekte, etwa die Anwendung von Geheimhaltungsgründen, wie bürgerfreundlich das Gesetz gestaltet ist, oder welche Dokumente Behörden automatisch online veröffentlichen müssen, werden erst klar, wenn ein Gesetzesentwurf vorliegt. Ohne Nachbesserungen bei der 4-Wochen-Frist und dem fehlenden Informationsfreiheitsbeauftragten erscheint es jedoch unwahrscheinlich, dass Österreich vom europäischen Transparenz-Schlusslicht zum Vorreiter wird.

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Evaluierung des „Transparenzpakets“: Forderungen für den Nationalrat und die nächste Regierung

Eine aktuelle Evaluierung der geltenden Regelungen zur Parteien- und Wahlkampffinanzierung, Abgeordneteneinkünften, Medientransparenz und Lobbygesetzgebung samt detaillierten Reform-Forderungen legen der Politologe Hubert Sickinger (Beiratsvorsitzender des Forum Informationsfreiheit), Marion Breitschopf (Meine Abgeordneten), Mathias Huter (Forum Informationsfreiheit) und Florian Skrabal (DOSSIER) vor.

Der Bericht unterstreicht, dass auch nach den Diskussionen im Zuge des Ibiza-Videos und den im Sommer beschlossenen Änderungen zur Parteienfinanzierung weitere Reformen nötig sind, um endlich umfassende Transparenz, Kontrolle sowie angemessene Sanktionen bei Verstößen sicherzustellen. Die Analyse zeigt, dass es eine systematische Überarbeitung des Parteiengesetzes braucht: viele juristische und Transparenzfragen sind offen und bislang auch im Parlament und in Initiativanträgen der Parteien kaum oder gar nicht behandelt und diskutiert wurden.

Handlungsbedarf für den neuen Nationalrat und die nächste Regierung gibt es auch, um echte Transparenz bei staatlichen Inseraten, Nebentätigkeiten und möglichen Interessenskonflikten von Abgeordneten und von Lobbying-Tätigkeiten zu schaffen.

Obwohl sich fast alle Parteien – einzige Ausnahme: FPÖ – im Wahlkampf einmal mehr für ein Informationsfreiheitsgesetz ausgesprochen haben, ist Österreich weiterhin der letzte Staat der Europäischen Union, der Bürgerinnen und Bürgern kein Recht auf Zugang zu staatlichen Dokumenten einräumt.

Dieses Regelwerk war 2012 als „Transparenzpaket“ beschlossen worden, mit dem erklärten Ziel, die Integrität und Transparenz der Politik in wichtigen Bereichen zu erhöhen – Parteienfinanzierung, staatliche Inseratenausgaben, die Nebentätigkeiten von Abgeordneten und Lobbyismus wurden schärferen Regeln unterworfen – und damit Korruptionsrisiken zu bekämpfen. Bereits 2017 habe wir in einer ersten zivilgesellschaftlichen Evaluierung die Schwächen des Regelwerks dokumentiert.

Amtsgeheimnis-Award: Die Preisträger der Mauer des Schweigens 2019

Anlässlich des internationalen Right to Know-Day am 28. September verleiht das Forum Informationsfreiheit seit 2014 den Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“ an staatliche Stellen für „besondere Verdienste um die Verweigerung amtlicher Antworten“.

1. Platz: Verträge des Landes Niederösterreich

Die heurige „Mauer des Schweigens 2019“ geht an das Land Niederösterreich:In der Causa des Jugend-Asylheims Drasenhofen, für das der zuständige FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl menschenrechtlich wie vergaberechtlich in der öffentlichen Kritik stand, gibt das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung den echten Vertrag mit dem Betreiber nicht heraus. Eine Anfrage gemäß Auskunftspflichtgesetz nach dem Wortlaut des Vertrages (mit wem abgeschlossen, welche Preise ausverhandelt, wie viel schon gezahlt hat, welche Sicherheitsleistungen vereinbart, Laufzeit und Kündigungsmöglichkeit) wurde inhaltlich nicht beantwortet. Stattdessen übermittelte das Land NÖ lediglich einen Blanko-Standardvertrag, der angeblich „im Wesentlichen“ auch bei anderen Quartieren angewandt worden sein soll. Ob auch genau so bei jenem von Drasenhofen blieb damit unbeantwortet, der echte Vertrag weiter geheim – und die inhaltlichen Fragen blieben unaufgeklärt. Ein Ersuchen um einen Bescheid, um dies gerichtlich klären zu lassen, blieb ebenfalls unbeantwortet.

Die Gewinner bekommen die Mauer des Schweigens verliehen. (c) Christian MUELLER

Platz 2 und 3: Was die Bürger und das Parlament nicht wissen dürfen

Platz 2 geht an das Innenministerium für die Verweigerung der Nennung jener Menschen, die „im besonderen Interesse der Republik“ eine österreichische Staatsbürgerschaft bekommen haben. Das Interesse der Republik ist dabei oft wirtschaftlicher Natur: Die EU-Kommissarin für Justiz nennt die Ausstellung dieser sogenannten “Golden Passports” ein Sicherheitsrisiko, weil oft der Ursprung der Investitionen nicht klar ist. Was Österreichs Bürger aber nicht wissen dürfen: Wer wegen angeblicher besonderer Verdienste um das Land aber 2014 und 2015 ihre neuen Mitbürger wurden. Das Innenministerium begründet die Verweigerung mit dem Verweis auf Datenschutz und das Amtsgeheimnis –und das obwohl die Namen 2016, 2017 und 2018 im Ministerratsprotokoll öffentlich gemacht wurden. Ein entsprechendes Verfahren ist anhängig.

Und Platz 3 geht an all jene Ministerien, die gewählte Abgeordnete des Parlaments falsch informieren oder die Auskunft betreffend ausgegliederter Staatsunternehmen verweigern. Stellvertretend dafür der Lipizzaner-Fall: Bei einem Staatsbesuch mit österreichischer Wirtschaftsdelegation in Saudi Arabien schenkte der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz dem saudischen Kronprinzen einen Lipizzaner aus der spanischen Hofreitschule. Das Parlament will von der Regierung wissen, wie viel dieses Geschenk gekostet hat. Die Antworten aus dem Bundeskanzleramt, dem Wirtschaftsministerium und Umweltministerium sind widersprüchlich, wie die Rechercheplattform Addendum aufzeigt. Das für die spanische Hofreitschule zuständige Umweltministerium verweigert die Beantwortung der Anfrage des Parlaments zu den Kosten überhaupt zur Gänze. Der Grund: Das Parlament habe kein Recht Informatiosnen zu ausgegliederten Staatsbetriebe – wie der spanischen Hofreitschule – vom dafür zuständigen Ministerium zu bekommen.

Alle Infos zu den Fällen und Quellen gibt es hier.

„Goldener Informationsfilter“ für „Message Control“ der türkis-blauen Bundesregierung

Der Goldene Informationsfilter (Sonderpreis) (Foto: Gert Nepel)

Der seit vergangenem Jahr vergebene „Goldene Informationsfilter“ für den „Versuch der politischen Einschränkung von staatlichen Informationen“ geht heuer an die türkis-blaue Bundesregierung: für die von vielen JournalistInnen kritisch thematisierte Politik der „Message Control“ – insbesondere dafür, die Öffentlichkeitsarbeit der Statistik Austria, als zentraler Faktenbasis des politischen Diskurses, künftig direkt dem Kanzleramt zu unterstellen.

Sonderpreis für ÖVP, SPÖ und FPÖ betreffend Parteienfinanzierung

Einen Sonderpreis geht an ÖVP, SPÖ und FPÖ für ihr Geheimniskrämereien bei der Parteienfinanzierung: Die Spendenstückelungen (bei der ÖVP), die Vereins- und Vorfeldorganisationsfragen (bei der SPÖ) und der nicht rechtzeitig unterschrieben abgegebene Rechenschaftsbericht (der FPÖ) an den Rechnungshof zeigen, dass es ein Gesetz für komplette Offenlegung der Parteifinanzen braucht, um diverse Umgehungskonstruktionen zu unterbinden. „Ein Gesetz, auf das sich die drei großen Parteien diesen Sommer leider nicht einmal im Lichte der Geschehnisse von Ibiza heuer einigen konnten“, so Mathias Huter.

28. September – International Right to Know-Day

Der Internationale Right to Know-Day macht seit über 15 Jahren international auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor den Bürgerinnen und Bürgern aufmerksam, und wird mittlerweile auch von der UNESCO als „Access to Information-Day“ begangen.

Vergeben wird die “Mauer des Schweigens“ vom Forum Informationsfreiheit, das sich für Transparenz in Politik und Verwaltung und ein Recht der BürgerInnen auf Information einsetzt. Die nominierten Fälle stammen aus dem Anfrageportal des Forum Informationsfreiheit, FragDenStaat.at, auf dem Bürgerinnen und Bürger ihre Anfrage direkt an die Behörden stellen können – und diese von der Verwaltung auch gemäß Auskunftspflichtgesetz beantwortet werden müsste. Die Behörden sind gesetzlich zu einer Antwort verpflichtet, verweigern aber oft die Auskunft – mit unterschiedlichsten Begründungen.

Hintergrund: Die bisherigen Negativ-Preisträger der “Mauer des Schweigens”

Im Vorjahr ging „Die Mauer des Schweigens“ an die Stadt Innsbruck, für die Weigerung die Sprengelergebnisse der letzten Bürgermeisterwahl herauszugeben. Auf Platz 2 landete die niederösterreichischen Gemeinden (gemeinsam mit dem Gemeindebund, Gemeindevertreterverband und Land NÖ) dafür, Gebühren von insgesamt fast 8.000 Euro allein für die Frage anzudrohen (und teils zu verrechnen), wie vielen Menschen vor der Landtagswahl 2018 das Wahlrecht aberkannt wurde. Platz 3 ging an das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, das seine Stellungnahme zum umstrittenen Entwurf für das sogenannte „Standortentwicklungsgesetz“ nicht veröffentlichte.

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