Amtsgeheimnis-Award Mauer des Schweigens 2025 an ÖGK, Innenministerium, Vorarlberg; Goldener Informationsfilter an Justizministerium
Wien, 28 September 2025 – Anlässlich des 23. internationalen Tags der Informationsfreiheit – dem Right to Know-Day – vergibt das Forum Informationsfreiheit (FOI) den Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“ für „besondere Verdienste um die Verweigerung amtlicher Antworten“. Das Forum Informationsfreiheit hofft, diesen Preis zum letzten Mal vergeben zu müssen und Behörden das neue Informationsfreiheitsgesetz zum Anlass nehmen, so viel Transparenz wie möglich zu leben.
Die Österreichische Gesundheitskasse erhält den ersten Platz für die philosophisch besonders wertvolle Begründung einer Auskunftsverweigerung zu Beratungskosten – nämlich, dass der Begriff „Beratung“ nicht definiert sei und deshalb die Kosten für solche Tätigkeiten nicht beauskunftet werden können. Das Bundesministerium für Inneres landet auf dem zweiten Platz wegen einer Auskunftsverweigerung zur Frage, aus welchen Gründen Polizisten entlassen wurden. Am dritten Platz landet die Bezirkshauptmannschaft Bregenz für die Geheimhaltung der Quelle eines Legionellenausbruchs, aufgrund dessen neun Menschen intensivmedizinisch betreut werden mussten.
Der Sonderpreis „Goldener Informationsfilter“ geht an das Bundesministerium für Justiz (BMJ), für die Filterung von eingehenden Informationsbegehren und die Verweigerung, Fragen die per E-Mail eingehen, zu beantworten.
Mit dem Negativ-Preis „Mauer des Schweigens“ weist die Bürgerrechts-Organisation jährlich auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor den Bürgerinnen und Bürgern hin. Nominiert werden konnten alle Fälle, bei denen österreichische Behörden Auskünfte verweigert haben, Informationen von Politik oder Verwaltung zurückgehalten wurden, oder öffentliche Kontrolle staatlicher Institutionen durch politische Bemühungen erschwert oder verhindert wurde.

Erster Preis: Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK)
für die Auskunftsverweigerung zu Beratungskosten weil der Begriff „Beratung“ nicht definiert sei
Die Zusammenlegung der Länder-Krankenkassen in die Österreichische Gesundheitskasse – versprochen wurden Verwaltungsvereinfachungen und eine „Patientenmilliarde“ – löste nicht alle Versprechen der Politik ein, brachte allerdings Beratungsunternehmen lukrative Aufträge. Der Rechnungshof bemängelte etwa: „Hochpreisige externe Berater wurden für einfache, auch intern erbringbare Tätigkeiten beauftragt“. Und die Verwaltungskosten stiegen selbst nach der Fusion. Der Abgeordnete Ralph Schallmeiner (Grüne) wollte wissen, wie hoch die Ausgaben für externe Dienstleistungen, beispielsweise eben für Beraterverträge, waren. Die absurde Antwort: „Beratung“ sei nicht definiert, deshalb können die Kosten für solche Tätigkeiten nicht beauskunftet werden. Komisch, dass sie der Rechnungshof berechnen konnte.
Zweiter Preis: Das Bundesministerium für Inneres
für die Nicht-Beantwortung einer Anfrage, für die 7 (in Worten: sieben!) Fälle erhoben werden müssten, wegen zu hohem Verwaltungsaufwand
In den vergangenen drei Jahren gab es nur sieben Fälle, in denen Polizeibeamte ihren Job verloren haben. Selbst wenn Disziplinarvergehen festgestellt werden, ist ein Jobverlust äußerst selten. Das ist prinzipiell gut, denn Beamte mit falschem Parteibuch könnten ansonsten viel zu leicht entfernt werden. Jakob Winter (Profil) wollte wissen, was sich diejenigen haben zuschulden kommen lassen, die trotzdem ihren Job verloren haben – immerhin müsste es hier um grobe Vergehen handeln. Das BMI verweigerte allerdings die Auskunft. Die Auswertung dieser sieben Fälle wäre ein zu hoher „Verwaltungsaufwand“.
Dritter Preis: Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz
für die Geheimhaltung der Quelle eines Legionellenausbruchs, aufgrund dessen neun Menschen intensivmedizinisch betreut werden mussten
Fast fünfzig Menschen erkrankten nach einem Legionellen-Ausbruch in Vorarlberg im Frühjahr, einige landeten auf der Intensivstation. Zahlreiche mögliche Quellen wurden durch die Behörden geprüft, etwa wurden gleichartige Legionellen in einem Kühlturm gefunden, der desinfiziert wurde. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz geht davon aus, dass die Quelle „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ gefunden wurde. Aber: eine Warnung oder öffentliche Aufrufe an mögliche Kontaktpersonen, sich untersuchen zu lassen, gab es nicht. Auch der ORF Vorarlberg erfährt die Quelle auf Nachfrage nicht, denn: zu den verantwortlichen Unternehmen könne man aufgrund des Amtsgeheimnisses und des Datenschutzes nichts sagen.

Goldener Informationsfilter: Bundesministerium für Justiz (BMJ)
„für den kreativen Paradigmenwechsel vom nichts-sagen zum nichts-hören“
Unser Sonderpreis „Goldener Informationsfilter“ geht an das Bundesministerium für Justiz (BMJ), für den Paradigmenwechsel vom „nichts sagen“ 🙊 der Amtsverschwiegenheit hin zum „nichts hören“ 🙉. Denn es verweigert konsequent, Anfragen zu beantworten, die Bürger:innen per E-Mail übermitteln. Im Gegensatz zum Finanzministerium, das zwar aus rechtlicher Vorsicht verhindert, dass E-Mails rechtsgültige Fristen auslösen, Fragen aber inhaltlich beantwortet, schafft das BMJ sich selbst und Anfragesteller:innen zusätzlichen Aufwand, indem per E-Mail-Antwort nach wenigen Tagen ausschließlich auf ein Online-Formular verwiesen wird, über das die Anfrage neu zu stellen sei.

Das Justizministerium bekommt also den ersten „Goldenen Informationsfilter“, bei dem es nicht um Informationsverweigerungen im Sinne eines Filters bei der Herausgabe von Informationen, sondern um einen eingehenden Filter, also die Annahmeverweigerung von Fragen von Bürgerinnen und Bürgern geht. Eine Reform, die mehr Bürger:innennähe und eine offene Verwaltung bringen soll, wird hier sofort und völlig unnötiger Weise ins Gegenteil verkehrt. Wir hoffen, der Goldene Informationsfilter motiviert das BMJ, sein Antwortverhalten zu ändern.
Weitere Nominierungen
Das Land Vorarlberg für seine Auskunftsverweigerung bezüglich der Empfänger von Corona-Förderungen, nachdem zahlreiche weitere Behörden ähnliche Verfahren verloren hatten. Es gab über 5.000 Euro für ein Gutachten aus, ob es eine Auskunftsverweigerung rechtlich vertretbar sei, gab der Gutachterin zu wenig Informationen für eine „vollumfängliche rechtliche Analyse“ – und bekam prompt vom Landesverwaltungsgericht bestätigt, dass die Auskunftsverweigerung rechtswidrig war.
Die in öffentlicher Hand stehende Agentur für Ernährungssicherheit (AGES), die auch nach Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes davon ausgeht, dass sie nicht auskunftspflichtig sei.
Die Stadt Wien, die die Standorte von Wahlplakaten der Parteien vorliegen hat, diese vor der Wahl nicht herausgab. Die Begründung: die Listen, in denen die Standorte erfasst seien, würden personenbezogene Daten enthalten. Auch das Argument, dass „interne Entscheidungsgrundlagen“ nicht anfragbar seien, das die Stadt Wien in unserem Fall schon 2018 verloren hat, machte ein Comeback. Wenig überraschend: Die Geheimhaltung hielt vor dem Verwaltungsgericht nicht, die Stadt Wien verlor.
Das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung für die Geheimhaltung des Stimmverhaltens von Landesräten bei der Änderung einer Jagdverordnung, die Schusszeiten für seltene Tiere regelt, mit folgender Begründung: „Würde das Stimmverhalten veröffentlicht werden, wäre es nicht auszuschließen, dass damit das Stimmverhalten eines Mitglieds der belangten Behörde künftig beeinflusst wäre.“ Dass öffentlicher Diskurs in der Regel als positiv für Entscheidungen wahrgenommen wird, hat sich wohl noch nicht bis nach Oberösterreich durchgesprochen.
23 Jahre Right to Know Day
Seit 23 Jahren macht die Zivilgesellschaft am 28. September, dem „Right to Know“-Day, international auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor Bürgerinnen und Bürgern aufmerksam. Der Tag wird mittlerweile auch von den UNESCO als „International Day for Universal Access to Information“ zelebriert.
Das Forum Informationsfreiheit setzt sich für ein Bürger:innen-Recht auf Zugang zu staatlicher Information sowie für Transparenz in Politik und Verwaltung ein und vergibt seit 2014 jährlich die „Mauer des Schweigens“. Viele der nominierten Fälle stammen aus dem Anfrageportal des Forum Informationsfreiheit, FragDenStaat.at. Wir freuen uns über finanzielle Unterstützung unserer Arbeit über FragDenStaat.at/spenden.


