Amtsgeheimnis-Award Mauer des Schweigens 2025 an ÖGK, Innenministerium, Vorarlberg; Goldener Informationsfilter an Justizministerium

Wien, 28 September 2025 – Anlässlich des 23. internationalen Tags der Informationsfreiheit – dem Right to Know-Day – vergibt das Forum Informationsfreiheit (FOI) den Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“ für „besondere Verdienste um die Verweigerung amtlicher Antworten“. Das Forum Informationsfreiheit hofft, diesen Preis zum letzten Mal vergeben zu müssen und Behörden das neue Informationsfreiheitsgesetz zum Anlass nehmen, so viel Transparenz wie möglich zu leben.

Die Österreichische Gesundheitskasse erhält den ersten Platz für die philosophisch besonders  wertvolle Begründung einer Auskunftsverweigerung zu Beratungskosten – nämlich, dass der Begriff „Beratung“ nicht definiert sei und deshalb die Kosten für solche Tätigkeiten nicht beauskunftet werden können. Das Bundesministerium für Inneres landet auf dem zweiten Platz wegen einer Auskunftsverweigerung zur Frage, aus welchen Gründen Polizisten entlassen wurden. Am dritten Platz landet die Bezirkshauptmannschaft Bregenz für die Geheimhaltung der Quelle eines Legionellenausbruchs, aufgrund dessen neun Menschen intensivmedizinisch betreut werden mussten.

Der Sonderpreis „Goldener Informationsfilter“ geht an das Bundesministerium für Justiz (BMJ), für die Filterung von eingehenden Informationsbegehren und die Verweigerung, Fragen die per E-Mail eingehen, zu beantworten.

Mit dem Negativ-Preis „Mauer des Schweigens“ weist die Bürgerrechts-Organisation jährlich auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor den Bürgerinnen und Bürgern hin. Nominiert werden konnten alle Fälle, bei denen österreichische Behörden Auskünfte verweigert haben, Informationen von Politik oder Verwaltung zurückgehalten wurden, oder öffentliche Kontrolle staatlicher Institutionen durch politische Bemühungen erschwert oder verhindert wurde.

Erster Preis: Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK)

für die Auskunftsverweigerung zu Beratungskosten weil der Begriff „Beratung“ nicht definiert sei

Die Zusammenlegung der Länder-Krankenkassen in die Österreichische Gesundheitskasse – versprochen wurden Verwaltungsvereinfachungen und eine „Patientenmilliarde“ – löste nicht alle Versprechen der Politik ein, brachte allerdings Beratungsunternehmen lukrative Aufträge. Der Rechnungshof bemängelte etwa: „Hochpreisige externe Berater wurden für einfache, auch intern erbringbare Tätigkeiten beauftragt“. Und die Verwaltungskosten stiegen selbst nach der Fusion. Der Abgeordnete Ralph Schallmeiner (Grüne) wollte wissen, wie hoch die Ausgaben für externe Dienstleistungen, beispielsweise eben für Beraterverträge, waren. Die absurde Antwort: „Beratung“ sei nicht definiert, deshalb können die Kosten für solche Tätigkeiten nicht beauskunftet werden. Komisch, dass sie der Rechnungshof berechnen konnte.

Zweiter Preis: Das Bundesministerium für Inneres

für die Nicht-Beantwortung einer Anfrage, für die 7 (in Worten: sieben!) Fälle erhoben werden müssten, wegen zu hohem Verwaltungsaufwand

In den vergangenen drei Jahren gab es nur sieben Fälle, in denen Polizeibeamte ihren Job verloren haben. Selbst wenn Disziplinarvergehen festgestellt werden, ist ein Jobverlust äußerst selten. Das ist prinzipiell gut, denn Beamte mit falschem Parteibuch könnten ansonsten viel zu leicht entfernt werden. Jakob Winter (Profil) wollte wissen, was sich diejenigen haben zuschulden kommen lassen, die trotzdem ihren Job verloren haben – immerhin müsste es hier um grobe Vergehen handeln. Das BMI verweigerte allerdings die Auskunft. Die Auswertung dieser sieben Fälle wäre ein zu hoher „Verwaltungsaufwand“.

Dritter Preis: Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz

für die Geheimhaltung der Quelle eines Legionellenausbruchs, aufgrund dessen neun Menschen intensivmedizinisch betreut werden mussten

Fast fünfzig Menschen erkrankten nach einem Legionellen-Ausbruch in Vorarlberg im Frühjahr, einige landeten auf der Intensivstation. Zahlreiche mögliche Quellen wurden durch die Behörden geprüft, etwa wurden gleichartige Legionellen in einem Kühlturm gefunden, der desinfiziert wurde. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz geht davon aus, dass die Quelle „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ gefunden wurde. Aber: eine Warnung oder öffentliche Aufrufe an mögliche Kontaktpersonen, sich untersuchen zu lassen, gab es nicht. Auch der ORF Vorarlberg erfährt die Quelle auf Nachfrage nicht, denn: zu den verantwortlichen Unternehmen könne man aufgrund des Amtsgeheimnisses und des Datenschutzes nichts sagen.

Goldener Informationsfilter: Bundesministerium für Justiz (BMJ)

„für den kreativen Paradigmenwechsel vom nichts-sagen zum nichts-hören“

Unser Sonderpreis „Goldener Informationsfilter“ geht an das Bundesministerium für Justiz (BMJ), für den Paradigmenwechsel vom „nichts sagen“ 🙊 der Amtsverschwiegenheit hin zum „nichts hören“ 🙉. Denn es verweigert konsequent, Anfragen zu beantworten, die Bürger:innen per E-Mail übermitteln. Im Gegensatz zum Finanzministerium, das zwar aus rechtlicher Vorsicht verhindert, dass E-Mails rechtsgültige Fristen auslösen, Fragen aber inhaltlich beantwortet, schafft das BMJ sich selbst und Anfragesteller:innen zusätzlichen Aufwand, indem per E-Mail-Antwort nach wenigen Tagen ausschließlich auf ein Online-Formular verwiesen wird, über das die Anfrage neu zu stellen sei.

Das Justizministerium bekommt also den ersten „Goldenen Informationsfilter“, bei dem es nicht um Informationsverweigerungen im Sinne eines Filters bei der Herausgabe von Informationen, sondern um einen eingehenden Filter, also die Annahmeverweigerung von Fragen von Bürgerinnen und Bürgern geht. Eine Reform, die mehr Bürger:innennähe und eine offene Verwaltung bringen soll, wird hier sofort und völlig unnötiger Weise ins Gegenteil verkehrt. Wir hoffen, der Goldene Informationsfilter motiviert das BMJ, sein Antwortverhalten zu ändern.

Weitere Nominierungen

Das Land Vorarlberg für seine Auskunftsverweigerung bezüglich der Empfänger von Corona-Förderungen, nachdem zahlreiche weitere Behörden ähnliche Verfahren verloren hatten. Es gab über 5.000 Euro für ein Gutachten aus, ob es eine Auskunftsverweigerung rechtlich vertretbar sei, gab der Gutachterin zu wenig Informationen für eine „vollumfängliche rechtliche Analyse“ – und bekam prompt vom Landesverwaltungsgericht bestätigt, dass die Auskunftsverweigerung rechtswidrig war.

Die in öffentlicher Hand stehende Agentur für Ernährungssicherheit (AGES), die auch nach Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes davon ausgeht, dass sie nicht auskunftspflichtig sei.

Die Stadt Wien, die die Standorte von Wahlplakaten der Parteien vorliegen hat, diese vor der Wahl nicht herausgab. Die Begründung: die Listen, in denen die Standorte erfasst seien, würden personenbezogene Daten enthalten. Auch das Argument, dass „interne Entscheidungsgrundlagen“ nicht anfragbar seien, das die Stadt Wien in unserem Fall schon 2018 verloren hat, machte ein Comeback. Wenig überraschend: Die Geheimhaltung hielt vor dem Verwaltungsgericht nicht, die Stadt Wien verlor.

Das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung für die Geheimhaltung des Stimmverhaltens von Landesräten bei der Änderung einer Jagdverordnung, die Schusszeiten für seltene Tiere regelt, mit folgender Begründung: „Würde das Stimmverhalten veröffentlicht werden, wäre es nicht auszuschließen, dass damit das Stimmverhalten eines Mitglieds der belangten Behörde künftig beeinflusst wäre.“ Dass öffentlicher Diskurs in der Regel als positiv für Entscheidungen wahrgenommen wird, hat sich wohl noch nicht bis nach Oberösterreich durchgesprochen.

23 Jahre Right to Know Day

Seit 23 Jahren macht die Zivilgesellschaft am 28. September, dem „Right to Know“-Day, international auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor Bürgerinnen und Bürgern aufmerksam. Der Tag wird mittlerweile auch von den UNESCO als „International Day for Universal Access to Information“ zelebriert.

Das Forum Informationsfreiheit setzt sich für ein Bürger:innen-Recht auf Zugang zu staatlicher Information sowie für Transparenz in Politik und Verwaltung ein und vergibt seit 2014 jährlich die „Mauer des Schweigens“. Viele der nominierten Fälle stammen aus dem Anfrageportal des Forum Informationsfreiheit, FragDenStaat.at. Wir freuen uns über finanzielle Unterstützung unserer Arbeit über FragDenStaat.at/spenden.

Erste Behörden untersagen Anfragen per E-Mail

Hürden für das neue Bürgerrecht schon in der ersten Woche – jahrelange Arbeit an Anfrage-Plattform FragDenStaat.at gefährdet – Barrierefreiheit fragwürdig

Eine der ersten Anfragen nach dem neuen Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bekam vom Finanzministerium in Rekordzeit eine erste Antwort – mit fatalem Inhalt. Die Behörde habe „angesichts der kurzen Fristen“ – Erinnerung: die Frist beträgt weiterhin vier Wochen – eine „Beschränkung des elektronischen Verkehrs“ verkündet. E-Mails seien zur Übermittlung von Informationsbegehren und anderen Verfahrensschritten im Zusammenhang mit dem IFG nicht zulässig.

Bei der Gelegenheit ist auch darauf hinzuweisen, dass das Informationsfreiheitsgesetz – IFG in seinem § 7 Abs. 4 normiert, dass das Verfahren über einen Antrag auf Information ein behördliches Verfahren gemäß Artikel I Abs. 2 Z 1 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008 darstellt. Um angesichts der kurzen Fristen eine gesetzmäßige Umsetzung gewährleisten zu können, wurde für elektronische Anfragen ein Kontaktformular auf der Homerpage des Bundesministeriums für Finanzen erstellt, welches durch die dazu definierten Schnittstellen eine zügige Bearbeitung durch die jeweils zuständigen Organisationseinheiten sicherstellt. Um zu verhindern, dass diese Vorkehrungen zur bestmöglichen und den Grundsätzen der Verwaltungseffizienz bei gleichzeitigem Bürgerinnen- und Bürgerservice entsprechenden Gewährleistung einer zügigen Beantwortung der Informationsbegehren unterlaufen werden, wurde zugleich in den Erklärungen zum Kontaktformular veröffentlicht, dass per E-Mail Anfragen, Anträge auf Bescheiderlassung, Säumnisbeschwerden, Beschwerden und sonstige Anbringen nach dem Informationsfreiheitsgesetz – IFG nicht zulässig sind (Beschränkung des elektronischen Verkehrs gemäß § 13 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG). Selbstverständlich sind wir dennoch bemüht, wie in gegenständlichem Fall, auch als E-Mail einlangende Informationsbegehren zügig zu beantworten.

Das einzige Kommunikationsmedium, das im Jahr 2025 jede:r benutzen kann – von der 13-jährigen, die es in der Schule lernt, zum 85-jährigen, der schon im Arbeitsleben damit gearbeitet hat – wird also von der Annahme von Anfragen nach dem neu geschaffenen Bürgerrecht ausgeschlossen. Stattdessen ein Wildwuchs von Formularen, die man jetzt einzeln überprüfen müsste: sind sie barrierefrei? Nehmen sie Anfragen aller Bürger:innen an? Bekommen Anfragesteller auch eine Empfangsbestätigung und Kopie ihrer Anfrage? Bleibt uns jetzt als einziges universelles Übertragungsprotokoll das Fax – wenn die überhaupt noch existieren?

Ist das notwendig – oder verständlich? Zuerst sei gesagt: ein Formular als zusätzliche Option, eine Anfrage zu übermitteln, könnte ein bürgerfreundlicher Schritt sein. Die Einschränkung auf die elektronische Übermittlung nur per Formular ist allerdings überschießend und explizit bürgerfeindlich. Sie ist außerdem nicht notwendig: selbst bei fünf Tagen Frist sieht zum Beispiel Estland explizit die Möglichkeit zur Übermittlung per E-Mail vor. Bereits in den Erläuterungen zum IFG wird der politische Wille klar kommuniziert: grundsätzlich sei ein relativ formloses Informationsbegehren ausreichend – und was ist ein Formular, wenn nicht eine vorgegebene Form?

Vielleicht ist die Einschränkung rechtens, aber unsere Kritik ist einerseits politisch: Hier prescht eine der größten Behörden vor und steckt in den eineinhalb Jahren, die sie an Vorbereitungszeit hatte, nicht alle Kraft in die Frage, wie man Transparenz neu leben kann – sondern hat offenbar beschlossen, dass viel oder einfach durchzusetzende Transparenz nicht in ihrem Interesse ist. Es ist das Haus, in dem Mitarbeiter:innen in Verdacht stehen „rechtswidrig Budgetmittel des österreichischen Finanzministeriums genutzt haben, um gefälschte Meinungsumfragen erstellen zu lassen“ [Wikipedia], es gilt die Unschuldsvermutung. Das Probleme hatte, diese Studien auch zu finden und am Ende einen Scan der ausgedruckten Studie (PDF) veröffentlichen musste und in dem etwa die Besetzung des Chefpostens im Finanzamts Braunau offenbar äußerst fragwürdig verlaufen zu sein scheint. Die Führungsebene genau dieses Hauses hält es offenbar im Zweifel für besser, Fragen von Bürgerinnen und Bürgern nicht rechtsgültig zu erhalten.

Untergrabung zivilgesellschaftlicher Arbeit

Eine andere Ebene unserer Kritik betrifft das von uns seit über zwölf Jahren betriebene Anfrage-Portal FragDenStaat.at. Dieses erlaubt Bürger:innnen, Anfragen an alle möglichen Behörden zu stellen – von der kleinen Gemeinde bis zu österreichischen Parlament, die es dann per E-Mail weiterleitet. Und es unterstützt die Anfragesteller:innen, indem es z.B. an auslaufende Fristen erinnert, einen guten Überblick über die laufenden Verfahren gibt. Und, Überraschung: es unterstützt Behörden, weil User:innen ihre Anfragen auch online stellen können – und nachsehen können, ob ihre Anfrage nicht schon gestellt und beantwortet wurde.

Wir waren über diese zwölf Jahre immer wieder mit verschiedenen Ministerien in Kontakt, um die Übertragung sicherzustellen. Diese unangekündigte Einschränkung trifft FragDenStaat.at im Funktionsprinzip – und tritt über ein Jahrzehnt zivilgesellschaftliche Arbeit mit den Füßen.

Wir erwarten, dass Finanzministerium und Justizministerium diese Einschränkungen zurücknehmen und zumindest eine Adresse definieren, an die die Übermittlung von Anfragen möglich ist. Anfragen über FragDenStaat.at waren die Basis für zahlreiche Erfolge vor Gericht, etwa den Zugang zu den Eurofighter-Kaufverträgen, die Offenlegung von Corona-Daten auf Gemeindeebene oder der fachlichen Begründungen zu Corona-Verordnungen. Eine Behinderung der Plattform erschwert solche Erfolge und ist ein klarer Rückschritt im Vergleich zur Zeit vor der sogenannten Abschaffung des Amtsgeheimnisses.

Bisherige Berichterstattung zum Thema:

Informationsfreiheit: Bürgerrechts-NGO feiert neues Grundrecht

Forum Informationsfreiheit veröffentlicht Anfrage-Guide und erweitert sein Portal FragDenStaat.at 

Wien, 31 August 2025 – Von Montag an gilt ein neues Grundrecht in Österreich: das Recht auf Zugang zu Informationen von staatlichen Stellen. Am 1. September treten das Informationsfreiheitsgesetz und eine Verfassungsänderung in Kraft – das Amtsgeheimnis soll nach rund 100 Jahren, zumindest auf dem Papier, Geschichte sein. 

„Österreich gibt Bürgerinnen und Bürgern als letzte Demokratie Europas das Recht auf Zugang zu staatlichen Dokumenten. Bei allen Schwächen, die die neue Regelung hat, ist sie dennoch ein Meilenstein in Richtung einer offenen, modernen Verwaltung. So werden neue Formen von Bürgerbeteiligung und öffentlicher Kontrolle möglich”, sagt Mathias Huter, Vorstandsmitglied des Forum Informationsfreiheit (FOI). Seit zwölf Jahren setzt sich die Bürgerrechtsorganisation für ein Recht auf Zugang zu Information und mehr Transparenz in Politik und Verwaltung ein. 

Um Bürgerinnen und Bürger bei Anfragen zu unterstützen, veröffentlicht das FOI heute einen Anfrage-Guide, der laufend ausgebaut und aktualisiert werden wird. 

Ebenso erweitert die NGO das Portal FragDenStaat.at, über das Anfragen einfach an staatliche Stellen gestellt, und auf Wunsch die erhaltenen Informationen auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. 

„Die Bürgerinnen und Bürger haben nun ein wichtiges neues Instrument, um Transparenz einzufordern. Dafür müssen sie aber ihr Recht kennen und es ausüben können. Wir werden weiterhin einen Kulturwandel hin zu einer offenen Verwaltung einfordern”, sagt FOI-Vorstandsmitglied Markus Hametner. 

So plant das FOI, in wichtigen Fällen gegen die Republik vor Gericht zu ziehen: „Viele wichtige Fragen, etwa wenn es um die praktische Anwendung von Geheimhaltungsgründen und um die Gewichtung des öffentlichen Interesses an Transparenz geht, werden erst von den Verwaltungsgerichten entschieden. Wir werden weiterhin fragwürdige Auskunftsverweigerungen bis vor die Höchstgerichte bringen, um durch neue Judikatur eine offene Verwaltung zu unterstützen“, sagt Hametner. 

Mehrfach hatte das FOI in Gesetzesbegutachtungen auf Schwächen hingewiesen, etwa das Fehlen einer unabhängigen Stelle für Informationsfreiheit, Hintertüren im Gesetz, die neue Geheimhaltungsgründe ermöglichen, sowie der fehlenden Sanktionen, wenn staatliche Stellen ihren Transparenzverpflichtungen nicht nachkommen. 

Für seine weitgehend durch ehrenamtliches Engagement getragene Arbeit ist das Forum Informationsfreiheit auf Spenden von Bürgerinnen und Bürgern angewiesen. Ziel ist es nun, zumindest eine Stelle zu finanzieren, um so die praktische Umsetzung der Transparenz zu unterstützen und wichtige Gerichtsverfahren führen zu können. 

Das Informationsfreiheitsgesetz erlaubt Bürgerinnen und Bürgern erstmals, Dokumente von staatlichen Stellen anzufragen. Zur Transparenz verpflichtet sind zukünftig alle Verwaltungsbehörden auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene, ebenso wie Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmen, die von der öffentlichen Hand kontrolliert werden. Staatliche Stellen sind verpflichtet, Informationen von öffentlichem Interesse, etwa Studien, Gutachten und Verträge ab 100.000 Euro aktiv online zu veröffentlichen. 

In einem nächsten Schritt will das FOI zivilgesellschaftliche Organisationen dabei unterstützen, durch gezielte Anfragen wichtige Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen. Ende September zeichnet das FOI wie jedes Jahr kreative Auslegungen des Amtsgeheimnisses mit dem Negativ-Preis „Mauer des Schweigens“ aus – Nominierungen dafür nimmt das FOI noch entgegen.

Einladung: Reinfeiern in die Informationsfreiheit

Am 1. September 2025 tritt das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft, über zehn Jahre öffentlicher Druck des Forum Informationsfreiheit und vieler Unterstützer*innen haben gewirkt.

Am letzten Abend der Ära des Amtsgeheimnisses im Verfassungsrang, am Sonntag, 31. August 2025, wollen wir uns noch einmal treffen, die letzten Jahre Revue passieren lassen, in die Zukunft schauen und unsere Leistungen und Erfolge feiern.

Agenda: Open-Stage für Kurzvorträge über die ersten Anfragen unter dem Informationsfreiheitsgesetz und Feiern unseres gemeinsamen Erfolgs – mehr Transparenz und ein neues Grundrecht auf Informationszugang. Wer möchte, kann bis Mitternacht bleiben und in den frühen Morgenstunden des 1. September in feierlicher Atmosphäre eine erste Anfrage abschicken.

Reinfeiern in die Informationsfreiheit
31. August 2025, ab 19:00 in Wien nahe dem Volkstheater

Bei Interesse bitten wir um eine Anmeldung bis zum 27. August unter office@informationsfreiheit.at

IFG-Materieanpassung: Regierungsvorschläge greifen Amtsverschwiegenheit-Kultur nicht an

Letzten Mittwoch hat die Regierung mit dem „Informationsfreiheits-Anpassungsgesetz“ ein großes Gesetzespaket ins Parlament geschickt. Damit sollen zahlreiche Gesetze an die Rechtslage nach dem „Ende des Amtsgeheimnisses“ angepasst werden.

Das Potenzial wäre groß: hier könnte in ebenso zahlreichen Gesetzen sichergestellt werden, dass ein Paradigmenwechsel hin zu mehr Transparenz eintritt und Beamte beim ersten Lesen von Materiengesetzen auch Anreize bekommen, transparent zu agieren. Wurde das Potenzial gehoben?

Um noch mit dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes am 1. September in Kraft treten zu können, müsste es in der letzten Plenartagung vor der Sommerpause vom 9. bis 11. Juli beschlossen werden.

Schon bei der Ausgestaltung der Begutachtung kamen Zweifel auf: im Vorfeld wurden zahlreiche Einzelbestimmungen veröffentlicht. Um diese Vorschläge zu sichten, analysieren und kommentieren, ließen die Ministerien oft nur 1-2 Wochen Zeit. In die Erstellung oder Ideenfindung war, soweit wir wissen, kein Akteur aus der Zivilgesellschaft eingebunden.

Nun ja: In Rekordzeit wurde nun die Kritik der Zivilgesellschaft großteils ignoriert und nach nur etwa 3 Wochen die kaum veränderte Regierungsvorlage ins Parlament geschickt.

Dienstrecht verunsichert Beamt*innen

Ein großer potenzieller Hebel im Gesetzespakets ist die Anpassung des Dienstrechts, also der Regeln für Staatsbedienstete, durch das Bundeskanzleramt. Diese halten wir für unzureichend. Künftig soll (weiterhin) dienstrechtlich geahndet werden, wenn Sachbearbeiter*innen bei der Abwägung zwischen Geheimhaltungsgründen und dem Interesse der Öffentlichkeit zu transparent agieren. Das Problem: Diese Abwägung kann von Sachbearbeiter*innen kaum rechtssicher durchgeführt werden.

Die Regierungsvorlage baut bereits im Vorfeld Druck auf Mitarbeitende auf. Das wird voraussichtlich dazu führen, dass Geheimhaltungsinteressen, wie schon jetzt, in der Regel der Vorzug gewährt wird. Ein Paradigmenwechsel würde anders aussehen. Unser Vorschlag: Statt dem Ergebnis der Abwägung muss der Prozess, die Umsetzung der internen Regeln und insbesondere die Dokumentation der Interessenabwägung und Auskunftserteilung in den Fokus der dienstrechtlichen Verpflichtungen gerückt werden. Das stellt sicher, dass transparentes Handeln nicht die Karriere von Verwaltungsbediensteten beeinträchtigt.

Gleichzeitig fehlen in der Regierungsvorlage Konsequenzen für die Missachtung oder Untergrabung der Informationsfreiheit. Während für die Missachtung der Geheimhaltungsinteressen zukünftig dienstrechtliche Konsequenzen vorgesehen sind, gilt dasselbe nicht für die Missachtung von Informationsinteressen. Dazu müssten dienstrechtliche Pflichten zur ordentlichen Beauskunftung und Dokumentation der Interessensabwägung geschaffen werden. Außerdem müsste im Dienstrecht die Löschung von Information nach Erhalt einer Anfrage sowie die bewusste Nicht-Veraktung relevanter Informationen geahndet werden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass das Umgehen der Informationsfreiheit auch Konsequenzen hat.

Vage Bestimmungen im Strafrecht

Neben dienstrechtlicher Konsequenzen können Beamt*innen auch strafrechtlich für die Weitergabe von Informationen belangt werden (§ 310 StGB). Bei der Anpassung dieses Strafbestandes durch das Justizministerium ergeben sich dieselben Probleme wie im Dienstrecht. Beamt*innen können die Abwägung wohl nicht rechtssicher treffen und sind (wie schon jetzt) im Zweifelsfall besser damit bedient, zu viel geheim zu halten, als das Interesse an Informationen gebührend zu würdigen. Daher finden wir, dass Staatsbedienstete, die nach bestem Wissen und Gewissen eine Abwägung durchführen und diese auch dokumentieren, keine negativen Konsequenzen zu fürchten haben sollen. Die bisherigen Vorschläge stellen dies nicht sicher und sollten angepasst werden.

Ebenso wie im Dienstrecht fehlen auch im Strafrecht Konsequenzen für die Missachtung oder das Untergraben der Informationsfreiheit! Damit wertet das Strafrecht die Interessen auf Geheimhaltung als ein schützenswerteres Rechtsgut als das Grundrecht auf Zugang zu Informationen und bleibt ein wichtiger Ort, wo eben kein Kulturwandel weg vom Amtsgeheimnis angestrebt wird. Wichtig wäre, dass auch die Unterdrückung von Information, die Löschung von Information nach Erhalt einer Anfrage sowie die bewusste Nicht-Veraktung relevanter Informationen mit den Mitteln des Strafrechts geahndet wird.

Übersehene Anpassung des Bundesarchivrechts

Außerdem haben wir kritisiert, dass das Bundeskanzleramt keine Anpassung des Bundesarchivgesetzes an das neue Grundrecht auf Informationszugang vorsieht. Die aktuelle Fassung des Gesetzes dürfte der neuen Verfassungslage nicht entsprechen, denn ein Zugang ist nur zu bereits freigegebenem Archivgut (etwa nach Ablauf der Schutzfrist, oder zum Zeitpunkt der Übergabe an das Archiv bereits veröffentlichtes Material) und zu Archivgut, welches die eigene Person betrifft möglich. Für eine ordentliche Umsetzung der Informationsfreiheit benötigt es aber eine allgemeine Zugangsregel zum Staatsarchiv für jede Person. Ministerien könnten also in Zukunft weiterhin (frühzeitig) Dokumente an das Staatsarchiv übergeben, um damit das Recht auf Zugang zu Informationen aus diesen Dokumenten zu umgehen. Ohne Anpassungen im Archivrecht könnte das Staatsarchiv zu einem neuen Hort der Geheimhaltung werden!

Kleine Erfolge reichen nicht aus

Auch der aus unserer Sicht verfassungswidriger Eingriff ins Grundrecht auf Zugang zu Informationen im Bildungsdokumentationsgesetz wurde in der Regierungsvorlage beibehalten. (Update 17.7.: zuvor war hier fälschlicherweise davon die Rede, dass von diesem abgesehen wurde. Wir bedauern diesen Fehler.) Hier wird vorgeschrieben, dass aggregierte Daten (etwa Durchschnittswerte) zu Schulstandorten unter dem Deckmantel des Datenschutzes geheim bleiben. Das ist unserer Einschätzung nach ein nicht notwendiges und überschießendes Sonder-Amtsgeheimnis. Der Datenschutz der Schüler*innen ist bereits durch das Informationsfreiheitsgesetz geschützt und hätte keine Ausweitung auf aggregierte Daten auf Schulebene benötigt.

Um ab September einen echten Kulturwandel weg von der Geheimniskrämerei hin zur Transparenz zu verwirklichen, ist zumindest die Anpassung des Dienstrechts hin zu Dokumentationspflichten, eine Verankerung von Informationsbegehren im Bundesarchivrecht sowie ein Strafrecht nötig, welches das Interesse an einem transparenten Staat für ebenso schützenswert hält wie die Geheimhaltungsinteressen.

Update 17.7.: Korrektur des letzten Teiles des Artikels zum Bildungsdokumentationsgesetz. Hier hatten wir fälschlicherweise den Eindruck, dass unserer Kritik am Sonder-Amtsgeheimnis für Schul-Daten Folge geleistet wurde. Dies ist in der beschlossenen Fassung nicht der Fall, das Sonder-Amtsgeheimnis bleibt bestehen.

Informationsfreiheit-Vorbereitungen: Forum Informationsfreiheit kritisiert fehlende Antworten und zu kurze Begutachtungsfristen

Über einen Monat nach der Übermittlung von Fragen zur Vorbereitung auf das Informationsfreiheitsgesetz vermisst das Forum Informationsfreiheit immer noch Antworten aus dem Kanzleramt und dem Justizministerium. Das Forum übt Kritik an der intransparenten Vorbereitung eines Gesetzes, das für mehr Transparenz sorgen sollte. „Wir haben etwa gefragt, wie künftig Anfragen gehandhabt werden, wie in Zukunft entschieden wird, welche Informationen proaktiv veröffentlicht werden und ob Schulungen durchgeführt wurden.“, so Markus Hametner, Vorstandsmitglied des Forum Informationsfreiheit. „Es sind nur mehr vier Monate Zeit und es ist noch viel zu tun, damit der mit dem Gesetz viel versprochene Paradigmenwechsel zu mehr Transparenz tatsächlich eintritt. Das Schweigen von Teilen der Regierung lässt befürchten, dass sie es mit der Transparenz nicht ernst meinen“, so Hametner weiter.

Andere Stellen zeigen vor, dass die Beantwortung der Anfragen deutlich zügiger vonstattengehen kann. So hat das Finanzministerium bereits nach eineinhalb Wochen erste Antworten geliefert, auch die Datenschutzbehörde und die Plattform data.gv.at meldeten sich innerhalb von zwei Wochen zurück.

Nach den ersten Anfragen des Forum Informationsfreiheit wurden die ersten Gesetzesvorschläge in Begutachtung geschickt. Einzelne Ministerien scheinen aber nicht viel Wert auf Feedback zu legen: Begutachtungsfristen von maximal 10 Tagen sind keine Ausnahme, etwa beim Universitäts- und Bildungsdokumentationsgesetz. „Die Behörden, denen vom Informationsfreiheitsgesetz ganze vier Wochen für einfache Antworten gewährt wird, geben der Zivilgesellschaft nicht einmal 10 Tage zum Lesen ihrer Gesetzesanpassungen“, kritisiert Markus Hametner.

Das Forum Informationsfreiheit wird trotz der kurzen Fristen zu einigen Regierungsvorlagen Stellungnahmen abgeben. In den bisher gesichteten Änderungen, auch auf Landesebene, sieht das Forum Informationsfreiheit verpasste Chancen: „Meist werden Verweise auf das Amtsgeheimnis mit Verweisen auf die Geheimhaltungskriterien im Informationsfreiheitsgesetz ersetzt. Gedanken, weniger oft in Materiengesetzen auf die Geheimhaltung zu verweisen, scheint sich niemand gemacht zu haben“. Besonders im Dienstrecht und im Strafrecht sieht das Forum Informationsfreiheit Anpassungsbedarf: „Bisher gibt es kaum Sicherheit für Beamte, die im Zweifel transparent sein wollen“. Denn im Dienstrecht und Strafrecht sind Konsequenzen für den Verrat von Geheimnissen vorgesehen. „Werden Informationen gelöscht oder rechtswidrig zurückgehalten, sind aber keine Konsequenzen vorgesehen. Unsere Forderungen für diese Legislaturperiode hatten dafür Denkansätze geliefert, die nicht aufgegriffen wurden“, so Hametner.

In Memoriam Hubert Sickinger

Mit tiefer Betroffenheit nimmt das Forum Informationsfreiheit Abschied von unserem Mitgründer Hubert Sickinger (1965-2025).

Hubert war eine wichtige Stimme für Transparenz und gegen Korruption in Österreich und eine große Stütze unserer Organisation – selbst vor ihrer Gründung. Gemeinsam mit Mitgründer Josef Barth thematisierte er 2011 mit dem Blog Amtsgeheimnis.at absurde Fälle der Informationsverweigerung. 2012 war er Mitinitiator der Kampagne Transparenzgesetz.at und verhalf der Forderung nach einem Transparenzgesetz nach Hamburger Vorbild zum Durchbruch im öffentlichen Diskurs.

Er war ein Experte im besten Sinne des Wortes: Sein fundiertes Wissen über Antikorruption und Parteienfinanzierung teilte er nicht nur mit seinen Student:innen als langjähriger Lektor an der Universität Wien, sondern auch mit den Leser:innen mehrerer Standardwerke. Auf eine korrekte mediale Berichterstattung legte Hubert viel Wert. Er nahm sich stets viel Zeit, um Politikfinanzierung in hunderten von Interviews und Hintergrundgesprächen zu erklären. Er setzte seine Expertise zum Wohl der Demokratie ein, um auf Schwachstellen hinzuweisen – was dazu beitrug, dass Probleme angegangen, Regelungen gestärkt und Transparenzlücken geschlossen wurden.

Hubert war eine laute Stimme gegen Korruption und für Transparenz in der Öffentlichkeit. Hätte er sich nicht so oft so prononciert zu Wort gemeldet, und mit so klaren Worten die Schlupflöcher in Gesetzen und die Hintertüren in manchmal vermeintlichen Verbesserungsvorschlägen thematisiert, wäre seitens der Politik viel ungetan geblieben und viele Reformen wohl nicht realisiert worden.

Dank seines ehrenamtlichen Engagements und seines tiefen Fachwissens konnten wir ausführlich zu Vorschlägen verschiedener Regierungen für mehr oder weniger geglückte Versuche, das Amtsgeheimnis abzuschaffen, Stellung nehmen. Dabei war er immer darauf bedacht, nicht nur Kritik anzubringen, sondern auch jeden positiven Schritt hervorzuheben. Auch an einem Entwurf des Forum Informationsfreiheit für eine Verfassungsänderung, die darauf abzielte, Informationsfreiheit in Österreich nachhaltig zu verankern, arbeitete er maßgeblich mit. Ebenso erarbeitete er für das Forum Informationsfreiheit Stellungnahmen zu Reformen des Parteiengesetzes, die dazu beitrugen, dass Schwachstellen erkannt und nachgebessert wurden. Unser Projekt Parteispenden.at, das vor Jahren erstmals die Rechenschaftsberichte aller Parteien maschinenlesbar aufbereitete und öffentliche Geldflüsse an Parteien dokumentierte, wäre ohne seine Unterstützung kaum möglich gewesen.

Hubert war federführend bei der Ausarbeitung umfassender Analysen des „Transparenzpakets 2012“, die wir zusammen mit Dossier und Meine Abgeordneten 2017 und 2019 veröffentlicht haben. Außerdem leistete Hubert jährlich einen unverzichtbaren Beitrag zum Projekt Demokratieindex.at, in dem er die Bewertung des Bereiches Parteienfinanzierung mitverantwortete.

Huberts Tod hinterlässt eine schmerzliche Lücke – nicht nur im Forum Informationsfreiheit, sondern in der österreichischen Zivilgesellschaft. Hubert, wir werden dich vermissen!

Markus Hametner und Mathias Huter im Namen des Forum Informationsfreiheit

In den Ländern heißt die Amtsverschwiegenheit künftig Geheimhaltung

Im Zuge der Abschaffung des Amtsgeheimnisses im Verfassungsrang werden zahlreiche Gesetze auf Landesebene angepasst, die noch auf die alte Amtsverschwiegenheit verweisen. Aktuell haben sechs der neun Länder ihre Gesetzesentwürfe zur Umsetzung der Informationsfreiheit veröffentlicht. Wir haben uns angesehen, wie das Burgenland (1, 2.1, 2.2), Kärnten, Oberösterreich, die Steiermark, Tirol und Vorarlberg (1, 2) die Informationsfreiheit umsetzen wollen.

Geheimhaltung statt Amtsverschwiegenheit

Im Großen und Ganzen folgen die vorliegenden Entwürfe einem ähnlichen Schema: Sie ersetzen bisherige Erwähnungen der Amtsverschwiegenheit in zahlreichen Landesgesetze durch Begriffe wie „Geheimhaltung“ oder „Geheimhaltungsgründe“. Einige Bundesländer wiederholen zudem die Geheimhaltungsgründe aus der Bundesverfassung wortwörtlich, anstatt direkt auf die Geheimhaltungsgründe im künftigen Art 22a Abs 2 B-VG zu referenzieren. Das stellt unseres Erachtens nach eine unnötige Dopplung dar.

Fast allen Entwürfen ist gemeinsam, dass sie in diesen Verweisen oder Copypaste-Vorgängen zumindest keine explizite Abwägung zwischen Geheimhaltungsinteressen und dem öffentlichen Interesse vorsehen. Sie übernehmen die Formulierung, dass eine Geheimhaltung  „erforderlich“ sein muss, um den Zugang zu Informationen zu verweigern – dass bei der Einschätzung, ob etwas „erforderlich“ ist, eine Abwägung mit dem BürgerInnenrecht auf Zugang zu Information nötig ist, wird aus der Lektüre der Gesetze nicht sofort klar.

Nur Oberösterreich geht hier einen Schritt weiter und verlangt zusätzlich, dass eine Geheimhaltung auch verhältnismäßig sein muss. Woanders wird beim flüchtigen Lesen, etwa wenn ein Beamter erstmals das Gesetz anwenden muss, nicht sofort klar, dass die Geheimhaltung nicht absolut ist – eine Hürde für die Transparenz in der Praxis.

Diese schlichte Übernahme der Geheimhaltung ohne den Verweis auf die Verhältnismäßigkeit zeigt, dass der versprochene Kulturwandel weg vom Amtsgeheimnis hin zur Transparenz nicht in den Ländern angekommen ist – ganz zu Schweigen davon, dass bisher nicht ersichtlich ist, dass Länder darüber nachgedacht haben, gewisse Geheimhaltungsbestimmungen zu streichen oder stark abzuschwächen.

Von konkreten Plänen in den Ländern, Transparenz durch weitergehende automatische Veröffentlichung von Informationen auszubauen, haben wir bislang auch noch nicht gehört (wenn es dafür Beispiele gibt, freuen wir uns über Hinweise!).

Keine Verbesserung bei dienstrechtlichen Verfahren

Enttäuschend ist, dass die dienstrechtlichen Verfahren kaum angepasst werden. Hier wären, wenn man den notwendigen Kulturwandel in der Verwaltung ernst nimmt, Anpassungen Richtung Transparenz besonders angemessen gewesen.

Momentan gibt es alleine Konsequenzen für zu viel Transparenz, das heißt, wenn gegen Geheimhaltungsbestimmungen verstoßen wird, jedoch keine für überschießende Geheimhaltung oder Unterwanderung der Transparenz. Im Dienstrecht hätte es die Möglichkeit gegeben, dies neu zu justieren, indem es Konsequenzen für die schikanöse Behandlung von Anfragen oder regelmäßige (rechtswidrige) Zurückhaltung von Informationen vorsieht. Das Gleiche gilt für die Nichtveraktung von relevanten Informationen oder die Löschung von Informationen nach Anfragen.

Andererseits wäre es möglich, unter gewissen Bedingungen Sicherheiten zu geben, dass zu viel Transparenz nicht dienstrechtlich geahndet werden kann. Wenn es etwa keine Wiederholungstat war, eine durchgehende Dokumentation der Anfrage und der Abwägung vorhanden ist, und so nach besten Wissen und Gewissen gearbeitet wurde, sollte klar sein: auch wenn im Ergebnis die Abwägung nicht vor Gericht hält, sollten Beamte und Verwaltungsmitarbeiter*innen sich sicher sein können, dass gelebte Transparenz ihrer Karriere nicht schadet.

Tiroler Untersuchungsausschüsse

Die Tiroler Regelung zu Untersuchungsausschüssen ist ein erfreuliches Signal in Richtung echter Transparenz. Öffentlich Bedienstete dürfen sich bei Befragungen nicht pauschal auf eine Geheimhaltungspflicht berufen. Und selbst wenn die Dienstbehörde eine Geheimhaltung für notwendig hält, kann der Verfahrensleiter im Interesse der Aufklärung eine Aussage dennoch anordnen. Das ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der demokratischen Kontrolle der Verwaltung. Leider wird dieser bisher nicht von den anderen Bundesländern mitgegangen.

Archivgesetze

Die Änderungen im Landesarchivrecht sind durchwachsen. Bei der Schutzfrist gehen die Bundesländer unterschiedlich vor. Tirol, Kärnten und Vorarlberg setzen künftig auf 20 Jahre. Kärnten hatte diese Frist bereits vorher. Das Burgenland, Oberösterreich und die Steiermark bleiben bei einer Schutzfrist von 30 Jahren. In allen Bundesländern kann der Zugang zu personenbezogenen Daten auch nach Ablauf der Frist eingeschränkt sein, wenn berechtigte Interessen Dritter betroffen sind.

Die Zugangsregeln nach Ablauf der Frist unterscheiden sich ebenfalls deutlich. Am weitesten geht Vorarlberg. Dort gibt es ein allgemeines Zugangsrecht für alle Personen, sofern keine wichtigen Geheimhaltungsgründe entgegenstehen. Tirol regelt den Zugang ähnlich dem neuen Informationsfreiheitsgesetz. Zugang wird gewährt, außer wenn öffentliche Interessen oder ein übermäßiger Verwaltungsaufwand dagegen sprechen. Kärnten ermöglicht den Zugang im Einzelfall auch vor Ablauf der Schutzfrist, wenn das öffentliche Interesse überwiegt oder die Geheimhaltungsgründe weggefallen sind.

Deutlich restriktiver ist das Burgenland. Dort ist ein Zugang vor Ablauf der Frist ausgeschlossen. Auch danach kann die Nutzung verweigert werden, etwa bei hohem Verwaltungsaufwand oder konservatorischen Bedenken. Oberösterreich und die Steiermark nehmen vorerst keine Änderungen an ihren Archivgesetzen vor. Beide erlauben den Zugang erst nach Ablauf der Schutzfrist. Es ist schwer zu sehen, dass dies mit dem Grundrecht auf Zugang zu Informationen – oder einem angekündigten Paradigmenwechsel weg von der Geheimhaltung – zusammenpasst.

Mehr Transparenz bei Landesgesetzblättern

Eine durch das Informationsfreiheitsgesetz angestoßene positive Veränderung ist, dass im Burgenland, in der Steiermark, in Tirol und in Vorarlberg künftig auch Gesetzesmaterialien mit den entsprechenden Gesetzen zu veröffentlichen sind. Gesetzesmaterialien sind Texte, die im Gesetzgebungsprozess entstehen und erklären, was mit bestimmten Regelungen gemeint ist, etwa als Erläuterung. Sie helfen dabei, unklare Begriffe zu interpretieren und den Willen des Gesetzgebers nachzuvollziehen. Für das Verständnis und die Auslegung von Gesetzen sind sie deswegen ein zentrales Hilfsmittel. Daher ist es ein wichtiger Schritt, dass sie künftig in mehreren Bundesländern gemeinsam mit den Gesetzestexten veröffentlicht werden.

Burgenländische IFG-Betreuer*innen

Eine Besonderheit hält die Burgenländische Änderung des Landes-Verfassungsgesetzes bereit. Hier wird in Artikel 69 eine Art IFG-Betreuer*in für das Amt der Landesregierung und für alle Bezirkshauptmannschaften geschaffen, indem eine Regelung für die Informationsfreiheit angepasst wurde, die bestimmt, dass es solche für die Auskunftspflicht geben soll. Diese sollen Bürger*innen “in Rechtsangelegenheiten Informationen […] erteilen und Beschwerden entgegen[…]nehmen.” Das ersetzt zwar keinen vollwertigen Informationsfreiheitsbeauftragten – dafür fehlen die Kompetenzen und Pflichten. Wir sind aber gespannt, wie die eigene Zuständigkeit mit der Bündelung der Aufgaben zur Informationserteilung und Beschwerdeentgegennahme funktionieren, und ob sie sich positiv auf die Transparenz im Burgenland auswirken wird.

Wie viel Transparenz und Korruptionsbekämpfung steckt im neuen Regierungsprogramm?

Im September dieses Jahres tritt das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft. Der neuen Bundesregierung fällt damit die Aufgabe zu, die Informationsfreiheit umzusetzen. Diese Pläne stehen in Sachen Transparenz und Korruptionsbekämpfung in ihrem Programm.

Für die Regierungsverhandlungen haben wir im September konkrete Empfehlungen für die Bereiche Transparenz und Antikorruption ausgesprochen. Daher haben wir uns angesehen, was die neue Bundesregierung zu diesen Themen ins Regierungsprogramm genommen hat:

Informationsfreiheit

Das Wort Informationsfreiheit findet sich im Regierungsprogramm zweimal. Beide Male im Kapitel “Verfassung, Menschenrechte und Verwaltung”. Konkret ist die Rede von einer  “Umfassende[n] Umsetzung der Informationsfreiheit” und der “Unterstützung aller betroffenen Stellen bei den Vorbereitungen für die Informationsfreiheit”. Damit bekennt sich die Regierung zwar grundsätzlich zum schon beschlossenen Gesetz, führt aber nicht aus, was sie unter einer “Umfassenden Umsetzung” versteht.

Unklar bleibt beispielsweise, ob eine “Umfassende Umsetzung” einen Verzicht auf Spezialgesetze bedeutet, mit denen der Gesetzgeber die Verfahrensregeln des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) in einzelnen Bereichen aufweichen könnte. Hier hätte es einen expliziten Verzicht auf solche Spezialgesetze gebraucht.

Eine Evaluierung und Nachbesserung des IFG ist jedenfalls nicht vorgesehen. Es wäre essenziell, das Gesetz nach drei Jahren zu überprüfen und gezielt in Richtung mehr Transparenz nachzuschärfen. Dabei fordern wir zumindest:

  • Die Schaffung einer unabhängigen Informationsfreiheitsbeauftragten, um die Umsetzung des IFG sowie einen Kulturwandel hin zu echter Transparenz in der Verwaltung voranzutreiben.
  • Eine Ausweitung der Veröffentlichungspflichten (zum Beispiel für Verträge mit einem Wert über 50.000 €).

Mit dem IFG wird auch die vorgesehene Verfahrensdauer bei Beschwerden gegen verweigerte Informationserteilungen auf maximal zwei Monate reduziert. Doch bereits jetzt ziehen sich Verfahren aufgrund fehlender Ressourcen oft über die gesetzlich vorgesehene Entscheidungsfrist hinaus. Damit diese Frist eingehalten werden kann, bräuchte es eine bessere personelle Ausstattung der Verwaltungsgerichte und eine rasche Nachbesetzung offener Richterposten. Diese Vorhaben stehen jedoch nicht im Regierungsprogramm.

Vielversprechend klingt, dass die österreichische Datenstrategie konsequent umgesetzt werden soll. Abzuwarten bleibt, wie konkret der angekündigte erweiterte Zugang zu öffentlichen Daten für Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie die geplante Öffnung des Zugangs zu Registern für Gemeinden und Länder umgesetzt werden.

Archivgesetz

Es wird die “Prüfung der Modernisierung der Archivierungs- und Dokumentationspflichten in der Verwaltung[…]” angekündigt. Das kann ein Schritt in die richtige Richtung sein, aber ohne klare Vorgaben bleibt ungewiss, ob daraus echte Verbesserungen folgen. Eine wirksame Reform müsste sicherstellen, dass Entscheidungsprozesse von Amtsträger*innen nachvollziehbar bleiben, private Kanäle für amtliche Kommunikation ausschließen, und das gezielte und unrechtmäßige Löschen von Nachrichten und Informationen etwa mittels „selbstlöschender Nachrichten“ verhindern.

Antikorruption

Im Bereich der Korruptionsbekämpfung gibt es einige positive Aussagen im Regierungsprogramm. Die angekündigte “Stärkung der Qualität und Effektivität von Korruptionsermittlungen” und die “Überprüfung der Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung […]” sind wichtige Punkte. Insbesondere die angekündigte Schaffung einer Bundesstaatsanwaltschaft, die statt der Justizministerin an der Weisungsspitze der Staatsanwaltschaften stehen soll, kann die Risiken einer politischen Einflussnahme in Verfahren reduzieren. Eine umfassende nationale Antikorruptionsstrategie mit detaillierten Plänen und regelmäßiger Überprüfung, wie wir sie fordern, fehlt. Damit bleibt abzuwarten, welche konkreten Schritte gesetzt werden, um diese Vorhaben wirksam umzusetzen.

Wir begrüßen, dass beim Schutz von Hinweisgebern Gesetze gegen sogenannte “SLAPP-Klagen” vorgesehen sind, “um missbräuchliche Klagen zur Einschüchterung von Whistleblowerinnen oder Whistleblowern” zu verhindern. Jedoch sind auch andere Akteure, etwa Journalist*innen und Medien von SLAPP-Klagen betroffen, für die dieser Schutz ebenfalls gelten sollte. Dieser Schutz findet sich im Regierungsprogramm im Kapitel Zivilrecht, muss unserer Ansicht nach aber ebenfalls für den öffentlichen Bereich gelten. Der Absatz zum Schutz von Arbeitnehrmer*innen im Öffentlichen Dienst zum “Schutz vor ungerechtfertigten Einflussnahmen ([…] Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, Korruptionsbekämpfung)” stimmt uns diesbezüglich zuversichtlich.

Parteiengesetz

Die im Regierungsprogramm angekündigte Evaluierung, inklusive Lückenschluss im Parteiengesetz unter Einbindung von Expert*innen, ist dringend notwendig. Allerdings bleibt die neue Regierung an dieser Stelle ebenfalls vage, was darunter zu verstehen ist. Ein erfolgreicher Lückenschluss müsste jedenfalls die Einführung eines neuen Straftatbestands der illegalen Parteienfinanzierung umfassen.

Aus unserer Sicht braucht es zumindest die Offenlegung der Wahlkampffinanzierung vor der Wahl. Außerdem muss unterbunden werden, dass staatliche oder staatsnahe Stellen in Partei-Medien Inserate schalten oder Sponsoring betreiben. Darüber hinaus sollten die aktuellen Bestimmungen auch auf die Parlamentsklubs und Wahlkämpfe zum Bundespräsidenten ausgeweitet werden.

Fehlende Punkte

Besonders vermissen wir im Regierungsprogramm den Beitritt zur Tromsø-Konvention des Europarates, die internationale Mindeststandards zum Zugang zu amtlichen Dokumenten festlegt. Ebenso fehlt der Beitritt zur Open Government Partnership. Durch gemeinsame Aktionspläne würde diese eine bessere Zusammenarbeit von Regierung und Zivilgesellschaft bewirken. Zusätzlich bekäme Österreich einen besseren Zugang zu internationalen Best-Practice-Beispielen.

Eine Offenlegung von wirtschaftlichen Interessen und damit einhergehenden Interessenkonflikten von Abgeordneten, Regierungsmitgliedern, leitenden Beamt*innen und weiteren Entscheidungsträger*innen fehlt ebenfalls. Im Bereich des Parlamentarismus gäbe es zudem die Möglichkeit, mit der der Verabschiedung eines echten Code of Conduct Abgeordneten Anleitungen zum Umgang mit Interessenkonflikten, Geschenken, Einladungen, usw. mitzugeben. Die Verwendung der Abstimmungsanlagen im Parlament könnte zusätzliche Transparenz des Abstimmungsverhaltens der Abgeordneten schaffen.

Aktuell sind bei Rechtsstreitigkeiten zum Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG) die ordentlichen Gerichte zuständig. Da es bei der Informationsweitergabe nach dem IWG in der Regel um staatliche Informationen und Datensätze geht, fordern wir, dass stattdessen die Verwaltungsgerichte zuständig sein sollen. Dort gibt es nämlich kein Risiko eines teuren Verfahrens durch hohe Gerichtsgebühren oder die Übernahme von Anwaltskosten.

Obwohl das Regierungsprogramm einige positive Ansätze enthält, mangelt es an ambitionierten Vorhaben. Viele Punkte bleiben vage, sodass offen ist, welche Fortschritte tatsächlich erzielt werden. Letztlich wird die Umsetzung entscheidend sein, wir werden die Regierung bei Gelegenheit an unsere Forderungen erinnern.