IFG-Materieanpassung: Regierungsvorschläge greifen Amtsverschwiegenheit-Kultur nicht an
Letzten Mittwoch hat die Regierung mit dem „Informationsfreiheits-Anpassungsgesetz“ ein großes Gesetzespaket ins Parlament geschickt. Damit sollen zahlreiche Gesetze an die Rechtslage nach dem „Ende des Amtsgeheimnisses“ angepasst werden.
Das Potenzial wäre groß: hier könnte in ebenso zahlreichen Gesetzen sichergestellt werden, dass ein Paradigmenwechsel hin zu mehr Transparenz eintritt und Beamte beim ersten Lesen von Materiengesetzen auch Anreize bekommen, transparent zu agieren. Wurde das Potenzial gehoben?
Um noch mit dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes am 1. September in Kraft treten zu können, müsste es in der letzten Plenartagung vor der Sommerpause vom 9. bis 11. Juli beschlossen werden.
Schon bei der Ausgestaltung der Begutachtung kamen Zweifel auf: im Vorfeld wurden zahlreiche Einzelbestimmungen veröffentlicht. Um diese Vorschläge zu sichten, analysieren und kommentieren, ließen die Ministerien oft nur 1-2 Wochen Zeit. In die Erstellung oder Ideenfindung war, soweit wir wissen, kein Akteur aus der Zivilgesellschaft eingebunden.
Nun ja: In Rekordzeit wurde nun die Kritik der Zivilgesellschaft großteils ignoriert und nach nur etwa 3 Wochen die kaum veränderte Regierungsvorlage ins Parlament geschickt.
Dienstrecht verunsichert Beamt*innen
Ein großer potenzieller Hebel im Gesetzespakets ist die Anpassung des Dienstrechts, also der Regeln für Staatsbedienstete, durch das Bundeskanzleramt. Diese halten wir für unzureichend. Künftig soll (weiterhin) dienstrechtlich geahndet werden, wenn Sachbearbeiter*innen bei der Abwägung zwischen Geheimhaltungsgründen und dem Interesse der Öffentlichkeit zu transparent agieren. Das Problem: Diese Abwägung kann von Sachbearbeiter*innen kaum rechtssicher durchgeführt werden.
Die Regierungsvorlage baut bereits im Vorfeld Druck auf Mitarbeitende auf. Das wird voraussichtlich dazu führen, dass Geheimhaltungsinteressen, wie schon jetzt, in der Regel der Vorzug gewährt wird. Ein Paradigmenwechsel würde anders aussehen. Unser Vorschlag: Statt dem Ergebnis der Abwägung muss der Prozess, die Umsetzung der internen Regeln und insbesondere die Dokumentation der Interessenabwägung und Auskunftserteilung in den Fokus der dienstrechtlichen Verpflichtungen gerückt werden. Das stellt sicher, dass transparentes Handeln nicht die Karriere von Verwaltungsbediensteten beeinträchtigt.
Gleichzeitig fehlen in der Regierungsvorlage Konsequenzen für die Missachtung oder Untergrabung der Informationsfreiheit. Während für die Missachtung der Geheimhaltungsinteressen zukünftig dienstrechtliche Konsequenzen vorgesehen sind, gilt dasselbe nicht für die Missachtung von Informationsinteressen. Dazu müssten dienstrechtliche Pflichten zur ordentlichen Beauskunftung und Dokumentation der Interessensabwägung geschaffen werden. Außerdem müsste im Dienstrecht die Löschung von Information nach Erhalt einer Anfrage sowie die bewusste Nicht-Veraktung relevanter Informationen geahndet werden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass das Umgehen der Informationsfreiheit auch Konsequenzen hat.
Vage Bestimmungen im Strafrecht
Neben dienstrechtlicher Konsequenzen können Beamt*innen auch strafrechtlich für die Weitergabe von Informationen belangt werden (§ 310 StGB). Bei der Anpassung dieses Strafbestandes durch das Justizministerium ergeben sich dieselben Probleme wie im Dienstrecht. Beamt*innen können die Abwägung wohl nicht rechtssicher treffen und sind (wie schon jetzt) im Zweifelsfall besser damit bedient, zu viel geheim zu halten, als das Interesse an Informationen gebührend zu würdigen. Daher finden wir, dass Staatsbedienstete, die nach bestem Wissen und Gewissen eine Abwägung durchführen und diese auch dokumentieren, keine negativen Konsequenzen zu fürchten haben sollen. Die bisherigen Vorschläge stellen dies nicht sicher und sollten angepasst werden.
Ebenso wie im Dienstrecht fehlen auch im Strafrecht Konsequenzen für die Missachtung oder das Untergraben der Informationsfreiheit! Damit wertet das Strafrecht die Interessen auf Geheimhaltung als ein schützenswerteres Rechtsgut als das Grundrecht auf Zugang zu Informationen und bleibt ein wichtiger Ort, wo eben kein Kulturwandel weg vom Amtsgeheimnis angestrebt wird. Wichtig wäre, dass auch die Unterdrückung von Information, die Löschung von Information nach Erhalt einer Anfrage sowie die bewusste Nicht-Veraktung relevanter Informationen mit den Mitteln des Strafrechts geahndet wird.
Übersehene Anpassung des Bundesarchivrechts
Außerdem haben wir kritisiert, dass das Bundeskanzleramt keine Anpassung des Bundesarchivgesetzes an das neue Grundrecht auf Informationszugang vorsieht. Die aktuelle Fassung des Gesetzes dürfte der neuen Verfassungslage nicht entsprechen, denn ein Zugang ist nur zu bereits freigegebenem Archivgut (etwa nach Ablauf der Schutzfrist, oder zum Zeitpunkt der Übergabe an das Archiv bereits veröffentlichtes Material) und zu Archivgut, welches die eigene Person betrifft möglich. Für eine ordentliche Umsetzung der Informationsfreiheit benötigt es aber eine allgemeine Zugangsregel zum Staatsarchiv für jede Person. Ministerien könnten also in Zukunft weiterhin (frühzeitig) Dokumente an das Staatsarchiv übergeben, um damit das Recht auf Zugang zu Informationen aus diesen Dokumenten zu umgehen. Ohne Anpassungen im Archivrecht könnte das Staatsarchiv zu einem neuen Hort der Geheimhaltung werden!
Kleine Erfolge reichen nicht aus
Lediglich der aus unserer Sicht verfassungswidriger Eingriff ins Grundrecht auf Zugang zu Informationen im Bildungsdokumentationsgesetz wurde in der Regierungsvorlage behoben. Hier wurde vorgeschlagen, dass aggregierte Daten (etwa Durchschnittswerte) zu Schulstandorten unter dem Deckmantel des Datenschutzes geheim bleiben. Das wäre unserer Einschätzung nach ein nicht notwendiges und überschießendes Sonder-Amtsgeheimnis gewesen. Der Datenschutz der Schüler*innen ist bereits durch das Informationsfreiheitsgesetz geschützt und hätte keine Ausweitung auf aggregierte Daten auf Schulebene benötigt.
Nur an dieser Stelle ging die Regierung auf unsere Kritik ein und hat dieses Sonder-Amtsgeheimnis aus dem Entwurf gestrichen. Das sehen wir zwar als Erfolg, aber um ab September einen echten Kulturwandel weg von der Geheimniskrämerei hin zur Transparenz zu verwirklichen, benötigt es mehr als das Streichen ohnehin verfassungswidriger Paragrafen. Es benötigt zumindest die Anpassung des Dienstrechts hin zu Dokumentationspflichten, eine Verankerung von Informationsbegehren im Bundesarchivrecht sowie ein Strafrecht, welches das Interesse an einem transparenten Staat für ebenso schützenswert hält wie die Geheimhaltungsinteressen.