Forum Informationsfreiheit begrüßt Transparenzpaket-Beratungen im Parlament

Von Grünen-Klubobfrau Maurer angekündigte Einbindung von Opposition und Zivilgesellschaft in Gesetzesvorbereitungen sind wichtiger Schritt Richtung echter Transparenz 

Wien, 21. Mai 2020 – Das Forum Informationsfreiheit (FOI) begrüßt die Ankündigung der Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, dass im Parlament über den Sommer Beratungen zum Beschluss eines Transparenzpaketes stattfinden werden. Bis zum Herbst sollen Gesetzesentwürfe entwickelt und bis Jahresende beschlossen werden, sagte Maurer im Ö1-Mittagsjournal und einem Kurier-Bericht am Mittwoch.

Besonders erfreulich ist die Ankündigung, dass in die Beratungen zum Transparenzpaket alle Oppositionsparteien sowie Experten aus der Zivilgesellschaft einbezogen werden sollen. „Unter früheren Regierungen wurde ausschließlich hinter verschlossenen Türen über ein mögliches Transparenzgesetz verhandelt. Das Ergebnis ist bekannt: es blieb beim Amtsgeheimnis, die Entwürfe der SPÖ-ÖVP-Regierung waren äußerst unambitioniert. Beratungen für ein Transparenzpaket im Parlament mit breiter Einbindung von Zivilgesellschaft und Opposition sind ein erfolgversprechender Weg, um sicherzustellen, dass am Ende auch wirklich mehr Transparenz im Interesse der Bürgerinnen und Bürger herauskommt”, sagt FOI-Vorstand Mathias Huter.

„Mit dem Antrag der Grünen aus dem Jahr 2013 zu einer Verfassungsbestimmung für ein Bürgerrecht auf Zugang zu staatlicher Information sowie dem jüngsten Antrag der NEOS, der bereits einen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz liefert, gibt es bereits eine gute Grundlage für Gespräche”, sagt Huter. „Das Ziel ist klar: Österreich muss endlich vom europäischen Transparenz-Schlusslicht zum Vorreiter werden. Dafür braucht es neben mehr Transparenz der Parteifinanzen und einer Stärkung der Kontrollrechte des Rechnungshofs insbesondere ein Informationsfreiheitsgesetz nach internationalen Standards. Dazu gehört neben einem Bürgerrecht auf Informationszugang auch eine Veröffentlichungspflicht von Dokumenten, Daten und Informationen durch die öffentliche Hand, die von öffentlichem Interesse sind.”

Solche Veröffentlichungspflichten würden etwa in Zukunft ermöglichen, dass die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, welche Unternehmen von Milliarden-Hilfen der öffentlichen Hand profitieren, auf welcher Informationsgrundlage politische Entscheidungen getroffen werden und wie Steuergelder im Detail verwendet werden.

Österreich ist das letzte EU-Staat, der JournalistInnen, Nicht-Regierungsorganisationen und BürgerInnen kein Recht auf Zugang zu staatlichen Dokumenten einräumt. So bleiben etwa staatliche Studien, Gutachten, Aufträge und Unternehmens-Förderungen bislang bis auf Ausnahmen geheim.

Das Forum Informationsfreiheit engagiert sich seit 2013 für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, ein Bürgerrecht auf Zugang zu staatlicher Information sowie für mehr Transparenz in Politik und Verwaltung. Der Verein betreibt die Bürgerplattform FragDenStaat.at, über die BürgerInnen bereits knapp 2.000 Auskunftsbegehren an die Verwaltung gestellt haben, sowie die neue Transparenzplattform OffeneVergaben.at, über die erstmals in Österreich staatliche Aufträge über 50.000 Euro nachvollziehbar werden. Im Herbst hat das FOI, in Zusammenarbeit mit Hubert Sickinger, Dossier.at, und MeineAbgeordneten, einen aktualisierten Forderungskatalog für nötige Transparenz-Verbesserungen vorgelegt.

 

Rückfragehinweis:
Mathias Huter
Mitglied des Vorstands, Forum Informationsfreiheit
+43 699 126 39 244
mathias.huter@informationsfreiheit.at

Aussendung: Forum Informationsfreiheit fordert Corona-Transparenzgesetz

– Bürgerrechtsorganisation für Sonderregeln, um gebotene Transparenz und Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns in Krisenzeit sicherzustellen. 

– Neue Transparenz-Plattform OffeneVergaben.at listet Informationen zu staatlichen Aufträgen

Wien, 27. April 2020 – Ein Sondergesetz für ausreichende Transparenz von Regierungsentscheidungen und der Verwendung öffentlicher Mittel in der Corona-Krise fordert das Forum Informationsfreiheit (FOI). 

Für das FOI sind im Schatten der Corona-Krisenmaßnahmen viele Aspekte staatlichen Handelns für die Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend nachvollziehbar. Gerade aber in einer Zeit, in der Grundrechte und Bürgerrechte merkbar eingeschränkt sind und Steuergeld in großem Umfang bereitgestellt werden, ist ein hohes Maß an Transparenz bei der Entscheidungsfindung durch die Politik unabdingbar. Nach Setzung dringender Maßnahmen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sind Regierung und Parlament nun gefordert, effektiven Informationszugang für die Öffentlichkeit sicherzustellen, um die demokratische Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, das Vertrauen in die staatlichen Institutionen sicherzustellen und eventueller unrechtmäßiger Bereicherung vorzubeugen.

Unter anderem in folgenden Punkten fehlt es aus Sicht des FOI heute an Transparenz: 

  • Regierungs-Entscheidungen: Welche Daten, Informationen, Modelle und Studien dienen Regierung und Behörden als Grundlage für Entscheidungen, Verordnungen und Gesetzesvorlagen?
  • Regierungs-Berater: Wer berät die Regierung und hat so Zugang zu vertraulichen Informationen? Welche Maßnahmen werden gesetzt, insbesondere bei ehrenamtlich und informell tätigen Beratern, um Interessenkonflikte und Informationsmissbrauch zu verhindern?
  • Staatshilfe: Welche Unternehmen, Organisationen und Institutionen erhalten Sonderhilfe von der öffentlichen Hand, in welcher Höhe, in welcher Form und zu welchen Konditionen?
  • Krisenmanagement: Wie wird Transparenz der Tätigkeit von nicht-staatlichen Organisationen sichergestellt, denen die Regierung de facto öffentliche Aufgaben in der Bewältigung der Corona-Krise und bei der Verteilung öffentlicher Mittel zugewiesen hat? Dies auch, damit diesen nicht zu Unrecht etwaiges Misstrauen entgegengebracht wird.
  • Beschaffungen: Welche Aufträge erteilen und welche Beschaffungen tätigen staatliche Stellen, insbesondere Not-Beschaffungen ohne Ausschreibung und Bieterverfahren? Zwar haben staatliche Stellen einige erteilte Aufträge mit Covid-19 bzw. Corona-Bezug veröffentlicht, wie aus den über die Transparenzplattform OffeneVergaben.at zugänglichen Daten hervorgeht. Jedoch wurden zu zahlreichen in den Medien berichteten Beschaffungen, etwa von medizinischer Ausrüstung, bislang keine Details veröffentlicht. 

„Die Politik hat es viel zu lange verabsäumt, ein wirksames Transparenzgesetz zu verabschieden. Das führt insbesondere während der Krise zu einem völlig unzureichenden Informationszugang. Grund genug, jetzt rasch echte Transparenz zu schaffen“, sagt Mathias Huter, Transparenz-Experte des Forum Informationsfreiheit. 

„Es werden gerade Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln verteilt. In Krisenzeiten braucht es mehr denn je eine umfassende Kontrolle durch die Öffentlichkeit, um Missbrauch zu verhindern und Vertrauen in das Handeln der Entscheidungsträger und der involvierten Behörden und Organisationen sicherzustellen“, betont Huter.  

Eine Veröffentlichung von Daten zu sämtlichen Corona-Beschaffungen würde etwa für Krankenhäuser nachvollziehbar machen, welche Lieferanten in Krisenzeiten verlässlich liefern – und welche Verkäufer schadhafte Produkte an das Gesundheitssystem verkaufen und so die dort tätigen und behandelten Personen gefährden. 

OffeneVergaben.at: Neue Transparenzplattform für Aufträge der öffentlichen Hand

Auf der Plattform OffeneVergaben.at bereitet das Forum Informationsfreiheit ab sofort erstmals in Österreich alle verfügbaren Daten zu rund 10.000 Ausschreibungen der öffentlichen Hand sowie zu rund 16.000 erteilten Aufträgen mit einem Volumen über 50.000 Euro auf, die seit März 2019 vergeben wurden. Die Daten werden automatisch täglich aktualisiert. 

Damit soll eine Nachvollziehbarkeit der Verwendung öffentlicher Mittel für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und auch die öffentliche Hand geschaffen werden – soweit dies auf Basis der geltenden verbesserungsbedürftigen Transparenzpflichten möglich ist. 

Gerade was die Beschaffungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Krise betrifft, scheint es bislang Daten zu deutlich weniger staatlichen Aufträgen zu geben als den laut Regierung und Medienberichten bislang getätigten Käufen. Dies würde bedeuten, dass staatliche Stellen getätigte größere Beschaffungen nicht im Nachhinein offenlegen, was eine öffentliche Kontrolle weitgehend verhindert. 

Ermöglicht wird das Projekt OffeneVergaben.at durch eine Unterstützung der Netidee, einer Förderaktion der Internet Privatstiftung Austria (IPA). 

Rückfragehinweis: 

Mathias Huter
Forum Informationsfreiheit
mathias.huter@informationsfreiheit.at
+43 699 126 39 244

Zensur an der Quelle: Ein Journalismus ohne Recht auf Information

Erstmals erschienen in der Fachzeitschrift “Medien & Zeit”, Heft 3/2019:
Journalismus in Österreich Herausforderungen, Dynamiken, Widerstände

***

100 Jahre nach Ausrufung einer demokratischen Republik, gesteht der Staat den Bürgern noch immer kein verfassungsmäßiges Recht auf Information zu. Journalistinnen und Journalisten müssen es darum umso mehr einfordern, um ihrer Kontrollfunktion gegenüber der Politik gerecht zu werden.

 

„Eine Kleinstadt ist eine Stadt, in der
jeder alles von jedem weiß,
und trotzdem jeder das Lokalblatt kauft,
um zu sehen,
was davon der Redakteur zu veröffentlichen wagt“
— Danny Kaye, amerikanischer Komödiant

 

 

Wenn man als JournalistIn in Österreich einer Pressestelle einer Behörde eine Frage stellt, kann man schon mal einen der folgenden Sätze hören: ein ganz höfliches „Wir bitten um Verständnis, dass wir diese Information zum momentanen Zeitpunkt nicht geben können.“

„Verständnis“ — wofür?
„Nicht geben können“ — warum?
„Zum momentanen Zeitpunkt“ — wann dann?

Das höfliche Deutsch heißt auf gut Österreichisch also nur:
Das sagen wir nicht.

So auch bei einer Recherche für profil vor über zehn Jahren: Das österreichische Parlament verweigerte damals die Auskunft, welche Abgeordneten des Nationalrats bisher von dessen Immuniätsausschuss der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung freigegeben wurden. Sprich: Wer selbst als Volksvertreter:in so sehr im Verdacht steht das Gesetz so sehr verletzt zu haben, dass seine Immunität als Parlamentarier:in einfach nicht mehr vor Ermittlungen der Justiz und einer etwaigen Strafe vor Gericht schützen sollte.

Ein Vorgang, der in Österreich ohnehin höchst selten vorkommt, wenn man ihn der Zahl der Korruptionsaffären und Machtmissbrauchsskandale gegenüberstellt, die in immer kürzeren Intervallen bei einigen Parteien (es sind immer wieder ähnliche) und ihren Politikern (meist Männer, darum ungegendert) so aufgedeckt werden.

Das Argument des Beamten oder der Beamtin für die Weigerung auf Nachfrage: „Diese Information zu veröffentlichen würde die Würde des Hauses schädigen.“

Das Problem in Österreich? Es gibt kein Problem.

Man beachte das — in seiner Selbstverständlichkeit sich des Gesagten gar nicht bewusste seiende — Denken dieser österreichischen Hoheitsverwaltungslogik: Nicht der oder die Abgeordnete schädigt mit der etwaigen Begehung eines Verbrechens die Würde des Hohen Haues. Nein, der Journalist oder die Journalistin würde das tun — wenn er oder sie die Nachricht über einen Gesetzesbruch eines Gesetzesmachers den Bürgerinnen und Bürgern überbringt.

Mit Problemen in Österreich ist es ein wenig so, wie mit Schrödinger’s Katze: Jeder weiß, dass es sie in seinem Inneren gibt. Aber sie werden erst dann zu Solchen, wenn jemand wirklich mal den Deckel öffnet und reinsieht. Solange die Tür aber zu bleibt, ist alles gut in Österreich.

„First step in solving any problem, is recognizing there is one.“
— ACN-Anchorman Will McAvoy, „The Newsroom“ (S1E1)

In offeneren Gesellschaften ist das anders, selbst im gleichen Sprachraum: Wer beispielsweise in Deutschland auf ein Problem hinweist, gilt als der Erste, der zu dessen Lösung beiträgt. Wer in Österreich auf ein Problem hinweist, ist der Erste, der den Konsens gesellschaftlicher Gemütlichkeit durchbricht.

Das Missverständnis der Politiker:innen:
Vom Herrschaftswissen der Hoheitsverwaltung

Wer dagegen als BürgerIn etwas erfragt, wird von der Behörde oft mit zwei Gegenfragen konfrontiert: erstens „Wer sind Sie eigentlich?“; und zweitens „Warum wollen Sie das wissen?!“ Beides muss jedoch in einem demokratischen Staat irrelevant sein. Es muss reichen Bürger:in zu sein, um wissen zu dürfen.

Denn die Behörde fragt damit nicht etwa nach dem Namen, sondern vielmehr nach dem Status der Person, und mit Zweiterem nach der Verwendung der Information. Man könnte ja damit — nicht auszudenken! — ein Problem aufzeigen.

Dabei stehen dem Amt beide Entscheidungen nach demokratischem Verständnis nicht zu. Es dürfte nur entscheiden, ob eine Information aufgrund der Rechtslage öffentlich sein kann oder eben nicht. Dann aber Alles und für jeden, oder eben Nichts und für niemanden. Denn die Informationen gehören den Bürgerinnen und Bürgern, die Verwaltung verwaltet sie nur — auch darum heißt sie auch Verwaltung.

„Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum eigenen Vorteil“
— Transparency International

Dennoch: Manche Politiker:innen Österreichs verstehen den Begriff der „Hoheitsverwaltung“ auch 100 Jahre nach Einführung der Demokratie immer noch falsch: Sie betrachten Information als Herrschaftswissen, das die Machthaber:innen in Gutsherrenart nach Gutdünken an jene Untertan:innen verteilen, die den eigenen Zwecken dienlich sind, und jenen vorenthalten, die nicht parieren oder sogar noch kritisieren. Allein das ist bereits politischer Machtmissbrauch.

Der Bürger und die Bürgerin: Souverän des Staates

Die grundsätzliche Idee einer demokratischen Republik ist nämlich eine andere: Demnach sind Bürgerin und Bürger der Souverän des Staates; schon manifestiert im Verfassungsgrundsatz „Das Recht geht vom Volk aus.“

Folgt man dieser Idee, stellen sich Politiker:innen und Beamt:innen als dementsprechende Dienstleister dar, denen die Bürger:innen den Auftrag erteilt haben zu gestalten und zu verwalten; die aber dennoch auskunftspflichtig über Tun und Lassen bleiben. Damit stellt sich in diesem Bild eine ganz zentrale Frage: Mit welchem Recht verweigert der Dienstleister dem Auftraggeber die Auskunft?

Das Recht, auf das sich Politik und Verwaltung gern berufen, ist oft das österreichische Amtsgeheimnis. Eine in der Bundesverfassung verankerte Bestimmung, die ihre Kraft viel weniger aus ihrem tatsächlichen Wortlaut, als vielmehr seiner dehnbaren Interpretation zieht, durch die man sich trefflich dahinter verstecken kann. Kurz: Das Amtsgeheimnis wird zur Auskunftsverweigerung viel mehr oft nur vorgeschoben.

Ein Volk, das sich selbst regieren will, muss sich bewaffnen mit der Macht des Wissens. Eine öffentliche Regierung ohne öffentliche Information ist der Anfang einer Farce oder eine Tragödie — oder möglicherweise beides.“
— James Madison, US-Präsident und Co-Autor der amerikanischen Verfassung

Information ist aber die Grundlage der Demokratie; oder zumindest der sinnvollen Teilnahme daran. Auf welcher Basis sollen wir entscheiden, wenn nicht auf der von Fakten — jener, die uns jene über ihr Handeln geben, die sich wieder um ein Amt bewerben; und jener, die sie uns über ihr Handeln eben nicht geben wollen, und wir sie deshalb erfragen müssen.

Für uns Bürgerinnen und Bürger ist dies durchaus möglich: Schließlich gibt es neben dem berühmten Amtsgeheimnis auch das weitgehend unbekannte Auskunftspflichtgesetz, das jedermann das Recht einräumt, von der Verwaltung Auskunft zu verlangen — und diese eben auch antworten muss.

Gleichzeitig ist es in der Umsetzung nicht für alle Menschen gleichermaßen einfach eine treffsichere Frage über staatspolitische Vorgänge an die exakt dafür zuständige Behörde zu richten. Der erste juristisch klingende Brief kann eine:n Durchschnittsbürger:in schon ans gefühlte Ende der eigenen Möglichkeiten bringen. Einen formlosen Einspruch dagegen bei Gericht zu deponieren ist für viele außerhalb ihrer Möglichkeiten, weil persönliche Repressalien nur de jure, aber nicht de facto ausgeschlossen sind.

In unserer Idee von Gesellschaft delegieren wir diese Aufgabe also an fachkundigere Mitbürger:innen, die sich der Kontrolle unserer Dienstleister in Politik und Verwaltung verschrieben haben: die Journalist:innen.

Journalist:innen — mit Recht zu Gericht

Mit der Information in der Demokratie verhält es sich wie mit der Information in der Medizin: Der Pathologe weiß alles, nur leider zu spät. Damit sind Historiker:innen gleichsam die Patholog:innen einer Gesellschaft. Die Journalist:innen dagegen sind die Akutmediziner:innen der Republik: Sie sorgen dafür, dass wir die Informationen vor der Wahl bekommen, um informiert entscheiden zu können; und nicht erst danach, wenn es bereits zu spät ist.

Daraus leitete sich jedoch eine enorme Verantwortung für die Journalist:innen ab: Die Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass maßgebliche Informationen den Bürger:innen zum Entscheidungspunkt zur Verfügung stehen. Eine Verantwortung, zu deren Wahrnehmung wir als Gesellschaft bestimmte Rechte für sei geschaffen haben wie Pressefreiheit, Redaktionsgeheimnis oder Medienprivileg. Rechte, deren Wahrnehmung zwar implizit in der Berufsausübung passiert; die jedoch nur Schutz bieten, aber noch keinen zusätzlichen Aufwand verlangen, um sie mit Leben zu erfüllen.

Provokant gesagt dürfen Journalist:innen in Österreich zwar alles schreiben, sie dürfen nur nicht alles wissen. Genau da liegt die neue Einschränkung der Pressefreiheit: Denn Informationsverweigerung des Staates ist „Zensur an der Quelle“.

„Journalism is the first rough draft of history“
— Alan Barth & Phil Graham, Washington Post

Der beruflichen Verantwortung gegenüber den Bürger:innen umfassend gerecht zu werden, hieße aber eben auch, die zur Verfügung stehenden Mittel der verbrieften Auskunftsrechte zu nutzen und immer wieder aufs Neue auszuschöpfen.

Nur wenn Journalismus den Staat auch rechtlich dazu zwingt, jene durch Verwaltungsobjektivität gesicherten Informationen herauszugeben, die Politik oder Verwaltung aus ganz persönlicher Interessenslage eigentlich lieber geheim halten wollen, kann man davon ausgehen, dass die Kontrollfunktion im Gesellschaftsgefüge auch als solche gelebt wird.

Was fehlt: Informationsfreiheit mit Zugang zu Dokumenten

Ein echtes Recht auf Information besteht in Österreich auch 100 Jahre nach erstmaliger Ausrufung einer demokratischen Republik nicht. Und das Bestehende ist schwach ausgestaltet: So verbrieft das Auskunftspflichtgesetz nach derzeitiger Lesart (vieler Behörden) vereinfacht gesagt nur ein Recht darauf, dass der Beamte sinngemäß einen Teil dessen zusammenfasst, was er aus den ihm vorliegenden Unterlagen entnehmen kann. Es handelt sich um ein Recht auf Auskunft, nicht auf Information. Darüberhinaus ein Recht auf Zugang zu Dokumenten, wie dies international üblich und die Grundlage für viele Freedom of Information-Acts der Welt von Schweden bis in die USA üblich ist, fehlt im Wortlaut des Gesetzes und kann nur durch immer neue Prozesse vor Gericht erstritten werden.

Denn ohne Zugang zu Originaldokumenten des Staates lassen sich viele Dinge aber nicht klar verifizieren. Auch lässt sich niemand für eine falsche Auskunft verantwortlich halten, da diese oft nur mündlich erteilt wird, und man sich damit nicht auf eine rechtliche Verbindlichkeit berufen kann. Kurzum: Oft bleibt dem Journalismus nichts anderes übrig, als Hörensagen zu schreiben — und mit viel Aufwand rundum bestmöglich abzusichern.

Ein echtes entsprechendes Informationsfreiheitsgesetz, dass dieses Recht auf den Zugang zu Dokumenten gewähren würde, wurde auf Initiative des Autors und einiger Kolleg:innen vor zehn Jahren von der Politik auf oberster Ebene zwar erstmals versprochen, die Regierungsvorschläge seither enthielt aber immer wieder Lösungen, die mit chirurgischer Präzision treffsicher an diesem Ziel vorbei gingen.

Für Journalist:innen ergibt sich daraus aber die Verpflichtung zumindest die bestehenden Auskunftsrechte soweit zu nutzen, wie sie eingeräumt werden — und durch Einsprüche gegen Erstentscheidungen entsprechende Verfahren einzuleiten, mit denen die Informationsrechte durch Gerichtsentscheide Stück für Stück ausgeweitet werden.

Die Praxis zeigt, dass die Journalist:innen in Österreich, die bisher jährlich Anfragen nach dem Auskunftspflichtgesetz stellen wohl kein Dutzend voll machen. Und Journalist:innen, die Antwortverweigerungen der Republik vor Gericht bekämpfen jedes Jahr an einer Hand abzuzählen sind.

Am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft wurde das „Filing“ von „Freedom of Information-Requests“, also Recherche durch Anfragen nach dem Auskunftspflichtgesetz und deren Durchsetzung in Verfahren noch nicht Pflichtgegenstand der Journalismus-Vorlesungen.

Vielleicht sollten sie das künftig sein. Damit es nicht nocheinmal 100 Jahre dauert bis diese Presserechte auch von allen gelebt werden.

So bewerten wir das Türkis-Grüne Regierungsprogramm

Das Forum Informationsfreiheit (FOI) beurteilt die Pläne im Regierungsprogramm 2020-2024 von ÖVP und Grünen für ein modernes Informationsfreiheitsgesetz differenziert: Von allen bisherigen Ankündigungen durch Regierungen gehen diese am Weitesten, auch wenn sie leider hinter internationalen Standards zurück bleiben.

Kurzfassung

Erkennbares Engagement der Grünen als Regierungspartei

Die Grünen haben sich jahrelang für ein modernes Informationsfreiheitsgesetz eingesetzt, ohne die Möglichkeit zur Umsetzung zu haben. Nun haben sie ihre Versprechen als Regierungspartei verankert.

Gleichzeitig wurden auf ÖVP-Seite immer wieder reine Ankündigungen als Erfolge verkauft und aus reinen Lippenbekenntnissen politisches Kapital geschlagen – ohne tatsächlich etwas getan zu haben. Ganz nach dem Motto: Nicht das Erreichte zählt; sondern das Erzählte reicht.

Gesetzesentwurf muss halten was Regierungsprogramm verspricht

So handelt es sich um die vierte Regierung, die die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes verspricht – wenn auch bisher nicht so weitgehend. Erst anhand des konkreten Gesetzesentwurfs wird sich beurteilen lassen, inwiefern die Überschriften auch halten, was sie versprechen.

Verbesserungen, die hinter internationalen Standards zurück bleiben

Von allen bisherigen Ankündigungen von österreichischen Regierungen geht diese Ankündigung in Eckpunkten bisher am Weitesten, bleibt jedoch gleichzeitig noch deutlich hinter internationalen Standards, vergleichbaren anderen Staaten und sogar bereits geltenden Bürgerrechten gegenüber EU-Institutionen zurück. Und: Der Gesetzesentwurf der Neos, der bereits fertig im Parlament liegt, geht in zentralen Punkten bereits weiter, als die erste Punktation von ÖVP und Grünen im Regierungsprogramm – und darf als Benchmark betrachtet werden.

Positiv: Recht auf Information und Zugang zu Dokumenten statt Auskunft

Positiv zu bewerten sind…

– das verfassungsmäßiges Recht auf Information unabhängig von der Art ihrer Speicherung (wie dies im Vorzeigemodell des Hamburger Transparenzgesetz vorgesehen ist), statt nur Auskunft wie bisher;

– ein Zugang zu Dokumenten (wie dies international üblich ist);

– sowie die Gebührenfreiheit von Anfragen (statt wie bisher 15 bis 30 Euro)

Ebenfalls positiv…

– die Schaffung eines zentralen Transparenzregisters

– und die automatische Veröffentlichung von Gutachten und Studien sowie von Verträgen ab bestimmter Höhe

Weniger ambitioniert: Lange Antwortfristen und kein Informationsbeauftragter

Weniger ambitioniert ist, dass…

– die vorgesehen Antwort-Frist von 4 Wochen, die auf 8 Wochen ausgedehnt werden kann (während auf EU-Ebene 15 Tage gelten und andere Staaten teils sogar nur eine Woche vorsehen), womit die Transparenz-Wirkung für aktuelle politische Themen geschmälert wird

– das Programm entgegen bereits anders lautenden Ankündigungen keinen Informationsfreiheitsbeauftragten enthält, wie dies international bewährt ist (und ihn etwa Deutschland, Slowenien, das Vereinigte Königreich und viele andere Länder haben). Die laut dem Wortlaut im Regierungsprogramm auf reinen Service-Charakter für Behörden reduzierte Aufgabe bei der Datenschutzbehörde kann nicht als ausreichend erachtet werden. Hier wäre es wichtig, diese Behörde im finalen Gesetz dann auch als entsprechende Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger auszugestalten.

Fazit: Positive Punkte, aber erst der Gesetzesentwurf wird entscheidend

Das Programm enthält viele positive Punkte, die wichtig sind für ein modernes Informationsfreiheitsgesetz – und so erstmals in einem Regierungsprogramm stehen. Anhand der Punktation im Regierungsprogramm lässt sich nicht absehen, ob das geplante IFG internationalen Standards entsprechen wird. Wichtige Aspekte, etwa die Anwendung von Geheimhaltungsgründen, wie bürgerfreundlich das Gesetz gestaltet ist, oder welche Dokumente Behörden automatisch online veröffentlichen müssen, werden erst klar, wenn ein Gesetzesentwurf vorliegt. Ohne Nachbesserungen bei der 4-Wochen-Frist und dem fehlenden Informationsfreiheitsbeauftragten erscheint es jedoch unwahrscheinlich, dass Österreich vom europäischen Transparenz-Schlusslicht zum Vorreiter wird.

Weiterlesen

Evaluierung des „Transparenzpakets“: Forderungen für den Nationalrat und die nächste Regierung

Eine aktuelle Evaluierung der geltenden Regelungen zur Parteien- und Wahlkampffinanzierung, Abgeordneteneinkünften, Medientransparenz und Lobbygesetzgebung samt detaillierten Reform-Forderungen legen der Politologe Hubert Sickinger (Beiratsvorsitzender des Forum Informationsfreiheit), Marion Breitschopf (Meine Abgeordneten), Mathias Huter (Forum Informationsfreiheit) und Florian Skrabal (DOSSIER) vor.

Der Bericht unterstreicht, dass auch nach den Diskussionen im Zuge des Ibiza-Videos und den im Sommer beschlossenen Änderungen zur Parteienfinanzierung weitere Reformen nötig sind, um endlich umfassende Transparenz, Kontrolle sowie angemessene Sanktionen bei Verstößen sicherzustellen. Die Analyse zeigt, dass es eine systematische Überarbeitung des Parteiengesetzes braucht: viele juristische und Transparenzfragen sind offen und bislang auch im Parlament und in Initiativanträgen der Parteien kaum oder gar nicht behandelt und diskutiert wurden.

Handlungsbedarf für den neuen Nationalrat und die nächste Regierung gibt es auch, um echte Transparenz bei staatlichen Inseraten, Nebentätigkeiten und möglichen Interessenskonflikten von Abgeordneten und von Lobbying-Tätigkeiten zu schaffen.

Obwohl sich fast alle Parteien – einzige Ausnahme: FPÖ – im Wahlkampf einmal mehr für ein Informationsfreiheitsgesetz ausgesprochen haben, ist Österreich weiterhin der letzte Staat der Europäischen Union, der Bürgerinnen und Bürgern kein Recht auf Zugang zu staatlichen Dokumenten einräumt.

Dieses Regelwerk war 2012 als „Transparenzpaket“ beschlossen worden, mit dem erklärten Ziel, die Integrität und Transparenz der Politik in wichtigen Bereichen zu erhöhen – Parteienfinanzierung, staatliche Inseratenausgaben, die Nebentätigkeiten von Abgeordneten und Lobbyismus wurden schärferen Regeln unterworfen – und damit Korruptionsrisiken zu bekämpfen. Bereits 2017 habe wir in einer ersten zivilgesellschaftlichen Evaluierung die Schwächen des Regelwerks dokumentiert.

Amtsgeheimnis-Award: Die Preisträger der Mauer des Schweigens 2019

Anlässlich des internationalen Right to Know-Day am 28. September verleiht das Forum Informationsfreiheit seit 2014 den Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“ an staatliche Stellen für „besondere Verdienste um die Verweigerung amtlicher Antworten“.

1. Platz: Verträge des Landes Niederösterreich

Die heurige „Mauer des Schweigens 2019“ geht an das Land Niederösterreich:In der Causa des Jugend-Asylheims Drasenhofen, für das der zuständige FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl menschenrechtlich wie vergaberechtlich in der öffentlichen Kritik stand, gibt das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung den echten Vertrag mit dem Betreiber nicht heraus. Eine Anfrage gemäß Auskunftspflichtgesetz nach dem Wortlaut des Vertrages (mit wem abgeschlossen, welche Preise ausverhandelt, wie viel schon gezahlt hat, welche Sicherheitsleistungen vereinbart, Laufzeit und Kündigungsmöglichkeit) wurde inhaltlich nicht beantwortet. Stattdessen übermittelte das Land NÖ lediglich einen Blanko-Standardvertrag, der angeblich „im Wesentlichen“ auch bei anderen Quartieren angewandt worden sein soll. Ob auch genau so bei jenem von Drasenhofen blieb damit unbeantwortet, der echte Vertrag weiter geheim – und die inhaltlichen Fragen blieben unaufgeklärt. Ein Ersuchen um einen Bescheid, um dies gerichtlich klären zu lassen, blieb ebenfalls unbeantwortet.

Die Gewinner bekommen die Mauer des Schweigens verliehen. (c) Christian MUELLER

Platz 2 und 3: Was die Bürger und das Parlament nicht wissen dürfen

Platz 2 geht an das Innenministerium für die Verweigerung der Nennung jener Menschen, die „im besonderen Interesse der Republik“ eine österreichische Staatsbürgerschaft bekommen haben. Das Interesse der Republik ist dabei oft wirtschaftlicher Natur: Die EU-Kommissarin für Justiz nennt die Ausstellung dieser sogenannten “Golden Passports” ein Sicherheitsrisiko, weil oft der Ursprung der Investitionen nicht klar ist. Was Österreichs Bürger aber nicht wissen dürfen: Wer wegen angeblicher besonderer Verdienste um das Land aber 2014 und 2015 ihre neuen Mitbürger wurden. Das Innenministerium begründet die Verweigerung mit dem Verweis auf Datenschutz und das Amtsgeheimnis –und das obwohl die Namen 2016, 2017 und 2018 im Ministerratsprotokoll öffentlich gemacht wurden. Ein entsprechendes Verfahren ist anhängig.

Und Platz 3 geht an all jene Ministerien, die gewählte Abgeordnete des Parlaments falsch informieren oder die Auskunft betreffend ausgegliederter Staatsunternehmen verweigern. Stellvertretend dafür der Lipizzaner-Fall: Bei einem Staatsbesuch mit österreichischer Wirtschaftsdelegation in Saudi Arabien schenkte der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz dem saudischen Kronprinzen einen Lipizzaner aus der spanischen Hofreitschule. Das Parlament will von der Regierung wissen, wie viel dieses Geschenk gekostet hat. Die Antworten aus dem Bundeskanzleramt, dem Wirtschaftsministerium und Umweltministerium sind widersprüchlich, wie die Rechercheplattform Addendum aufzeigt. Das für die spanische Hofreitschule zuständige Umweltministerium verweigert die Beantwortung der Anfrage des Parlaments zu den Kosten überhaupt zur Gänze. Der Grund: Das Parlament habe kein Recht Informatiosnen zu ausgegliederten Staatsbetriebe – wie der spanischen Hofreitschule – vom dafür zuständigen Ministerium zu bekommen.

Alle Infos zu den Fällen und Quellen gibt es hier.

„Goldener Informationsfilter“ für „Message Control“ der türkis-blauen Bundesregierung

Der Goldene Informationsfilter (Sonderpreis) (Foto: Gert Nepel)

Der seit vergangenem Jahr vergebene „Goldene Informationsfilter“ für den „Versuch der politischen Einschränkung von staatlichen Informationen“ geht heuer an die türkis-blaue Bundesregierung: für die von vielen JournalistInnen kritisch thematisierte Politik der „Message Control“ – insbesondere dafür, die Öffentlichkeitsarbeit der Statistik Austria, als zentraler Faktenbasis des politischen Diskurses, künftig direkt dem Kanzleramt zu unterstellen.

Sonderpreis für ÖVP, SPÖ und FPÖ betreffend Parteienfinanzierung

Einen Sonderpreis geht an ÖVP, SPÖ und FPÖ für ihr Geheimniskrämereien bei der Parteienfinanzierung: Die Spendenstückelungen (bei der ÖVP), die Vereins- und Vorfeldorganisationsfragen (bei der SPÖ) und der nicht rechtzeitig unterschrieben abgegebene Rechenschaftsbericht (der FPÖ) an den Rechnungshof zeigen, dass es ein Gesetz für komplette Offenlegung der Parteifinanzen braucht, um diverse Umgehungskonstruktionen zu unterbinden. „Ein Gesetz, auf das sich die drei großen Parteien diesen Sommer leider nicht einmal im Lichte der Geschehnisse von Ibiza heuer einigen konnten“, so Mathias Huter.

28. September – International Right to Know-Day

Der Internationale Right to Know-Day macht seit über 15 Jahren international auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor den Bürgerinnen und Bürgern aufmerksam, und wird mittlerweile auch von der UNESCO als „Access to Information-Day“ begangen.

Vergeben wird die “Mauer des Schweigens“ vom Forum Informationsfreiheit, das sich für Transparenz in Politik und Verwaltung und ein Recht der BürgerInnen auf Information einsetzt. Die nominierten Fälle stammen aus dem Anfrageportal des Forum Informationsfreiheit, FragDenStaat.at, auf dem Bürgerinnen und Bürger ihre Anfrage direkt an die Behörden stellen können – und diese von der Verwaltung auch gemäß Auskunftspflichtgesetz beantwortet werden müsste. Die Behörden sind gesetzlich zu einer Antwort verpflichtet, verweigern aber oft die Auskunft – mit unterschiedlichsten Begründungen.

Hintergrund: Die bisherigen Negativ-Preisträger der “Mauer des Schweigens”

Im Vorjahr ging „Die Mauer des Schweigens“ an die Stadt Innsbruck, für die Weigerung die Sprengelergebnisse der letzten Bürgermeisterwahl herauszugeben. Auf Platz 2 landete die niederösterreichischen Gemeinden (gemeinsam mit dem Gemeindebund, Gemeindevertreterverband und Land NÖ) dafür, Gebühren von insgesamt fast 8.000 Euro allein für die Frage anzudrohen (und teils zu verrechnen), wie vielen Menschen vor der Landtagswahl 2018 das Wahlrecht aberkannt wurde. Platz 3 ging an das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, das seine Stellungnahme zum umstrittenen Entwurf für das sogenannte „Standortentwicklungsgesetz“ nicht veröffentlichte.

Alle Informationen, Hintergründe und Preisträger der letzten Jahre gibt es hier.

Transparenz im Programm?

Wir haben uns die Wahlprogramme aller bundesweit zur Nationalratswahl antretenden Parteien angesehen um sie auf Inhalte rund um das Thema Transparenz zu untersuchen.

Welche Positionen und Vorschläge haben die Parteien zur Transparenz bei der Parteienfinanzierung, zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses und zur Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), sowie generell zu Transparenz in Politik und Verwaltung.

Das Ibiza-Video und die Spendenaffären haben klar gezeigt: Es braucht dringend mehr öffentliche Kontrolle um sicherzustellen, dass Ideen aus dem Ibiza-Video nicht in die Tat umgesetzt werden können. Im Folgenden werden die Positionen der einzelnen Parteien zu diesen Fragestellungen erörtert. Berücksichtigt wurde dabei, was in den Wahl- und Parteiprogrammen steht, die die Prioritäten der Parteien widerspiegeln. Die Nicht-Erwähnung von Themen sehen wir auch als Standpunkte einer Partei: nämlich, dass ihr das Thema nicht wichtig ist.

ÖVP: „100 Projekte“ (werden laufend veröffentlicht) sowie Grundsatzprogramm 2015

Die ÖVP hat kein klassisches Wahlprogramm für die Nationalratswahl 2019 entwickelt sondern einen „100 Projekte für Österreich“, die in mehreren Paketen bis zum Wahltag präsentiert werden. Von den 100 Projekten wurden bisher 88 veröffentlicht. Keiner der veröffentlichten Punkte behandelt die Themen Parteienfinanzierung, Informationsfreiheit oder Transparenz in der österreichischen Verwaltung.

Auf der Website der ÖVP findet sich noch das „Grundsatzprogramm 2015 der österreichischen Volkspartei“. In diesem finden sich ebenso keinerlei Vorhaben zur Parteienfinanzierung oder einem Informationsfreiheitsgesetz. Zwar spricht sich die ÖVP darin ganz generell dafür aus, dass „staatliches Handeln durch ein Höchstmaß an Transparenz gekennzeichnet sein“ soll. Konkrete Vorschläge, wie das erreicht werden soll, sind dem Programm nicht zu entnehmen.

Nachtrag, 27.9.2019:

Kurz vor der Wahl und nach Veröffentlichung unserer Analyse hat die ÖVP die letzten ihrer “100 Projekte” für die Wahl veröffentlicht.
Projekt 100 lautet:

“Informationsfreiheitsgesetz umsetzen. Transparenz im Staat ist ein wichtiges Element in der Demokratie. Wir setzen uns für die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes ein, das klar regelt, welche Informationen von welchen Behörden in welcher Form den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung gestellt werden müssen. Wir wollen keinen gläsernen Menschen, sondern den gläsernen Staat” 

SPÖ: Wahlprogramm NRW 2019

Das Wahlprogramm der SPÖ ist mit 164 Seiten das umfangreichste, das Wort Transparenz kommt darin allerdings nur zwei Mal vor.

Abgesehen von einem Verbot von Großspenden über € 7.500 (das die SPÖ mit FPÖ und Liste Jetzt im Sommer bereits im Parlament beschlossen hat) und einem Funktionsverbot von Großspendern in staatsnahen Betrieben sieht das Programm keine Reformen bei der Parteienfinanzierung vor.

Zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses und zur Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes findet sich keine Position im Wahlprogramm der SPÖ.

Ideen für einen transparenteren Staat sind im Programm auf nationaler Ebene nicht zu finden. Es findet sich lediglich ein generelles Bekenntnis zur Meinungs- und Informationsfreiheit in Österreich, diese wird jedoch nur im Kontext von Netzfreiheit und Uploadfiltern im Internet erwähnt, nicht im Zusammenhang mit einem Recht auf Information gegenüber staatlichen Stellen. (Wahlprogramm S. 146)

Auf europäischer Ebene fordert die SPÖ verbindliche und einsehbare Lobbyregister für alle EU-Institutionen, insbesondere für den Europäischen Rat, sowie ausgewogene Berücksichtigung aller Seiten bei der Besetzung von ExpertInnengruppen in der Europäischen Kommission.

FPÖ: Wahlprogramm NRW 2019 und Parteiprogramm 2011

Weder im Wahlprogramm für die Nationalratswahl 2019, noch im Parteiprogramm der FPÖ kommt das Wort Transparenz vor. Es finden sich dort keine Positionen zu Informationsfreiheit oder einer Reform der Parteienfinanzierung.

NEOS: Manifest der NEOS, Pläne von A bis Z

Im Parteiprogramm der NEOS finden sich detaillierte Positionen zu Transparenzbestimmungen in Österreich.

Bezüglich der Parteienfinanzierung setzen sich die NEOS für ein Prüfrecht des Rechnungshofes der Parteienfinanzen ein. Ein Überschreiten der Wahlkampfkostenobergrenze solle sanktioniert und ein Straftatbestand „illegale Parteienfinanzierung“ eingeführt werden, um Umgehungskonstruktionen, etwa über Vereine, zu verhindern. Generell sollten alle Bilanzen von nahestehenden Vereinen und Vorfeldorganisationen von Parteien veröffentlicht werden.

Die NEOS sprechen sich für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und für ein Grundrecht auf Informationsfreiheit aus. Das von den NEOS unterstütze Transparenzgesetz soll sich am Hamburger Transparenzgesetz orientieren [das wir vom Forum Informationsfreiheit als Vorbild-Modell für Österreich sehen], inklusive Schaffung einer unabhängigen Beschwerdestelle für abgelehnte Anfragen und der Verpflichtung zur automatischen Veröffentlichung von Informationen allgemeinen Interesses. Der Zugang zu Information soll verfassungsrechtlich garantiert werden.

Zur Steigerung der Transparenz in der Verwaltung sieht das Programm der NEOS eine Veröffentlichungspflicht von öffentlichen Aufträgen vor. Diese Aufträge sollen erst rechtswirksam werden, nachdem sie veröffentlicht wurden.

Ebenso soll eine echte Transparenzdatenbank für öffentliche Förderungen entstehen und es ist eine Ausweitung der Meldepflicht für Inserate der öffentlichen Hand vorgesehen.

JETZT: 12 Pläne für 5 Jahre

Die Liste JETZT geht mit 12 Plänen als Programm in die Nationalratswahl.

Sie fordert bei der Parteienfinanzierung ein umfassendes Kontrollrecht des Rechnungshofes und ein strafrechtliches Verbot von Umgehungskonstruktionen.

Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und ein Bekenntnis zur Einführung eines „Bürgerinformationsgesetzes“ findet sich ebenfalls im Programm.

Die Vergabe von Förderungen soll transparenter gestaltet werden und gegen die Ablehnung von Förderansuchen soll Einspruch erhoben werden können.

Die Grünen: Wahlprogramm NRW 2019

Die Grünen sprechen sich für eine verpflichtende Offenlegung der Einnahmen und Ausgaben von Parteien aus, für volle Kontroll- und Einsichtsrechte des Rechnungshofes in die Parteifinanzen, eine Offenlegung von Spenden bereits vor dem Wahltag und ein Verbot von Vereinskonstruktionen und Stückelungen von Parteispenden samt Sanktionsmechanismus.

Das Überschreiten der Wahlkampfkostenobergrenze solle zur Folge haben, dass die den Betrag von 7 Mio Euro übersteigenden Ausgaben von der Parteienförderung abgezogen werden. Bei schweren Verstößen gegen Parteienfinanzierungs-Regeln sollen strafrechtliche Sanktionen eingeführt werden.

Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und Einführung eines IFG sind ebenfalls im Wahlprogramm zu finden. Das Recht auf Information soll als Grundrecht etabliert werden. Die verschiedenen Auskunftspflichtsgesetze der Bundesländer sollen aufgehoben und stattdessen ein einheitliches IFG mit 4-wöchiger Frist für die Anfragebeantwortung eingeführt werden.

Studien, die mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden, sollen einer Veröffentlichungspflicht unterliegen. Die Grünen fordern generell mehr Transparenz in der Politik und Verwaltung. Die Vergabe öffentlicher Aufträge soll auf Grundlage öffentlicher Hearings erfolgen. Damit soll die Auftragsvergabe objektiv nachvollziehbar werden und Aufträge nur aufgrund von Expertise und Qualifikation der BieterInnen vergeben werden.

Auf europäischer Ebene sollen alle Standpunkte der Mitgliedstaaten im EU Rat veröffentlicht werden. Mehr Transparenz von Lobbying soll auf europäischer Ebene die Entstehung von Gesetzen besser nachvollziehbar zu machen.

KPÖ plus: Wahlprogramm NRW 2019

Die KPÖ möchte eine Umgestaltung der Parteienfinanzierung, um die Transparenz zu erhöhen und die Pluralität an Parteien und Bewegungen zu fördern. Weiters ist die KPÖ für eine „klare Obergrenze und strenge Regeln für Spenden an Parteien, deren Verletzung zu harten Sanktionen führt.“ Generell spricht sie sich für eine transparente Verwaltung aus.

Zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses und zur Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes findet sich keine Position im Wahlprogramm.

Wandel: Ein Manifest für den Wandel*

Im Programm des Wandels findet sich keine Position zur Parteienfinanzierung.

Der Wandel spricht sich generell für Transparenz und den Einsatz von Open Data in den Parlamenten, Behörden und Ministerien aus. Das Amtsgeheimnis soll abgeschafft werden. Weiters fordert der Wandel „transparente Rechenschaftspflichten im Gesetzgebungsprozess sowie klar definierte Mitsprache- und Repräsentationsrechte für Zivilgesellschaft und Wissenschaft“.

*UPDATE: Nach Veröffentlichung hat Wandel mitgeteilt, dass sie die Forderungen unterstützen. “Wir können nämlich alle 10 Forderungen Ihrer Organisation mit einem klaren JA beantworten.” Weiters erklärt Wandel, dass sie für eine Abschaffung des Amtsgeheimnisses, ein Grundrecht auf Information im Verfassungsrang und umfassende Prüfrechte für den Rechnungshof sind. Außerdem sollen Firmenspenden an Parteien verboten und die Parteienförderung “an Parteien und Parlamentsklubs von einer gleichen Geschlechtsverteilung abhängen.”

Forum Informationsfreiheit fordert Transparenz als Koalitionsbedingung

Parteien sollen es zur Bedingung einer neuen Regierung erklären, dass Parteienfinanzierungsreform und Informationsfreiheitsgesetz innerhalb der ersten 100 Tage beschlossen werden

Das Forum Informationsfreiheit (FOI) fordert die Parteien im Hinblick auf die Nationalratswahl kommende Woche auf absolute Transparenz zur unverzichtbaren Koalitionsbedingung zu erklären.

Die Transparenz-NGO fordert die SpitzenkandidatInnen dazu auf, ihre Partei nur in eine Koalition zu führen, die sich verpflichte, innerhalb der ersten 100 Tage nach Amtsantritt eine Parteienfinanzierungsreform, sowie ein internationalen Standards entsprechendes Informationsfreiheitsgesetz unter Einbindung der entsprechenden ExpertInnen zu beschließen.

Nur so könne sichergestellt werden, dass die nächste Regierung die richtigen Lehren aus den politischen Affären und medialen Aufdeckungen der vergangenen Monate ziehe.

„Es braucht nun Klarheit, wer Parteien und Politiker finanziert; Kontrollen, durch den Rechnungshof und die Öffentlichkeit; und abschreckende Konsequenzen, wenn diese Gesetze gebrochen werden“, sagt der Generalsekretär des Forum Informationsfreiheit, Mathias Huter. Ein entsprechender Forderungskatalog mit Prüfkompetenzen für den Rechnungshof und einem Straftatbestand für illegale Parteienfinanzierung wurde vom FOI bereits unter Transparenzgesetz.at veröffentlicht.

Vor allem dürften sich die Österreicherinnen und Österreicher vor der Nationalratswahl Klarheit von den Politikern erwarten, welche Parteien nun bereit sind, nur unter der Bedingung entsprechender Transparenzgesetze in eine Regierung zu gehen – und welche Parteien den eigenen Machterhalt über eine sauber Politik und eine nachhaltig gestärkte Demokratie stellen.

Briefe an SpitzenkandidatInnen und Abgeordnete auf www.koalitionsbedingung.at

Um neben den SpitzenkandidatInnen auch die Abgeordneten in die Pflicht zu nehmen, hat das Forum Informationsfreiheit für Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit geschaffen, einzelne Abgeordnete des zuständigen Verfassungsausschusses direkt anzuschreiben – und so der Forderung nach entsprechenden Transparenzgesetzen persönlich Nachdruck zu verleihen.

Auf www.koalitionsbedingung.at können Bürger daher Abgeordneten schreiben, was sie an den Parteienfinanzierungsaffären und Verheimlichungsversuchen der vergangenen Monate besonders schockiert hat, und dass sie sich von den Abgeordneten nun entsprechende Maßnahmen erwarten.

FOI-Generalsekretär Huter: „Es ist wichtig, dass die Politikerinnen und Politiker endlich die richtigen Lehren aus dem Ibiza-Video ziehen und auf den drohenden Vertrauensverlust reagieren. Es gilt, Österreich vom europäischen Transparenz-Schlusslicht zum Vorreiter zu machen. Dazu braucht es Druck durch die Wählerinnen und Wähler – jetzt, am Wahltag, und danach, wenn es darum geht, von den Politikern die Umsetzung ihrer Versprechen einzufordern.“

Warnung vor Mogelpackungen, die Transparenz versprechen aber mehr Amtsgeheimnis beinhalten

Dabei warnt das Forum Informationsfreiheit vor Mogelpackungen, die Transparenz versprechen, aber mehr Amtsgeheimnis als bisher beinhalten, wie das mit dem jüngsten Entwurf des Kanzleramts der Fall gewesen wäre (und ihn die SPÖ im Juli Antrag 889 & 890/A in ähnlicher Form wieder eingebracht hatte): demnach hätten die Bürger laut Aussagen des zuständigen Kanzleramtsbeamten im Verfassungsausschuss beispielsweise nicht einmal die Kosten des Grenzzauns von Spielfeld erfahren dürfen.

Als Gesetzesanträge im Sinne einer Abschaffung des Amtsgeheimnisses und eines echten Informationsfreiheitsgesetzes nach internationalen Standards qualifiziert das Forum Informationsfreiheit daher nur den jüngsten Antrag des Verfassungsrechtlers und Abgeordneten Alfred Noll (Antrag 631 & 632/A) sowie den Antrag der NEOS und Grünen für eine Verfassungsbestimmung, wie er bereits im Oktober 2013 eingebracht wurde.

Dass die SpitzenkandidatInnen der Parteien bei der gestrigen TV-Debatte auf Plus 4 plötzlich für ein Transparenzgesetz votierten, wundert die Transparenzexperten, da ÖVP, FPÖ und SPÖ zuletzt noch bei der Nationalratssitzung im Juli gegen einen entsprechende Fristsetzung zum genannten Antrag von Alfred Noll stimmten. Das Forum Informationsfreiheit wird darum genau beobachten, ob ÖVP-Obmann Sebastian Kurz seinen gestrigen Worten – man könne einen Antrag der NEOS noch diese Woche beschließen – auch tatsächlich Taten folgen lassen wird.

“Die Mauer des Schweigens 2019”: Vergabe des Amtsgeheimnis-Award zum Right to Know-Day am 28.9. steht bevor

Anlässlich des internationalen Tag der Informationsfreiheit – dem Right to Know-Day am 28. September – verleiht das Forum Informationsfreiheit seit 2014 den Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“ für “besondere Verdienste um die Verweigerung amtlicher Antworten”.

Mit dem Negativ-Preis weisen wir seit fünf Jahren auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor den Bürgerinnen und Bürgern.

Mauer des Schweigens

Nominiert werden konnten alle Fälle bei denen österreichische Behörden Auskünfte verweigert haben, Informationen von Politik oder Verwaltung zurückgehalten wurden, oder öffentliche Kontrolle staatlicher Institutionen durch politische Bemühungen erschwert oder verhindert wurde. Egal ob Ihnen das selbst passiert ist, oder Sie davon in den Medien gelesen/gehört haben. Die Negativ-Preisträger der “Mauer des Schweigens” werden traditioneller Weise am Vorabend des “Right to Know-Day” gekürt.

DIE NOMINIERUNGEN 2019

Nominierung #10: Das Bundeskanzleramt, BMDW & BMNT – für die verweigerte Auskunft zu staatseigenen Unternehmen

Die Bundesregierung verweigert dem Parlament Antworten über ausgegliederte Staatsbetriebe.

Bei einem Staatsbesuch von Sebastian Kurz mit einer österreichischen Wirtschaftsdelegation in Saudi Arabien schenkt der damalige Bundeskanzler dem saudischen Kronprinzen einen Lipizzaner aus der spanischen Hofreitschule. Das Parlament will von der Regierung wissen, wie viel dieses Geschenk gekostet hat. Die Antworten aus dem Bundeskanzleramt, dem Wirtschaftsministerium und Umweltministerium sind widersprüchlich, wie die Rechercheplattform Addendum aufzeigt. Das für die spanische Hofreitschule zuständige Umweltministerium verweigert die Beantwortung der Anfrage des Parlaments zu den Kosten überhaupt zur Gänze. Der Grund: Das Parlament habe kein Recht ausgegliederte Staatsbetriebe – wie die spanische Hofreitschule – zu befragen.

Nominierung #9: Das BMASGK – für Zurückhaltung von Daten an ForscherInnen

Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz gibt Daten zur Qualität von Krankenhäusern nicht an ForscherInnen weiter, obwohl das im Gesetz so vorgesehen ist.

Die Gesundheitsökonomen Maria Hofmarcher und Christopher Singhuber haben beim Europäischen Forum Alpbach ein Fact Book zur Leistungskraft regionaler Gesundheitssysteme vorgestellt. Dabei wurden Krankenanstalten der Bundesländer miteinander verglichen. Mit diesen Ergebnissen können Problemfelder erkannt und behoben werden. So ist die Lebenserwartung von Frauen in Tirol um zehn Jahre höher, als bei Frauen im Burgenland. Für ihre Arbeit benötigen Gesundheitsökonomen anonymisierte Daten zur Gesundheitsversorgung. Darunter auch Daten zur Qualität der Versorgung in Krankenhäusern. Das Gesetz sieht auch vor, dass der Forschung diese Daten zur Verfügung gestellt werden müssen. Das Gesundheitsministerium hat sich laut Hofmarcher und Singhuber allerdings weitestgehend geweigert, diese Daten herzugeben. Das Fact Book beschreibt die “Beschaffung von Daten skandalös kompliziert und nur teilweise erfolgreich.”

Nominierung #8: Das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium für Öffentlich Bedienstete und die Parlamentsdirektion – für die verweigerte Auskunft über die Fortzahlungen von MinisterInnengehältern

Das Bundeskanzleramt, Ministerium für öffentlichen Dienst und die Parlamentsdirektion verweigern die Auskunft zur Fortzahlung von MinisterInnengehältern.

Manche ausscheidende Ministerinnen und MInister haben ein Recht auf Gehaltsfortzahlungen und zwar dann, wenn sie kein Rückkehrrecht in eine politische oder wirtschaftliche Position haben. Wenn sie eine Gehaltsfortzahlung beantragen, bekommen sie monatlich knapp 13.000 Euro ausbezahlt. Plus Sonderzahlungen. Und das sechs Monate lang.
Der ORF-Journalist Martin Thür wollte vom Bundeskanzleramt und der Parlamentsdirektion wissen, welche ehemaligen Regierungsmitglieder eine Fortzahlung ihrer Bezüge beantragt haben. Auch die APA hat beim Bundeskanzleramt und beim Ministerium für öffentlichen Dienst angefragt. Diese verweigern die Auskunft und versuchen das mit dem Amtsgeheimnis zu rechtfertigen. Auch die Parlamentsdirektion verweigert die Auskunft und argumentiert wiederum mit Datenschutz. Sie stuft das Geheimhaltungsinteresse der MinisterInnen, ihre Gehaltsfortzahlungen anonym zu erhalten, höher ein, als das Interesse der ÖsterreicherInnen, wissen zu dürfen, welchem ihrer obersten PolitikerInnen sie diese Gehaltsfortzahlung mit Steuermitteln finanzieren. Einem Bürger teilt das Bundeskanzleramt nach Anfrage mit, dass drei ehemaligen Regierungsmitglieder eine Fortzahlung beantragt haben.

Nominierung #7: Das BMI – für die verweigerte Auskunft über die Vergabe von Staatsbürgerschaften im besonderen Interesse der Republik

Die Republik verweigert die Nennung der Leute, die im besonderen Interesse der Republik eine österreichische Staatsbürgerschaft verliehen bekommen haben. 

Zwischen 2007 und 2018 wurden 287 Personen nach einem Gesetz eingebürgert, das die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen “besonderem Interesse der Republik” regelt. Das Interesse der Republik ist oft wirtschaftlicher Natur aber auch SportlerInnen, KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen werden mit diesem Gesetz oft eingebürgert. Die EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Věra Jourová, nennt die Ausstellung dieser sogenannten “Golden Passports” ein Sicherheitsrisiko, weil oft der Ursprung der Investitionen nicht klar ist. Das Forum Informationsfreiheit wollte deswegen vom Bundesministerium für Inneres wissen, wer die Personen waren, die im besonderen Interesse der Republik 2014 und 2015 eingebürgert worden sind. Das Innenministerium verweigert die Auskunft und das obwohl die Namen 2016, 2017 und 2018 im Ministerratsprotokoll öffentlich gemacht wurden. Begründen tut das Innenministerium die Verweigerung der Beantwortung mit dem Verweis auf Datenschutz und das Amtsgeheimnis.

Nominierung #6: Das BMASGK – mit der nicht veröffentlichten Evaluierung zur “Aktion 20.000”

Das BMASGK veröffentlicht die Evaluierung zur “Aktion 20.000” seit Februar 2018 nicht. Der angekündigte Endbericht, in den die Evaluierungsergebnisse eingearbeitet werden sollen, wurde um ein Jahr auf Ende 2019 nach hinten verschoben.

Die “Aktion 20.000” war ein Projekt der rot-schwarzen Regierung, das von der türkis-blauen Regierung Ende 2017 wieder eingestellt wurde. Bei der Nationalratssitzung vom 19. September 2019 ist eine Version der “Aktion 20.000” wieder beschlossen worden. Um die Wirksamkeit der Maßnahme überprüfen zu können, hat die damalige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein Evaluierungen angeordnet. Die Kosten der beiden Studien belaufen sich auf rund 246.000 Euro.  Diese Evaluierung liegt dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz zwar seit Februar 2018 vor, veröffentlicht wird sie aber nicht. Stattdessen hat die damalige Sozialministerin versprochen, dass die Ergebnisse der Evaluierung in einen Endbericht eingearbeitet werden würden. Der Endbericht hätte dem Gesetz nach bis Ende 2018 veröffentlicht werden müssen. Dieses Gesetz wurde allerdings geändert – und der Bericht auf Ende 2019 verschoben. Die Evaluierung bleibt unveröffentlicht.

Nominierung #5: FPÖ-Landesräte in Oberösterreich – für die verweigerte Auskunft über beauftragte PR-Firmen

Drei FPÖ-Mitglieder der oberösterreichischen Landesregierung wollen nicht sagen, welche Agenturen sie für ihre Öffentlichkeitsarbeit um insgesamt 88.000 Euro beauftragt haben.

Im Nationalrat gibt es immer wieder Anfragen zu Werbeausgaben der Ministerien und MinisterInnen. Dabei wird nicht nur gefragt, was wo beworben wird, sondern auch welche Agenturen beauftragt wurden. Die Ministerien liefern in ihren Beantwortungen dann eine Auflistung der beauftragten Agenturen und Kosten. Das gleiche wollte der oberösterreichische Landesabgeordnete Severin Mayr von den FPÖ-Landesräten Manfred Haimbuchner, Günther Steinkellner und den (inzwischen zurückgetretenen) Elmar Podgorschek wissen. Die sagten zwar, dass sie insgesamt über 88.000 Euro ausgegeben haben aber nicht, wer diese Zahlungen bekommt. Die Begründung der oberösterreichischen Landesräte? “Wir haben mit den Agenturen Rücksprache gehalten. Die haben ein wirtschaftliches Interesse, dass sie im Zusammenhang mit politischen Büros nicht genannt werden. Denn die Kunden dieser Agenturen sind nicht nur politischer Herkunft”, zitiert das profil den Sprecher von Haimbuchner.

Artikel zum Hintergrund:
Berichterstattung im profil

Nominierung #4: Das BMVRDJ – mit der fehlenden Antwort zu Anzeigen und Verurteilungen wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt

Das Justizministerium lässt zwei Anfragen einer NGO über Anzeigen und Verurteilungen wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und tätlicher Angriff auf Beamte einfach unbeantwortet.

In einer Presseaussendung teilt das Bundesministerium für Inneres am 10. Mai 2019 mit, dass die Polizei mit neuer Munition ausgestattet werden wird. Bis Juni 2020 soll die Munition österreichweit ausgeliefert sein. Als Grund für die Anschaffung der neuen Munition nennt der damalige Innenminister Herbert Kickl eine steigende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizistinnen und Polizisten. Deswegen wollte sich die NGO epicenter.works einen Überblick zur Gewalt gegen die Polizei verschaffen. Dafür hat es das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz gefragt, wie viele Anzeigen und Verurteilungen bzw. offene Verfahren es in den letzten Jahren nach §269 StGB (Widerstand gegen die Staatsgewalt) gegeben hat. Das Justizministerium hatte zur Beantwortung der Frage acht Wochen Zeit, laut Anfragesteller kam innerhalb der Frist keine Antwort – und das obwohl sie von der NGO nach 54 Tagen auf die Überschreitung der gesetzlichen Frist hingewiesen wurde.

 

Nominierung #3: Das BMASGK – mit der fehlenden Auskunft über Pferde-Allergien

Das Gesundheitsministerium verweigert die Information, denn: Für Pferde-Allergien sei man nicht zuständig. Wer dafür zuständig wäre, sagt das Ministerium nicht.

Über Monate waren Polizeipferde ein immer wiederkehrendes Thema: Ein Bürger wollte deshalb wissen, wie viele Menschen in Österreich bzw. in Wien gegen Pferde allergisch sind. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz ließ die Frist zur Beantwortung gesetzwidrig verstreichen. Der Bürger musste drei Mal auf die Fristüberschreitung hinweisen, bevor das Bundesministerium auf seine Anfrage reagierte. Das BMASGK sei nach eigenen Angaben nicht für die Anfrage zu “Allergien gegen Pferde” zuständig. Der Bürger hat daraufhin einen Bescheid verlangt – und statt einem Bescheid die gleiche Antwort noch einmal bekommen. Wer für solche Statistiken zuständig ist, hat das Ministerium nicht gesagt.

Nominierung #2: Die Stadt Wien – und die Verträge und Gutachten zum Verkauf der Semmelweis-Gründe

“Die Semmelweis-Gründe”: Die Stadt Wien hält die Verträge zum Verkauf von Grundstücken und Immobilien im 18. Bezirks geheim. Auch das Gutachten, das den Verkaufswert bestimmte, wird nicht gezeigt.

Im Jahr 2012 verkaufte die Stadt Wien mehrere Gründe auf dem “Semmelweis-Areal” in Wien-Währing. 2018 wurde bzgl Ausschreibungen und der Rolle eines Gutachter sogar von der Staatsanwaltschaft ermittelt. Jener Gutachter, dessen Gutachten für die Bemessung des Wertes herangezogen wurde, habe selbst auf diesem Areal ein Gebäude gekauft, berichten Medien. Und demnach soll der Verkaufspreis unter Wert erfolgt sein. Laut Staatsanwaltschaft sei es nicht nachvollziehbar, wieso bei beiden Verkäufen ohne öffentliche Ausschreibung verkauft wurde, obwohl dies, auch laut Rechnungshof, notwendig gewesen wäre. 

Die Stadt Wien verweigert aber nach entsprechender Anfrage die Herausgabe der Verträge über den Grundstücksverkauf in Wiener Top-Lage und des dazugehörigen Gutachtens, das den Wert dieser Liegenschaften beurteilen sollte. Sie begründet das mit dem Amtsgeheimnis und Datenschutz. Das Gutachten wollte die Stadt im Dezember 2018 wegen des Schutzes der personenbezogenen Daten des Gutachters und seines wirtschaftlichen Interesses nicht herausgeben; obwohl der Name des Gutachters bereits im September 2018 öffentlich in den Medien genannt worden war.

Artikel zum Hintergrund des Falles:
im Standard (hier und hier)
in der Wiener Zeitung

 

Nominierung #1: Das Land NÖ & FP-Landesrat Gottfried Waldhäusl – mit dem Vertrag des Asylheims Drasenhofen

Das Land Niederösterreich hält den echten Vertrag mit dem Betreiber des umstrittenen Asylheims Drasenhofen geheim.

Ein Auffangzentrum für unbegleitete jugendliche Asylwerber im niederösterreichischen Drasenhofen hat vergangenes Jahr für viel Aufsehen gesorgt. Dort wurden unbegleitete jugendliche Flüchtlinge vom zuständigen Landesrat Gottfried Waldhäusl einquartiert. Die Jugendlichen wurden von Securities mit Hunden bewacht, durften alleine nicht ins Freie und das Lager war mit Stacheldraht eingezäunt. Die Asylkoordination Österreich nennt das Asylheim ein “Straflager”. Verträge mit der Sicherheitsfirma wurden von einem Landesjuristen “nicht als sachlich und richtig” qualifiziert, er forderte eine neuerliche Überprüfung. Dazu gab es Medienberichte über angebliche Kickback-Zahlungen rund um den Vertrag. Das Forum Informationsfreiheit wollte deshalb wissen mit wem der Vertrag abgeschlossen wurde, welche Preise ausverhandelt wurden und wie viel das Land Niederösterreich schon gezahlt hat. Darüber hinaus: Welche Sicherheitsleistungen wurden vereinbart, wie lange läuft der Vertrag und zu welchen Konditionen kann der Vertrag vom Land Niederösterreich aufgelöst werden.

Geschickt hat das Land Niederösterreich einen Blanko-Standardvertrag und darauf verwiesen, dass dieser Vertrag “im Wesentlichen” bei allen Quartieren angewendet worden ist – angeblich. Der echte Vertrag wurde damit verweigert und wird weiter geheim gehalten.

Artikel zum Hintergrund des Falles:
im Profil
im Kurier
bei Addendum
im ORF
im Standard

***

“…und die “Mauer des Schweigens” ging bisher an…”

2018: Die Stadt Innsbruck und die NÖ-Gemeinden für Einschränkungen rund ums Wahlrecht

Die Mauer des Schweigens 2018 ging an:

  1. Platz: Stadt Innsbruck, für die Weigerung die Sprengelergebnisse der heurigen Bürgermeisterwahl herauszugeben;
  2. Platz: die niederösterreichischen Gemeinden (in Verbindung mit Gemeindebund, Gemeindevertreterverband und Land NÖ), dafür, Gebühren von insgesamt fast 8.000 Euro allein für die Frage anzudrohen (und teils schon verrechnen), wie vielen Menschen vor der Landtagswahl 2018 das Wahlrecht aberkannt wurde;
  3. Platz: das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, das seine Stellungnahme zum umstrittenen Entwurf für das sogenannte „Standortentwicklungsgesetz“ nicht veröffentlicht hat.
Mauer des Schweigens 2018: Der Goldene Informationsfilter (Sonderpreis) (Foto: Gert Nepel)

Sonderpreis und Goldener Informationsfilter an Kurz und Kickl

Der „Goldene Informationsfilter“ ging an „Innenminister Herbert Kickl und Mitarbeiter“ für den jüngsten „Versuch der Einschränkung der Pressefreiheit“.

Ein Sonderpeis ging an Bundeskanzler Sebastian Kurz: Vor 5 Jahren hat er noch als Staatssekretär und JVP-Obmann die Forderung nach einem Informationsfreiheitsgesetz unterstützt, und seither immer wieder politisches Kapital aus entsprechenden Ansagen geschlagen. Nun ist er der erste Bundeskanzler der vergangenen drei, bei dem die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes nicht einmal mehr im Regierungsprogramm stehen – und dessen Haus entsprechenden Pläne zuletzt eine klare Absage erteilt hat.

2017: Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP für die Aufrechterhaltung des Amtsgeheimnisses

Wir haben die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP mit der Mauer des Schweigens ausgezeichnet, die nach über drei Jahren parlamentarischer Behandlung nicht Willens waren, das antiquierte Amtsgeheimnis endlich durch ein Bürgerrecht auf Zugang zu staatlicher Information zu ersetzen.

2015: Das Innenministerium für die Verwehrung des Journalisten-Zugangs zum Ayselzentrum

Auf den ersten Platz gewählt wurde das Bundesministerium für Inneres für seine Informationspolitik rund um das Asyl-Erstaufnahmezentrum Traiskirchen.

Den zweiten Platz teilten sich das Büro der Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima für die nachhaltige Weigerung von Auskunftserteilung zu einem von der Stadt über eine Tochterfirma betriebenens Tierheim und das Amt der Burgenländischen Landesregierung für die Weigerung die Kosten einer Burgenland-„Kurier“-Sonderbeilage kurz vor der Landtagswahl offenzulegen.

2014: Der Wiener Stadtschulrat – für Verweigerung von Elterneinsicht in Lesetests der Kinder

Den ersten Platz belegte der Wiener Stadtschulrat für seine Weigerung, Eltern Einsicht in den Text eines Lesetestes ihrer Kinder zu gewähren.

Der zweite Platz ging Punktegleich an das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft für seine Weigerung, die Firmen zu nennen, die von der Republik anerkannte Eurofighter-Gegengeschäfte erhalten hatten – wir haben diese Liste erfolgreich freigeklagt – und an das Bundesministerium für Inneres, für intransparentes agieren rund um die Auftragsvergabe für den Betrieb des Schubhaftzentrums Vordernberg.

Parteienfinanzierung: Forum Informationsfreiheit kritisiert aktuellen Entwurf als „Scheinreform im eigenen Interesse“

Ibiza-Pläne wären damit nicht verhindert worden – Experte Huter: Mindeste wäre, heute noch „volle Kontrolle durch den Rechnungshof“ sowie ein umfassendes Spenden- und Sponsoringverbot durch öffentliche Stellen festzulegen

Wien – Das Forum Informationsfreiheit (FOI) kritisiert den vorliegenden Entwurf von SPÖ, FPÖ und JETZT zu Änderungen bei der Parteienfinanzierung scharf: Es fehle an Klarheit, Kontrolle und Konsequenzen.

Es handle sich dabei fast ausschließlich um Scheinreform im eigenen Interesse. SPÖ und FPÖ haben hier hauptsächlich jene Punkte geregelt, die ihren eigenen Geldquellen nicht weh tun, aber z.B. ÖVP oder Neos und auch kleinen Parteien außerhalb des Parlaments wie gerade den Grünen schaden können.

„Die Parteien waren in der Verantwortung, sich selbst neue Finanzierungsregeln aufzuerlegen, die einer modernen Demokratie angemessen sind. Leider hat sich die Mehrheit überwiegend von ihren eigenen Interessen leiten lassen, anstatt das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an einer Demokratie mit klaren Regeln, echter Kontrolle und Konsequenzen bei Verstößen ins Zentrum einer Reform zu stellen”, sagt der Parteienfinanzierungsexperte Mathias Huter, der für das FOI-Transparenzprojekt Parteispenden.at verantwortlich zeichnet. „Faire Bedingungen für alle Parteien und echte Transparenz werden damit nicht geschaffen.“

Einen besonderen Seitenhieb ortete der Experte auf kleinere Parteien und Listen, vor allem auf die sich bisher immer für Transparenz engagierenden Grünen: Denn die höhere Gesamtspenden-Grenze  soll nur für Parteien gelten, die zum ersten Mal antreten – nicht aber für Parteien, die einmal aus dem Nationalrat gefallen sind und nun den Wiedereinzug versuchen.

Mit diesem Entwurf wären die Ibiza-Pläne weiterhin möglich

Das größte Problem der Scheinreform: Viele ihrer Punkte lassen sich wiederum ganz leicht und ganz legal umgehen. Die im Ibiza-Video gewälzten Pläne wären damit weiterhin ganz problemlos möglich. 

Fehlende Kontrolle: Nur komplette Offenlegung hilft

Weiterhin fehlt eine unabhängige Kontrolle der Partei-Angaben: Geldgeber können ihr Geld weiterhin am Rechnungshof vorbeischleusen, staatliche Institutionen können weiterhin Steuergeld über Umwege in die Parteien pumpen. „Wir wissen damit wieder nicht, wen wir wirklich wählen, denn Gelder können weiterhin über Umwege in Wahlkämpfe, an Parteien und Kandidaten fließen. Und keine Behörde in Österreich bekommt volle Einsicht in die Parteifinanzen, um das zu klären“, sagt Huter.

Die absolute Untergrenze für Transparenz wären umfassende Prüfrechte für den Rechnungshof, um diesem endlich zu ermöglichen, die Parteifinanzen einzusehen und zu prüfen. Da bei verschleierten Geldflüssen weiterhin kein Straftatbestand vorgesehen ist, kann die Staatsanwaltschaft nicht tätig werden. Ohne echte Kontrolle bleiben die vorliegenden Reformschritte deshalb völlig zahnlos.

Darüber hinaus wären strengeren Transparenz-Regeln für Sponsoring und Inserate in Parteimedien sowie ein umfassendes Verbot der direkten und indirekten Parteienfinanzierung durch Spenden, Sponsoring und Inserate von Unternehmen im Staatsbesitz ganz einfach ins Gesetz zu schreiben.

Weitere Probleme: Keine Klarheit, keine Kontrolle, keine Konsequenzen

Problematisch sind darüber hinaus:

• Zwar werden die Wahlkampfausgaben von Personenkommittees erfasst, deren Finanziers aber nicht veröffentlicht. Das Spenden-Verbot kann so leicht umgangen werden. Überhaupt nicht erfasst sind andere Gruppen, die im Wahlkampf mitmischen, etwa durch Negativ-Campaigning. 

• Die Ausgaben von nahestehenden Organisationen der Parteien fallen nicht unter die Wahlkampfkosten-Obergrenze – schon aber die der ÖVP-Bünde. 

• Parteien sind weiterhin nicht verpflichtet, Details zu ihren Wahlkampfausgaben zu veröffentlichen.

• Strengere Sanktionen und ein Straftatbestand bei Verschleierung von Geldflüssen fehlen.

• Keine Transparenz gibt es weiterhin zu Vermögens- und Schulden der Partei und dazu, wer sie über Kredite und Darlehen finanziert, was weiterhin auch für ausländische Akteure legal möglich ist. 

• Durch unklare Formulierungen könnte es zu weniger Transparenz bei den Finanzen der Landesparteien kommen.

Keiner der namhaften Experten involviert

Das Forum Informationsfreiheit kritisiert darüber hinaus, dass die großen Parteien in den vergangenen Wochen den Diskurs über das Thema verweigerten. Weder wurden namhafte Experten eingebunden, noch gab es eine öffentliche Begutachtung. Das Ergebnis richtet sich entsprechend selbst. 

ÖVP-Parteispenden: Bürgerrechtsorganisation bringt Sachverhaltsdarstellung beim Parteien-Transparenz-Senat ein

Forum Informationsfreiheit konnte in bisherigen Rechenschaftsberichten keine entsprechend offengelegten Spenden identifizieren – und will komplette Offenlegung

Wien – Aufgrund aktueller Medienberichte betreffend Spenden an die Österreichische Volkspartei (ÖVP) bringt das Forum Informationsfreiheit (FOI) eine Sachverhaltsdarstellung an den „Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat“ sowie den Rechnungshof Österreich ein.

Laut einem „Kurier“-Artikel soll es entsprechende Spenden eines Unternehmers an die ÖVP sowie die von Parteichef Sebastian Kurz zuvor geleitete Junge ÖVP gegeben haben.

Die Parteienfinanzierungs-Experten des Forum Informationsfreiheit (FOI), das auch das Transparenzportal Parteispenden.at betreibt, haben den Medienbericht mit den Rechenschaftsberichten verglichen, mit folgendem Ergebnis:

„In den Rechenschaftsberichten der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) für die Jahre 2013 bis 2016, die auf der Webseite des Rechnungshofs verfügbar sind – der Bericht für 2017 ist leider bislang nicht öffentlich – haben wir keine offengelegten Spenden identifizieren können, die Herrn Ortner oder seinen Unternehmen zuordenbar wären.

In diesen Rechenschaftsberichten müssten allfällige Spenden an die Junge ÖVP, die eine Teilorganisation der ÖVP ist, sowie an die ÖVP Bundespartei gem. § 6 Abs. 4 Parteiengesetz namentlich offengelegt werden, soweit diese den Betrag von 3.500 Euro pro Jahr übersteigen. Weiters sind Spenden, die im Einzelfall die Höhe von 50.000 Euro übersteigen, gem. § 6 Abs. 5 dem Rechnungshof unverzüglich zu melden.

Auf der Webseite des Rechnungshofes sind keine Herrn Ortner oder seinen Unternehmen zuordenbare Großspenden an die ÖVP für den Zeitraum 2013 bis heute offengelegt.“

Forum Informationsfreiheit will komplette Offenlegung von Parteifinanzen

Das Forum Informationsfreiheit will in der Sache selbst sofortige Aufklärung.

Gleichzeitig fordert die komplette Offenlegung der Parteifinanzen für alle Parteien – und die Reform der entsprechenden Transparenzgesetze unter Einbindung der Experten und Bürger. Denn für eine saubere Politik brauche es: Klarheit, Kontrolle und Konsequenzen.

– Klarheit: von wem die Parteien und Politiker Spenden bekommen, und was diese gleichzeitig mit Steuergeld und Staatseigentum machen. Das umfasse u.a. eine absolute Offenlegungspflicht von Spenden und Wahlkampfausgaben unbedingt vor der Wahl, nicht erst Jahre später, sowie Unvereinbarkeitsregeln gegen die Vermischung von Staatsdienst und Parteiarbeit.

– Kontrolllen: durch den Rechnungshof in Form von umfassenden Prüfungen der Parteifinanzen samt kompletter Veröffentlichung, und durch die Staatsanwaltschaft bei Umgehung von gesetzlichen Regelungen.

– Konsequenzen: abschreckende Sanktionen bei der Verschleierung von Geldflüssen sowie einen neuen Straftatbestand für illegale Parteienfinanzierung. Denn Gesetzesbruch dürfe sich nicht lohnen.

Forum Informationsfreiheit: Bürgerrechtsorganisation für Recht auf Information

Das Forum Informationsfreiheit (FOI) ist Österreichs erste Bürgerrechtsorganisation für das Recht auf Zugang zu Information, ist Träger der Kampagne Transparenzgesetz.at, und wurde bereits 2014 mit dem Demokratiepreis der M. Lupac Stiftung des Parlaments ausgezeichnet. Die Laudatio auf das Forum Informationsfreiheit hielt die damalige Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofs und heutige Bundeskanzlerin, Brigitte Bierlein.


Rückfragehinweis:
Forum Informationsfreiheit (FOI)
Österreichs erste Bürgerrechtsorganisation für das Recht auf Information
Mathias Huter
0699 126 39 244
mathias.huter@informationsfreiheit.at
www.informationsfreiheit.at
www.transparenzgesetz.at
www.parteispenden.at

Was die SPÖ heute eingebracht hat, ist leider keine Amtsgeheimnis-Abschaffung

Eine aktuelle Stellungnahme:
In der heutigen Nationalratssitzung gibt es Fristsetzungsanträge für die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes.

Die SPÖ hat Anträge für eine Gesetzesänderung und eine Verfassungsänderung eingebracht – die Kleine Zeitung schrieb schon, die SPÖ wolle das Amtsgeheimnis abschaffen.

SPÖ Anträge: 889 (B-VG Änderung) + 890 (IFG Entwurf)
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00889/index.shtml (abgelehnt)
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00890/index.shtml

JETZT Anträge: 631 (B-VG Änderung) + 632 (IFG Entwurf)
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00631/index.shtml
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00632/index.shtml

Die Anträge: Verfassungsänderung und Gesetz ähneln stark den Anträgen, die unter den SPÖ-Medienministern Josef Ostermayer und Thomas Drozda von den Beamten im Bundeskanzleramt vorgelegt wurden (Verfassungsbestimmung und Gesetz).

Sie entsprachen aber von jeher nicht den inhaltlichen Vorgaben, um tatsächliche Transparenz sicherzustellen und ein echtes Recht auf Information für die Österreicherinnen und Österreicher zu gewährleisten – und somit dem Namen “Informationsfreiheitsgesetz” auch gerecht zu werden.

Dies ist auch damit klar belegt, dass der zuständige Sektionschef im Bundeskanzleramts, dessen Abteilung den Entwurf verfasst hatte, im Verfassungsausschuss des Parlament aussagte, dass wichtige Informationen zu staatlichen Auftragsvergaben, etwa die Kosten für Grenzzäune, auch mit den im Entwurf vorgesehenen Regeln weiterhin geheim gehalten werden müssten. Auch darüber hinaus haben wir die ursprünglichen Anträge schon heftig kritisiert.

Um das Amtsgeheimnis nicht nur auf dem Papier sondern auch in der Praxis abzuschaffen, haben wir damals auch konkrete Forderungen formuliert. Um es kurz zu machen: diese Forderungen wurden großteils nicht erfüllt.

Die Änderungen in den neuen SPÖ-Anträgen im Detail (nicht beachtet: leichte Formulierungsänderungen):

  • Die Regelung, dass komplett neue Geheimhaltungsinteressen in anderen (Landes-)Gesetzen definiert werden dürfen, wurde entfernt.
  • Die vorgesehene Gebühr für die Ausstellung eines Bescheides nach einer (teilweisen) Auskunftsverweigerung wurde von 30 Euro auf 20 Euro verringert – die aktuelle Praxis ist, keine Gebühr für eine Bescheidausstellung zu verrechnen, die Regelung würde also eine Verschlechterung bringen.

Die wichtigsten Kritikpunkte, die damit aufrecht bleiben:

  • Die Dauer für eine Erstantwort bleibt bei den aktuellen acht Wochen – erweiterbar um acht weitere Wochen – anstatt sich an unseren Nachbarländern oder den EU-Institutionen ein Beispiel zu nehmen, wo eine Antwort nach zwei oder drei Wochen erfolgen muss. (Das Umweltinformationsgesetz in Österreich sieht eine Erstantwort nach einem Monat vor, das schaffen die Behörden auch.)
  • Die Definition, was eine „Information“ ist, ist verklausuliert und realitätsfremd. Jede bei einer Behörde vorliegende Aufzeichnung – egal in welcher technischen Form – sollte anfragbar sein.
  • Keine zwingende Abwägung der Ausnahmegründe mit dem Auskunftsinteresse im Einzelfall: Auftragsvergaben oder Privatisierungen könnten etwa geheim gehalten werden, wenn das “wirtschaftliche oder finanzielle Interesse” einer staatlichen Stelle irgendwie betroffen ist – egal, wie groß das öffentliche Interesse an der Causa ist.
  • Keine Kompetenz- und Kontrollstelle, die einen Kulturwandel vorantreiben könnte.
  • Werden Informationen von auskunftspflichtigen staatlichen Unternehmen (etwa ausgelagerte Verkehrsbetriebe) nicht herausgegeben, müssen diese auf dem Zivilrechtsweg eingeklagt werden, was ein existenzbedrohendes Kostenrisiko für den Anfragenden mit sich bringen würde.

Zum Vergleich: die Entwürfe der Liste JETZT (Verfassung bzw Gesetz) gehen viel weiter und sind um Längen besser als die Entwürfe, die SPÖ und ÖVP davor gemeinsam gemacht haben. Darin vorgesehen ist etwa auch eine verpflichtende, automatische Veröffentlichung von bestimmten Informationen, etwa von Verträgen aus Vergabeverfahren.